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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0041

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Adelsforschung - Wurzeln und Kontexte

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fein zeige, daß bei Heiraten auf Ebenburt geachtet wurde, die Adligen hätten keine
Bauern als Verwandte gehabt. Dynasten seien „allein durch Geburt fähig..., Herr-
schaftsrechte zu besitzen"^?. „Mehrere Jahrhunderte hindurch hielt die edelfreie
Kaste Deutschlands Schicksale in der Hand". Man könne geradezu von einem
„Kastenregiment" und einem „Kastenstaat" sprechen^, der aus den Großgrund-
besitzern des 9. Jahrhunderts entstanden sei. Die ältere Sicht mit ihrer Hervorhe-
bung der Gemeinfreiheit sei romantisierend gewesen. Diese Dynastenklasse habe
sich in Frankreich und Italien schon vor 1100 aufgelöst, in Deutschland dagegen -
hier versuchte Forst-Battaglia, eine Kontroverse zwischen Düngern und Schulte zu
beenden - mit regionalen Unterschieden bis ins 15. Jahrhundert existiert. Dann sei
das Prinzip der Ebenburt, das eine „Blutsaristokratie" geformt hatte, durch ein
rechtliches Kriterium ersetzt worden, die Reichsstandschaft, wie sie in der ersten
Reichsmatrikel von 1422 zum Ausdruck kommet
Die wegweisenden Arbeiten Dopschs, Dungerns und Schuttes führten aller-
dings erst dann zu einer veränderten Gesamteinschätzung, als sie von den Ergeb-
nissen landesgeschichtlicher Untersuchungen untermauert wurden. Die neue
Eandesgeschichte hatte als nicht dynastisch orientierte Teildisziplin in der Mediä-
vistik noch keine sonderlich lange Tradition und löste nach dem Ende des ersten
Weltkriegs in zunehmendem Maße rechtsgeschichtlich orientierte Ansätze gerade
der Verfassungsgeschichtsschreibung abW Die systematische Auswertung ge-
schlossener Urkundenbestände statt rechtsgeschichtlicher Deduktion oder Suchen
von einzelnen Beispielen, die zur Konstruktion paßten, führten zu Ergebnissen,
die mit dem bisherigen Gesamtbild kaum mehr zu vereinbaren waren. Dabei inte-
ressierte man sich vor allem für die Frage, auf welchen Grundlagen die spätmittel-
alterliche Eandesherrschaft entstand. Der Untersuchungszeitraum umfaßte, über-
lieferungsbedingt, zunächst die Zeit zwischen dem 9. und dem 11. Jahrhundert.
Als zentrale These kristallisierte sich rasch die Vorstellung von der autogenen
Immunität Adliger heraus.
Herrmann Aubin sah in der Immunität eine wesentliche Voraussetzung für
den Aufbau einer Landesherrschaft. Aubin wollte durchaus noch an der Lehre der
gräflichen Hochgerichtsbarkeit festhalten und betrachtete die Königsrechte als
zentral für den Aufbau einer Landesherrschaft. Im Rheinland allerdings seien
allodiale Herrschaften edelfreier Geschlechter nachzuweisen, die zur Landeshoheit
emporstiegen, ohne jemals vom König mit Gerichts- und Grafenrechten ausgestat-
tet worden zu sein. „Autogene Immunitätsbildungen" dieser Art habe es schon
seit der fränkischen Zeit gegeben. Der Hausfrieden sei der Kern der Immunitä-

127 FORST-BATTAGLIA, Vom Herrenstande, Bd. 1, S. 19; vgl. auch S. 12.
128 Vgl. FORST-BATTAGLIA, Vom Herrenstande, Bd. 1, S. 10.
129 Vgl. FORST-BATTAGLIA, Vom Herrenstande, Bd. 1, S. 8-19.
130 Vgl. dazu HOLZFURTNER, Landesgeschichte, S. 387-391; zur Sache vgl. auch PlTZ, Methoden.
 
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