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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0110

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106

Kapitel 2

als Untersuchungsgegenstand beschäftigte, als absterbendes Relikt: Da kein Kaiser
mehr existierte, konnten keine neuen Mitglieder mehr in diesen Stand aufgenom-
men werden. Die prosopographischen Untersuchungen der fränkischen Amtsträ-
ger von Selle-Hosbach für die Jahre 511-613 und von Ebling für 613-741 legten
diesen Befund auch naheb Das Verschwinden gallorömischer Namen wurde als
Ablösung der Senatsaristokratie durch die Franken gedeutet^ generell ging man
von einer „Frankisierung" der Amtsträger aus^. Damit vereinbar war die Vorstel-
lung von einer Räumung Nordgalliens am Beginn des 5. Jahrhunderts und der
Entmachtung des gallorömischen Adels. Insbesondere die Arbeiten von Friedrich
Prinz bauten auf dieser Prämisse auf. Das 405/410 vor Cannes gegründete Insel-
kloster Perms bezeichnete Prinz demgemäß als eine „Flucht-Hochburg" spätanti-
ker Aristokraten im 5. Jahrhundert. Askese und Abschluß gegen die unerfreulich
gewordene Welt seien die bestimmenden Momente der Gründung gewesen^.
In diesem Gesamtbild sind inzwischen einige Akzente etwas anders gesetzt
worden. Schon Godefroid Kurth wies darauf hin, daß die galloromanische Bevöl-
kerung des 5. bis 6. Jahrhunderts in großem Umfang die fränkische Namengebung
übernommen habe; Kurth sprach sogar von einer germanischen Namenmode von
Romanen in der NordgalliaT Dies relativierte natürlich die Ergebnisse jener Unter-
suchungen, in denen Auftauchen und Verbreitung fränkischer Namen als Aus-
druck eines Frankisierungs- oder gar Verdrängungsprozesses betrachtet worden
waren. Zunächst allerdings trafen die Forschungen Kurths nicht unbedingt auf
allgemeine Anerkennung^. Hartmut Knoch meinte noch 1970, daß Kurth übertrie-
ben und praktisch jeden Träger eines germanischen Namens in der Nordgallia als
Romanen betrachtet habe^. Die fränkischen Namen der Aristokratie zeigten die
ethnische Herkunft. Daraus ergab sich wieder die Folgerung, daß der größte Teil
der Aristokratie fränkischer Herkunft gewesen sei.
Im Zuge der stärkeren Hervorhebung spätantiker Kontinuitäten traf die These
von Kurth dann allerdings auf größere Resonanz. Den heutigen Konsens faßt Jörg
Jamut zusammen: Die Germanisierung der europäischen Namengebung im
Frühmittelalter fand im 6. und 7. Jahrhundert statt und ist als Imitation der herr-
schenden germanischen Eliten aufzufassen. Römische Führungsgruppen sahen
darin eine Art der Integration^.

3 Vgl. SELLE-HOSBACH, Prosopographie; EBLING, Prosopographie.
4 Vgi. EBLING/ JARNUT/ KAMPERS, Nomen, bes. S. 701, 721.
5 Vgl. CLAUDE, Untersuchungen, S. 59-79.
6 Vgl. PRINZ, Frühes Mönchtum.
7 Vgl. KURTH, Etudes franques, Bd. 1, S. 122-137.
8 Vgl. dazu Th. MAYER, Die Königsfreien, S. 41.
9 Vgl. KNOCH, Möglichkeiten.
10 Vgl. JARNUT, Selbstverständnis. Zu den Problemen der Erforschung der lateinischen Namentradition
vgl. zuletzt MAAS-CHAVEAU, Namentradition.
 
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