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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0134

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130

Kapitel 2

Walter Schlesingers sehr weiter Gefolgschaftsbegriff führte ihn zu der Annah-
me, daß es auch großbäuerliche Gefolgschaften gegeben habe, „daß im Grunde der
ganze Stamm oder, wenn man lieber will, das ganze Volk gefolgschaftlich geglie-
dert war"W Daß diese Auffassung bei Adolf Helbok, der 1936 einen seinerzeit
programmatischen Aufsatz in der Historischen Zeitschrift verfaßte, noch ausge-
baut wurde, ist wenig erstaunlich*^.
Diese sehr weite Definition des Gefolgschaftsbegriffs hat sich nun doch nicht
durchgesetzt; wie bereits erwähnt, ist eine Einigkeit, welche Extension man dem
Begriff für die germanische Zeit zuerkennen solle, bis heute nicht erzielt worden.
Daß die Interpretationsmöglichkeiten archäologischer Quellen zum Gefolgschafts-
problem in erster Linie von dem verwendeten Gefolgschaftsbegriff abhängen, hat
Heiko Steuer gezeigt*^.
Die Diskussion um die Definitionsprobleme prägten aber natürlich auch die
Debatte für die fränkische Zeit. Unter der Verwendung einer eher engen Definiti-
on sprach die ältere Forschung im Rahmen der klassischen Rechtsgeschichte von
einem Gefolgschaftsmonopol des merowingischen Königs. Diese Sicht war das
Resultat der seit Waitz gängigen Meinung, daß dieses Recht ursprünglich durch
die Wahl zum pnnceps begründet wurde, und konnte natürlich ohne Schwierigkei-
ten mit der Auffassung vereinbart werden, daß es zu dieser Zeit keinen Adel ge-
geben habe. An der Vorstellung des königlichen Gefolgschaftsmonopols hielten
etwa auch noch Heinrich Mitteis und Walther Kienast fest*^, sahen darin aber eine
Entwicklung der jüngeren Zeit. Erst in der Karolingerzeit seien dann „Privatge-
folgschaften" aufgekommen.
Im Rahmen der sich durchsetzenden Adelsherrschaftstheorie lag allerdings die
Annahme näher, daß auch Adlige Gefolgschaften unterhalten konnten. Schon
Walter Schlesinger meinte für die taciteische Zeit, daß jeder Freie eine Gefolgschaft
unterhalten haben könnet Im Hinblick auf die spätere Zeit meinte er bereits ab-
schwächend, es scheine, als hätten die fränkischen Könige „zeitweise für sich al-
lein das Recht beansprucht, ein Gefolge zu halten", doch äußerte er sich eher skep-
tisch im Hinblick auf den Erfolg solcher Versuche*^. Dies war Resultat der Grund-
annahme Schlesingers, die fränkische Zeit sei geprägt durch eine (nur teilweise
und vorübergehend erfolgreiche) Nivellierungspolitik der Könige.
In der Diskussion um die Existenz eines Adels in merowingischer Zeit hat sich
Dietrich Claude der Auffassung angeschlossen, daß es ein Vorrecht des Adels

150 SCHLESINGER, Herrschaft, S. 22; vgl. auch DERS., Anfänge, S. 186f. Anm. 197.
151 Vgl. HELBOK, Volk, S. 235f.
152 Vgl. STEUER, Interpretationsmöglichkeiten.
153 Vgl. MlTTEIS, Staat, S. 58; KlENAST, Treue, S. 266.
154 Vgl. SCHLESINGER, Herrschaft, S. 20.
155 SCHLESINGER, Herrschaft, S. 35.
 
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