Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0139

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Merowingerzeit

135

germanische Zeit auch von Grundherrschaften sprechen könne^F Im Rahmen der
Adelsherrschaftstheorie hat dann insbesondere Heinrich Dannenbauer an diese
Meinung angeknüpfBA Herrschaftlich verfaßte Grundherrschaften sahen dem-
nach sowohl Wittich als auch Dannenbauer bereits in germanischer Zeit. Während
Wittich freilich von vielen „kleinen" Grundherren ausging, sprach Dannenbauer
von wenigen „großen" Grundherren, in denen er einen germanischen Adel erken-
nen wollte.
Nimmt man die biologische Kontinuität adliger Gefolgsherren über die Völ-
kerwanderungszeit hinaus an, stellt sich die Frage, wann aus einer kriegerischen
Aristokratie eine grundbesitzende wurde. Hagen Keller hat von der „Strukturkri-
se" des Adels im 6. Jahrhundert gesprochen: Erst jetzt sei die Verbindung von
Eigenherrschaft und Amtswaltung erkennbar; in dieser Zeit hätten die Großen des
fränkischen Volkes Grundbesitz in verschiedenen Regionen des Reichs als Erbgut
an ihre Familien gebunden. Für den politischen Hintergrund verwies Keller auf
umfassende Landschenkungen des Königs in den Zeiten der Bruderkriege^. Eu-
gen Ewig hat, daran anknüpfend, von einem gentilen Kriegeradel gesprochen, der
zunächst noch stark in den Stand der Freien eingebunden gewesen sei. Der Wan-
del zum Grundherrn habe allerdings schon im 6. und 7. Jahrhundert begonnen^.
Auch Johannes Fried geht davon aus, daß die Adligen zunächst Interesse an den
Steuereinkünften hatten, an denen der König sie beteiligte. Erst im 6. Jahrhundert
sei es zu einer „Umorientierung der materiellen Interessen des fränkischen Adels"
gekommen: „Seitdem drängte der Adel nach eigenen Latifundien"^^. Grundbesitz
war in dieser Perspektive nicht die entscheidende Basis für die Herrenstellung,
sondern die Folge; als zentral erschien die Abstammung.
Römische Wurzeln der mittelalterlichen Grundherrschaft hat früh vor allem
Alfons Dopsch im Rahmen seiner allgemeinen Kontinuitätstheorie hervorgeho-
ben^b Zwar sah Dopsch auch bei den Germanen bereits „grundherrschaftsähnli-
che" Verhältnisse, im wesentlichen sei die Grundherrschaft jedoch römisches Erbe.
Man könne von einer „Kontinuität der Entwicklung eben auch in dem ganzen
Wirtschaftsbetriebe" ausgehend. Rudolf Kötzschke ist Dopsch darin weitgehend
gefolgt: Die Grundherrschaft sei ein „Erbteil spätrömischer Verfassung" in den
romanischen Ländern^. Im Rahmen dieser Deutung war Dopschs Vorstellung
von autogenen Rechten als Ausgangspunkt der Herrschaft über Grund und Boden
zwar möglich, aber nicht unbedingt zwingend. Wohl aus diesem Grund hat diese

181 Vgl. WITTICH, Grundherrschaft, S. 104*-112*; DERS., Frage, S. 252ff.
182 Vgl. DANNENBAUER, Adel, S. 137-140.
183 Vgl. H. KELLER, Archäologie; DERS., Hintergrund; DERS., Strukturveränderungen.
184 Vgl. EWIG, Merowinger, S. 85.
185 FRIED, Weg, S. 207.
186 Vgl. A. DOPSCH, Grundlagen, Bd. 1, S. 87-91.
187 A. DOPSCH, Grundlagen, Bd. 1, S. 404.
188 KÖTZSCHKE, Wirtschaftsgeschichte, S. 220.
 
Annotationen