136
Kapitel 2
Sicht auch in der marxistischen Forschung eine gewisse Rolle gespielt. Eckhard
Müller-Mertens hat für das 7. und 8. Jahrhundert von Großbauern- und Adelshö-
fen gesprochen, die in Eigenregie mit Efofsklaven betrieben wurden; sie hätten
einen anderen Typ von Produktionsverhältnissen repräsentiert als die mittelalter-
lichen Grundherrschaften, die es zur selben Zeit schon auf Fiskalland gab^. Hof-
sklaven sowie Leib- und Tributherrschaft spielten eine wichtige Rolle im sächsi-
schen und allgemein im ostfränkischen Gebiet. Grundherrschaft und Feudalismus
betrachtete Müller-Mertens als Importe aus den Gebieten westlich des Rheins, wo
die antike Kontinuität groß war. Dem Königtum schrieb er dabei eine maßgebliche
Rolle zu. Müller-Mertens konnte auf Hannelore Lehmann verweisen, deren Unter-
suchung bairischer Gütertraditionen im 8. und 9. Jahrhundert die Annahme nahe-
legte, daß Adlige ihre Güter noch weitgehend mit Hofsklaven (ÜMMCz'H'ß) betrieben
habend Das Fiskalland sei dagegen bereits weitgehend an selbständig wirtschaf-
tende Bauern ausgegeben worden. Müller-Mertens' These traf auf die Kritik von
Hans-Jürgen Bartmuß, der wieder die germanische Kontinuität stärker hervor-
hob^b und rief eine umfassende Diskussion in der DDR-Mediävistik hervor, die
insbesondere durch die Frage nach der adäquaten historischen Periodisierung im
Rahmen des marxistischen Modells eine erhebliche Brisanz entfaltete^. Auch
heute kann das Grundproblem nicht als gelöst gelten. Werner Rösener jedenfalls
schloß sich zumindest partiell der Kritik von Bartmuß an^b
Geeinigt hat sich die Forschung auf ein idealtypisch verstandenes Zwei-
Wurzel-Modell, in dem wichtige Elemente der mittelalterlichen Grundherrschaft
sowohl auf germanische als auch auf römische Strukturen zurückgeführt werden.
Als Institution gilt die Grundherrschaft allerdings als ein genuines Produkt des
Mittelalters^. „Der gallorömische Großgrundbesitz war noch keine Grundherr-
schaft im mittelalterlichen Sinne, sondern hat sich erst durch die Umdeutung älte-
rer Institutionen unter dem Einfluß fränkischer Einrichtungen und Vorstellungen
und als Reaktion auf die Insuffizienz des merowingischen Königsstaates dazu
entwickelt"^. Die Germanen dagegen kannten nach Theodor Schieffer keine
„wirkliche" Grundherrschaft, doch konnte ihre Agrarverfassung ohne tiefgreifen-
den Strukturwandel zur Übernahme grundherrschaftlicher Ordnung führenW Mit
diesem Modell konnte - idealtypisch - auch die Frage nach den Kausalitäten be-
antwortet werden. Aus germanischer Tradition resultiere die Bedeutung von
189 Vgl. MÜLLER-MERTENS, Feudalentwicklung, S. 159f.
190 Vgl. H. LEHMANN, Bemerkungen.
191 S. Vgl. BARTMUSS, Genesis, S. 126-128.
192 Vgl. die Beiträge in MÜLLER-MERTENS, Feudalismus.
193 Vgl. RÖSENER, Struktur und Entwicklung (1985), S. 179f.
194 Vgl. dazu nur die Überblicke bei RÖSENER, Agrarwirtschaft, S. 99f.; und Fl.K. SCHULZE, Grundstruk-
turen, Bd. 1, S. 99-106.
195 H. KELLER, Archäologie, S. 26.
196 Th. SCHIEFFER, in: SCHIEDER, Handbuch, Bd. 1, S. 136.
Kapitel 2
Sicht auch in der marxistischen Forschung eine gewisse Rolle gespielt. Eckhard
Müller-Mertens hat für das 7. und 8. Jahrhundert von Großbauern- und Adelshö-
fen gesprochen, die in Eigenregie mit Efofsklaven betrieben wurden; sie hätten
einen anderen Typ von Produktionsverhältnissen repräsentiert als die mittelalter-
lichen Grundherrschaften, die es zur selben Zeit schon auf Fiskalland gab^. Hof-
sklaven sowie Leib- und Tributherrschaft spielten eine wichtige Rolle im sächsi-
schen und allgemein im ostfränkischen Gebiet. Grundherrschaft und Feudalismus
betrachtete Müller-Mertens als Importe aus den Gebieten westlich des Rheins, wo
die antike Kontinuität groß war. Dem Königtum schrieb er dabei eine maßgebliche
Rolle zu. Müller-Mertens konnte auf Hannelore Lehmann verweisen, deren Unter-
suchung bairischer Gütertraditionen im 8. und 9. Jahrhundert die Annahme nahe-
legte, daß Adlige ihre Güter noch weitgehend mit Hofsklaven (ÜMMCz'H'ß) betrieben
habend Das Fiskalland sei dagegen bereits weitgehend an selbständig wirtschaf-
tende Bauern ausgegeben worden. Müller-Mertens' These traf auf die Kritik von
Hans-Jürgen Bartmuß, der wieder die germanische Kontinuität stärker hervor-
hob^b und rief eine umfassende Diskussion in der DDR-Mediävistik hervor, die
insbesondere durch die Frage nach der adäquaten historischen Periodisierung im
Rahmen des marxistischen Modells eine erhebliche Brisanz entfaltete^. Auch
heute kann das Grundproblem nicht als gelöst gelten. Werner Rösener jedenfalls
schloß sich zumindest partiell der Kritik von Bartmuß an^b
Geeinigt hat sich die Forschung auf ein idealtypisch verstandenes Zwei-
Wurzel-Modell, in dem wichtige Elemente der mittelalterlichen Grundherrschaft
sowohl auf germanische als auch auf römische Strukturen zurückgeführt werden.
Als Institution gilt die Grundherrschaft allerdings als ein genuines Produkt des
Mittelalters^. „Der gallorömische Großgrundbesitz war noch keine Grundherr-
schaft im mittelalterlichen Sinne, sondern hat sich erst durch die Umdeutung älte-
rer Institutionen unter dem Einfluß fränkischer Einrichtungen und Vorstellungen
und als Reaktion auf die Insuffizienz des merowingischen Königsstaates dazu
entwickelt"^. Die Germanen dagegen kannten nach Theodor Schieffer keine
„wirkliche" Grundherrschaft, doch konnte ihre Agrarverfassung ohne tiefgreifen-
den Strukturwandel zur Übernahme grundherrschaftlicher Ordnung führenW Mit
diesem Modell konnte - idealtypisch - auch die Frage nach den Kausalitäten be-
antwortet werden. Aus germanischer Tradition resultiere die Bedeutung von
189 Vgl. MÜLLER-MERTENS, Feudalentwicklung, S. 159f.
190 Vgl. H. LEHMANN, Bemerkungen.
191 S. Vgl. BARTMUSS, Genesis, S. 126-128.
192 Vgl. die Beiträge in MÜLLER-MERTENS, Feudalismus.
193 Vgl. RÖSENER, Struktur und Entwicklung (1985), S. 179f.
194 Vgl. dazu nur die Überblicke bei RÖSENER, Agrarwirtschaft, S. 99f.; und Fl.K. SCHULZE, Grundstruk-
turen, Bd. 1, S. 99-106.
195 H. KELLER, Archäologie, S. 26.
196 Th. SCHIEFFER, in: SCHIEDER, Handbuch, Bd. 1, S. 136.