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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0157

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Die Merowingerzeit

153

Besonders Dopsch hat grundsätzlich hervorgehoben, daß die Bestimmungen
der Immunitätsprivilegien nur eine schon in Anspruch genommene Seite der Im-
munität stärker hervorkehrerßA Die Immunität der Laienaristokratie habe sich seit
alters her „im Wege tatsächlicher Übung, des Herkommens" entwickelt; eine
förmliche Verleihung sei nur bei jenen Laien nötig gewesen, die nicht zu den poten-
tes gehörten. Da das Modell einer allein vom König abhängigen Gerichtsbarkeit
nicht mehr als Ausgangspunkt der mittelalterlichen Verfassungsgeschichte be-
trachtet wurde, sondern als nie ganz durchgesetzte politische Konzeption fränki-
scher Könige, erschien der Adel von Anfang an als Inhaber eigenständiger Ge-
richtsbarkeit^. Königliche Immunitätsverleihungen mußten in dieser Perspektive
als ein politisches Instrument erscheinen, das der Integration schon bestehender
adliger Herrschaftsbereiche diente, also vornehmlich manifestierende Wirkung
hattet Reinhard Schneider wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Wi-
derstand gegen das Grafengericht in der Lex Alamannorum und in der Lex Baiu-
variorum einkalkuliert wurdet
Diese Sicht prägt die heutigen Handbücher, doch sind daneben auch alternati-
ve Entwürfe formuliert worden. Wenn man von der großen Bedeutung spätantiker
Kontinuitäten ausgeht, liegt die Annahme nahe, daß auch in merowingischer Zeit
eine funktionierende Verwaltung existierte, die durchaus in der Lage war, Immu-
nitätsverleihungen in größerer Zahl auszufertigeiWL Folgerichtig geht ein Teil der
neueren Forschung davon aus, daß ImmunitätsVerleihungen nicht Ausnahmefälle
waren, sondern daß der Quellenschwund außerordentlich groß waHA
In einem neuen Anlauf hat Margarete Weidemann, ohne explizit an die ältere
Sicht anzuknüpfen, ohne sich dabei allerdings wesentlich von ihr zu unterschie-
den, die Ansicht vertreten, daß der König durch Immunitätsverleihungen, die
erblich wurden, einen Adel überhaupt erst geschaffen habüA Ihre systematische
Auswertung der Bücher Gregors von Tours baute sie zu einem Zwei-Klassen-

298 Vgl. A. DOPSCH, Wirtschaftsentwicklung, Bd. 1, S. 438H44; DERS., Herrschaft, S. 5f..
299 Vgl. dazu heute H. DRÜPPEL, Gericht, Gerichtsbarkeit, in: LexMA 4, 1989, Sp. 1323.
300 Vgl. dazu i.ü. bereits BRUNNER/SCHWERIN, Rechtsgeschichte, S. 400, allerdings erst für die Karolin-
gerzeit: Für das achte Jahrhundert sei die Immunität in Sachen der Gerichtsbarkeit nur der Rahmen
gewesen, durch den die bestehenden Privatgerichte der fränkischen Reichsverfassung eingegliedert
und deren Verhältnis zu den öffentlichen Beamten geregelt wurde. Zur Vorstellung von „germani-
schen Immunitäten", die vom Staat erfaßt worden seien, vgl. etwa MITTEIS, Staat, S. 51. Vgl. heute C.
SCHOTT/ H. RÖMER, Immunität, in: LexMA 5, 1991, Sp. 391; D. WlLLOWElT, in: HRG 2,1978, Sp. 318.
301 Vgl. R. SCHNEIDER, Frankenreich, S. 49.
302 HOLZFURTNER, Grafschaft, S. 52 Anm. 102, geht mit dem Verweis auf die Formulae Marculfi davon
aus, daß Immunitätsverleihungen an Laien in der Merowingerzeit „weitaus häufiger waren, als es
die vorhandenen Zeugnisse erwarten lassen".
303 Vgl. nur VEZIN, Schrifttum, S. 554. Nach Vezin sind nur sehr wenige Schriftstücke zu Verwaltungs-
zwecken erhalten, doch hätten enorm viele existiert. Vgl. ähnlich K.F. WERNER, Ursprünge, S. 382:
„Es gab Hunderttausende von Schriftstücken... Von diesen Aktenmassen blieben aber kaum mehr
als etwa einhundert Originale erhalten."
304 Vgl. WEIDEMANN, Adel.
 
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