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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0158

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154

Kapitel 2

Modell der fränkischen Gesellschaft aus^. Man könne zunächst Unfreie und Freie
trennen; die Freien unterschied Weidemann in Unter-, Mittel- und Oberschicht
(oder Adel). Im 6. Jahrhundert sei in den erzählenden Quellen vereinzelt von Per-
sonen und Familien die Rede, die für sich Rechte in Anspruch nahmen, die den
von Geburt Freien nach den Gesetzen der Zeit nicht zukamen. Diese Oberschicht
sei, ähnlich wie die Senatsaristokratie, durch die Steuerfreiheit und den Gerichts-
stand vor dem König gekennzeichnet. Geschaffen wurde sie durch Immunitäts-
privilegien des Königs, die sie aus der allgemeinen Gerichtsbarkeit und der Ge-
setzgebung herausgenommen hätten. Seit dem 7. Jahrhundert seien diese Privile-
gien erblich geworden. Man könne also von einem vom König geschaffenen Adel
sprechen, für den es allerdings keine einheitliche Bezeichnung gegeben habe.
Feststellen könne man weiterhin eine Oberschicht alten Typs, die in den Volks-
rechten der Burgunder, Alamannen und Bayern faßbar werde, dann aber ver-
schwand. Daneben sei eine neue Oberschicht entstanden, deren Angehörige aus
dem Umkreis der Könige als Beamtenfamilien aufgestiegen und durch fränkisches
Beamten- und Antrustionenwergeid ausgezeichnet worden seien, aber (wie etwa
die Agilolfinger) den Volksrechten unterworfen blieben.
Nach Weidemann existierte damit auch in der Merowingerzeit ein rechtlich fi-
xierter, durch Immunitätsprivilegien geschaffener, vererblicher Status, der die
Angehörigen einer „Adelsschicht" kennzeichnete. Von einem abgeschlossenen
Stand wollte aber auch sie nicht sprechen^.
Diese Sicht ist allerdings zumeist auf Ablehnung gestoßen, da sie mit der
Adelsherrschaftstheorie nicht vereinbart werden konnte und auf der weithin auf-
gegebenen strikten Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht
beruhte. Daß Steuerfreiheit ein politisch erkämpfter Status gewesen sei, der nicht
auf Geburt oder auf eine förmliche Verleihung beruhte, hatte schon Goffart be-
tont^. Kaiser meinte, das Kriterium der Königsgerichtsklientel sei nichts anderes
als die Königsnähe, die alle zentralen und höheren Amtsträger zu Adligen (im
Sinne eines Dienstadels) gemacht habe^h Abgelehnt wurde Weidemanns Sicht
auch von Reinhold Kaiser und Fteiko Steuer^.

305 Vgl. WEIDEMANN, Kulturgeschichte.
306 Vgl. WEIDEMANN, Adel, S. 116.
307 Vgl. GOFFART, Taxation.
308 Vgl. KAISER, Erbe, S. 98.
309 Vgl. KAISER, Franken, S. 51.
 
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