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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0160

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156

Kapitel 2

konnte, gilt seither als überholUh Im Zuge der neueren Einschätzung spätantiker
Kontinuitäten wurde auch die Vorstellung, unter dem Begriff cohsneiMdo sei das
gute alte germanische Recht verstanden worden, durch die Vorstellung ersetzt, es
habe sich dabei um das spätantike Gewohnheitsrecht gehandelte
Zusammenfassend stellt Rückert fest, daß das Recht tatsächlich nicht gut und
alt war, daß man aber im Hoch- und im Spätmittelalter diese Idee vom Recht hat-
te, wenngleich auch unter Rückgriff auf die antiken Herrscher Recht stärker als
zuvor bewußt gesetzt worden seWb Die Untersuchungen sowohl von Köhler als
auch von Weitzel legen die Annahme nahe, daß die Bedeutung des Gewohnheits-
rechts nicht zu unterschätzen ist: Es mußte allerdings nicht notwendigerweise alt
sein. Dieses Ergebnis läßt tatsächlich Zweifel an der Annahme zu, daß die Auf-
zeichnungen der Lex Salica ohne weiteres als Niederschlag sozialer Wirklichkeit
gewertet werden müssen.
Um demnach mit dem Problem des fehlenden Adels in der Lex fertig zu wer-
den, wurden im Rahmen der Adelsherrschaftstheorie diverse Lösungsversuche
entworfen. Die zum Teil als „archaisch" bezeichneten Verhältnisse, die insbeson-
dere die ältere Forschung aus der Lex herausgelesen hat, führten - vorausgesetzt,
man wollte dennoch an der Existenz eines Adels festhalten - zur Ansicht, daß in
der Lex Salica ein Zustand der Gesellschaft geschildert werde, der nicht mehr mit
den Verhältnissen zur Zeit der merowingischen Reichsgründung identisch war.
Dies hat z.B. Erich Zöllner in seiner zusammenfassenden Darstellung über die
Franken behauptete und Bernhard Jussen^ oder Dieter Hägermann^ sind ihm
darin in jüngerer Zeit gefolgt. Im Hintergrund dieser Sicht stehen zwei Grundan-
nahmen, die nicht unbedingt mit der Adelsherrschaftstheorie vereinbar waren:
Zum einen wird in dieser Sicht nach wie vor ein „Ausgangszustand" impliziert, in
dem die Sozialordnung von weitgehend gleichberechtigten Freien geprägt war -
lediglich der Zeitpunkt der Entstehung des Adels wird etwas früher angesetzt -,
zum anderen beruht diese Einschätzung auf der Meinung, daß schriftlich fixiertes
Recht prinzipiell „konservativer" ist als die tatsächlichen Verhältnisse und immer
wieder „nachgebessert" werden muße Im Hinblick auf das volkssprachige Wort-
gut hat Olberg ganz allgemein einen sprachlichen Konservativismus festgestellte
Kompatibel ist diese Einschätzung mit der Vorstellung von Jürgen Weitzel, daß es
sich bei der Lex Salica tatsächlich um Volksrecht gehandelt habe, nicht um ein

319 Vgl. dazu die Forschungsüberblicke von KRIEGER, König, S. 71ff.; LlEBRECHT, Recht.
320 Vgl. KÖBLER, Consuetudo.
321 Vgl. RÜCKERT, Rechtswerte.
322 Vgl. ZÖLLNER, Franken, S. 113f.
323 Vgl. JUSSEN, Patenschaft, S. 57.
324 Vgl. HÄGERMANN, Grundlagen, S. 344f.
325 Vgl. GRAHN-HOEK, Oberschicht, S. 20; STEINBACH, Ständeprobleme.
326 Vgl. OLBERG, Freie, S. 95ff., passim.
 
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