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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0213

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Die Karolingerzeit

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nicht gegeben^". In Übereinstimmung mit Reuter verweist Nelson darauf, daß die
Bestimmungen vielleicht nur für die Landesverteidigung gedacht waren und da-
mit auf Bestimmungen der römischen Antike zurückgeführt werden können. Von
einem Bedeutungsverlust der Freien im militärischen Aufgebot konnte in dieser
Perspektive keine Rede sein: „War-lords and war-bands were always the essence
of Carolingian armies'^A Regine Le Jan vertritt die Auffassung, Karl der Große
habe mit seiner Politik das Ziel verfolgt, die bislang üblichen Gefolgschaften der
Großen unter seine direkte Kontrolle zu bekommen^.
Wiederum ergibt sich ein anderes Bild, wenn man die Kontinuität spätantiker
Verhältnisse in den Vordergrund rückt. Bernard S. Bachrach zeichnet für die Me-
rowingerzeit das Bild einer sehr entwickelten und professionalisierten Kampf-
technik und -taktik auf der Grundlage römischer Tradition; so hätten etwa Belage-
rungen eine große Rolle gespielt. Die Heere seien groß und gefolgschaftlich aufge-
baut gewesen; nach der Angliederung von Burgund hätten die Könige auch über
eine stehende Armee verfügt. Das allgemeine Aufgebot der Freien der Urzeit be-
trachtete Bachrach als einen Mythos; ein solches Aufgebot habe es erst in der Ge-
neration der Enkel Chlodwigs gegeben^. Seine Rolle sei in der Zeit der frühen
Karolinger gering gewesen, da es nur der lokalen Verteidigung gedient habe. Die
karolingische Wehrverfassung sah Bachrach als direkte Fortsetzung der merowin-
gischen Verhältnisse an^; von einer wehrtechnischen Revolution könne daher
keine Rede seüüA
Konsens herrscht in der Forschung darüber, daß man auf lange Sicht von einer
Feudalisierung der Reichsverfassung sprechen kann, da das Lehnswesen auch auf
die hohen Ämter ausgedehnt worden sei. Die Frage, wie das Vordringen lehn-
rechtlicher Formen auf das Ämterwesen konkret beschrieben werden kann, ist
allerdings im Grunde bis heute offenes Dies liegt nicht zuletzt daran, daß die
Ausgangssituation nicht klar zu bestimmen ist. Wie bereits erwähnt, ist sich die
Forschung nicht einig, ob die Grafen Vasallen waren oder nicht. Zum anderen ist
auch der Prozeß der Neuinterpretation eines Rechtsverhältnisses in den Quellen
naturgemäß schwer zu verfolgen, da man zwischen einem Wandel der Terminolo-
gie und einer Veränderung der Sache unterscheiden kann. Nicht eindeutig zu
bestimmen ist also der Zeitpunkt, ab dem Grafschaften als Lehen betrachtet wor-
den sind, und auch über den Verlauf des Prozesses gibt es unterschiedliche Auf-
fassungen. Nach klassischer Sicht wurden den Grafen „wohl regelmäßig Nutzun-
gen von königlichen Gütern zugewiesen, die sich innerhalb der Grafschaft befan-

160 Vgl. BECHER, Karl der Große, S. 101.
161 NELSON, Carolingian Violence, S. 95.
162 Vgl. LEjAN-HENNEBtCQUE, Satellites, S. 103f.
163 Vgl. BACHRACH, Organization, zusammeniassend S. 124; DERS., Historiography, S. 208t.
164 Vgl. BACHRACH, Wartare, zusammenfassend S. 243-246.
165 Vgl. BACHRACH, Charles Martell.
166 Vgl. nur R. SCHNEIDER, Frankenreich, S. 123f.
 
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