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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0357

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8. Erziehung und Bildung

8.1. Das AdelsleitbilcP
Die Quellen für das Adelsleitbild der Merowingerzeit sind zunächst einmal die
Bischofsviten. Daß sie zumindest für die Senatorenaristokratie das Weiterwirken
spätantiker Vorstellungen zeigen, ist unbestritten. Außergewöhnlich ist der Bericht
des Sidonius Apollinaris (gest. 479/486), der Bildung als das z'rzdz'czMZtz zzoMz'Dtz's
bezeichnete und die Eigenschaft, adlig zu sein, nicht zuletzt durch die Tradition
antiken Bildungsgutes definierte. Allerdings wird Sidonius gewöhnlich als einer
der „letzten Vertreter spätantiker christlicher Bildung" bezeichnet^. Für die Karo-
lingerzeit ist das Manuale Dhuodas eine geradezu einzigartige Quelle. Dhuoda,
Gemahlin des Bernhard von Barcelona/Septimanien, verfaßte während der Jahre
841-843 eine Art Familienhandbuch für ihren ältesten Sohn Wilhelm^. Hinzu
kommen die ersten Spiegel. Bereits das Problem der Bezeichnung dieser Quellen
verweist auf die Schwierigkeiten des Kontexts: Der Begriff „Fürstenspiegel" ist
nicht unumstritten, da die Frage, welcher Aspekt beim Adressaten im Vorder-
grund stand, Gegenstand von Kontroversen ist. Eberhardt spricht von Mahnschrif-
ten, bemerkt aber, daß sie in karolingischer Zeit nur für Amtsträger geschrieben
worden seienb Anton unterscheidet zwischen Königs-, Faien-/Adelsspiegel und
Fürstenspiegel. Fürstenspiegel habe es zunächst nur für die Könige gegeben; Fai-
enspiegel seien für Träger von weltlichen Ämtern verfaßt worden und hätten in
der Karolingerzeit den Charakter von Mahntraktaten gehabt. Erst für das 13. Jahr-
hundert könne man von Fürstenspiegeln im engeren Sinn sprechend Die Frage,
welchen Aspekt man in den Vordergrund stellt, hat also Auswirkungen auf die
Begriffsbildung; die Antwort hängt nicht zuletzt davon ab, wie man sich „Staat-
lichkeit" in karolingischer Zeit vorstellt.
Strittig sind jedenfalls kaum die Eigenschaften, die gefordert oder als typisch
adlig beschrieben werden, sondern vielmehr deren geistesgeschichtliche Herkunft.
In klassischer Sicht werden, analog zum älteren Gesamtbild der mittelalterlichen
Geschichte, die germanischen Wurzeln adliger Wertvorstellungen hervorgehoben.
Diese Perspektive prägt etwa noch den Überblick von Faetitia Boehmk Bodmer hat

1 Zur Sache vgl. v.a. OEXLE, Aspekte; SCHREINER, Untersuchungen, S. 92ff.
2 E. GRÜNBECK, Sidonius Appollinaris, in: LexMA 7,1995, S. 1834.
3 Dhuoda, Manuel pour mon fils, hrsg. v. P. RiCHE, Paris 1975.
4 Vgl. EBERHARDT, Via regia, S. 3031., 311ff.
5 Vgl. ANTON, Fürstenspiegel.
6 Vgl. BOEHM, Das mittelalterliche Erziehungs- und Bildungswesen.
 
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