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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0468

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464

Kapitel 11

sentativverfassungen betrachtet. Damit war aber auch ein Problem verbunden:
Das Zufällige, Instabile solcher Phänomene geriet aus dem Blick; die Sonderfälle
(deren Bedeutung den Zeitgenossen nicht einmal klar sein mußte) erschienen eher
als Normalfall. Jedenfalls war in dieser Perspektive der „Dualismus" des Stände-
staates ein Prinzip, das schon seit den Anfängen des Landes existierte. Die Diskon-
tinuitäten traten in den Hintergrund.
Zweifellos liegt hier eine Folge der Betrachtungsweise vor: Wenn man Mithan-
deln, Zustimmung oder Erwähnungen in Zeugenlisten von Urkunden als Vorform
ständischen Handelns wertet, dann wird man die Anfänge der ständischen Bewe-
gung tatsächlich schon früh ansetzen. Die Forschung hätte sich dann allerdings
dem Problem stellen müssen, daß diese Phänomene - natürlich - schon im Früh-
mittelalter zu finden sind.
Auch in Otto Brunners Ansatz spielte das Landrecht zwangsläufig eine weitaus
wichtigere Rolle als das Lehnrecht. Brunners Interesse galt der Entwicklung vom
Miteinanderhandeln auf der Basis der Zugehörigkeit des Landes im Landtaiding
des 12. und 13. Jahrhunderts zur Ausbildung des Dualismus zwischen Landesherr
und Landschaft im 15. Jahrhundert. Der berühmte Satz, daß die Stände das Land
„gewesen sind", beruht auf Brunners ModellA
Wie bereits erwähnt berief sich die deutsche Forschung der folgenden Zeit
zwar häufig auf Brunner, folgte ihm aber in den wesentlichen Argumentationsli-
nien gerade nicht. In nahezu allen Einzeluntersuchungen wurde die Mitwirkung
der Stände aus lehnrechtlichen Bindungen erklärt und nicht durch die Annahme,
daß die Zugehörigkeit zum Land Mitspracherechte begründe. Dezidiert gegen
Brunner gewandt meinte Schubert in jüngerer Zeit, daß die Stände nicht das Land
gewesen sindA
Neuere Arbeiten gehen jedenfalls nicht mehr davon aus, daß das Lehnrecht an
Bedeutung verloren habe. Das Lehnswesen habe sich durch Verdinglichung und
Vordringen genossenschaftlicher Elemente zwar gewandelt, als Integrationsmittel
aber weiterhin eine wichtige Rolle gespielt. Bernhard Diestelkamp zeigte die Rolle
des Lehnswesens für die Konstituierung des Adels als Landstand und für die Ein-
bindung der Adligen in die LandesherrschaftA weitere Studien von Gerhard
Theuerkauf für das Hochstift Münster, von Karl-Heinz Spieß für die rheinische
Pfalzgrafschaft, von Reinhard Tiesbrummel für die Landgrafschaft Hessen, von
Folker Reichert für Österreich und von Wolf-Rüdiger Berns über Kurtrier kamen

74 Vgl. O. BRUNNER, Land, S. 432.
75 E. SCHUBERT, Herrschaft, S. 97.
76 Vgl. DIESTELKAMP, Lehnrecht und Territorien; DERS., Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen;
DERS., Lehnrecht und Lehnspolitik.
 
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