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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0469

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Das Spätmittelalter - Die Ausprägung sozialer und politischer Stände

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zu demselben Ergebnis??. Die Bedeutung des Lehnrechts für die Herrschaftsbil-
dung der Wettiner hat Joachim Schneider hervorgehoben?k
Die Schwierigkeiten der Einschätzung des Eehnrechts sind nicht zuletzt ein De-
finitionsproblem. So meint etwa Wilhelm Janssen - hier ganz im Einklang mit der
älteren Forschung man müsse davon ausgehen, daß es sich beim spätmittelalter-
lichen Lehnrecht nur um eine tradierte rechtliche Form gehandelt habe, die mit der
Feudalität „stricto sensu" nichts mehr zu tun hatte?^. Diese Argumentation beruht,
ähnlich wie etwa Derschkas Ansicht über die Bedeutung von Dienstbeziehungen
im späteren Mittelalter, auf einer engeren Definition^.
Immerhin zeigen allein schon die Bemühungen, in Form von Lehnbüchern die
lehnrechtlichen Beziehungen schriftlich zu fixieren^, daß diese für die Zeitgenos-
sen eine Rolle spielten. Allerdings kann man das Lehnswesen wohl nicht als das
zentrale Moment für die Etablierung der Landesherrschaft betrachten. Christoph
Kutter kam nach einer Untersuchung der Lehnbücher der Herzoge von Oberbay-
ern-München zu dem Ergebnis, daß es hier weniger wichtig gewesen seW. Das
Lehnswesen konnte, mußte jedoch nicht zwangsläufig zu einer Stabilisierung der
Landesherrschaft eingesetzt werden^.
Im allgemeinen neigt die Forschung heute allerdings dazu, die Entstehung des
adligen „ständischen Gegenübers" vor allem aus der althergebrachten lehnrechtli-
chen Pflicht zu Rat und Hilfe zu erklären. Der Besuch der Hoftage und das adlige
Widerstandsrecht hätten schon seit jeher politische Mitwirkungsrechte begründet,
die jetzt, v.a. im Hinblick auf Steuerangelegenheiten, in neue Formen gegossen
wurden.
Dies hat eine nicht unwichtige Folge: Im Unterschied zur älteren Forschung
neigt man heute eher dazu, weitgehende zeitliche Kontinuitäten, die nicht zuletzt
Ausdruck einer ex-post-Perspektive sind, mit Vorsicht zu betrachten; jedenfalls
erscheinen die „Fürstengesetze" Friedrichs II. in dieser Perspektive keineswegs als
entscheidende Zäsur, zumal man im Hinblick auf die Frage nach der praktischen
Relevanz königlicher „Gesetzgebung" im Hochmittelalter ohnehin vorsichtig ge-
worden ist. Diese Neueinschätzung hat sogar Folgen für die Interpretation von
Quellenbegriffen. Der Terminus dombü terrae wird nicht mehr mit „Landherren"
übersetzt, sondern mit „Herren im Land", worunter die Grafen und Adligen ver-
77 Vgl. THEUERKAUF, Land; K.-H. SPIESS, Lehnsrecht; TlESBRUMMEL, Lehnrecht; F. REICHERT, Landes-
herrschaft, S. 382f.; BERNS, Burgenpolitik. Vgl. allgemein auch E. SCHUBERT, Herrschaft, S. 71f.; K.-H.
SPIESS, Reichsministerialität, bes. S. 77.
78 Vgl. J. SCHNEIDER, Ehrbarmannen, S. 186; DERS., Niederadel, S. 133-177. Zum Problem vgl. auch
SCHIRMER, Untersuchungen, S. 305-343.
79 Vgl. W. JANSSEN, Territorialstaat, S. 422.
80 Vgl. DERSCHKA, Ministerialen, S. 446.
81 Vgl. W. LlPPERT, Lehnbücher; GEREICH, Landeskunde, S. 316-321; FENSKE/SCHWARZ, Lehnsverzeich-
nis; MÖTSCH/WlTTER, Lehnsbücher.
82 Vgl. KUTTER, Herzoge, S. 441f., 511.
83 Vgl. E. SCHUBERT, Herrschaft, S. 71 f.
 
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