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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0489

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Das Spätmittelalter - Die Ausprägung sozialer und politischer Stände

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sich dabei um einen „Ortsadel" gehandelt haben könnte, der wohl in bescheidenen
Verhältnissen auf Einzelhöfen lebte. Vielleicht habe es sich bei diesem Adel um
ursprünglich bäuerliche Freie gehandelt^. In dieser Perspektive erscheint das
Adelssterben gewissermaßen als Fortsetzung des Verschwindens der Freien aus
den Quellen, und dies wirft erneut Fragen auf, die nur schwer zu beantworten
sind. Holzfurter hat die These kritisiert, daß der Schwund der Freien in der Bevöl-
kerung gewöhnlich als ein Phänomen des 12. Jahrhunderts betrachtet wird. Ange-
sichts der Auflösung der Grafschaftsverfassung seit der Jahrtausend wende müsse
man eher davon ausgehen, daß der Niedergang der Freien, jener sozialen Schicht,
die „das Gefüge der Grafschaft trug", schon weit früher eingesetzt habe^k Deut-
lich wird an dieser Argumentation nicht zuletzt, welch weitreichende Modelle
sozialer Entwicklung den Ausgangspunkt regionaler Untersuchungen bilden;
anhand von Quellenanalysen lassen sich solche Überlegungen nur mit großer
Mühe nachvollziehen. Daß das Problem natürlich auch mit der Frage des Eintritts
der Freien bzw. der Adligen in die Ministerialität zusammenhängt, liegt auf der
Hand; daß es dazu verschiedene Antworten gibt, wurde bereits erwähnt. Ein all-
gemein konsensfähiges Modell ist jedenfalls noch nicht einmal in Ansätzen er-
kennbar.
Generell geht die Forschung aber ohne nähere Erörterung des gesellschaftli-
chen Hintergrunds davon aus, daß seit dem hohen Mittelalter zahlreiche Hoch-
adelsfamilien ausstarben oder sozial abstiegen. Gründe für dieses Phänomen hat
zuerst Aloys Schulte genannt, dem es im Rahmen seines Versuchs, den überwälti-
genden Einfluß des Adels in der mittelalterlichen Kirche nachzuweisen, natürlich
besonders auffallen mußtet Der Eintritt in den geistlichen Stand, die Gefahren
des Kriegshandwerks, nicht zuletzt die Teilnahme an Kreuzzügen und Fehden,
Mißheiraten, Eintritt in Ministerialität oder schlicht Verarmung galten im
Anschluß an Schulte zahlreichen Autoren als Ursachen für das Verschwinden
adliger Familien^.
Selbst wenn diese Argumentationen keineswegs von der Hand zu weisen sind,
treffen sie vielleicht nicht den Kern des Problems. Le Goff nannte, in Anknüpfung
an das Modell von Marc Bloch, den Abschluß des Adels als Stand als Ursache für
das Adelssterben^. Den Hintergrund des Phänomens bildet vielleicht der Struk-
turwandel der adligen Familie. Peter Moraw vermutete einen „Schwund von Na-
men, nicht unbedingt von Personen und Familien", obwohl „eine gewisse
Verringerung der Anzahl von Familien" anzunehmen seP°°. Roger Sablonier
195 Vgl. STÜRMER, Adelsgesellschaft, S. 89.
196 Vgl. HOLZFURTNER, Grafschaft, S. 312-329;
197 Vgl. SCHULTE, Adel, S. 235-297.
198 Vgl. nur SPtNOLER, Landesfürstentum, S. 12; STÜRMER, Früher Adel, S. 83-88; H. DOPSCH, Adel, S. 28,
DERS., Probleme, 222; R. MEIER, Goslar, S. 49ff.
199 Vgl. LE GOFF, Hochmittelalter, S. 211.
200 MORAW, Verfassung, S. 78.
 
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