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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0490

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486

Kapitel 11

verwies auf die methodischen Schwierigkeiten: Der Adelsschwund könnte im
Hochmittelalter vielleicht sogar noch größer gewesen seimW Wenn man die Ver-
änderung der Familienstruktur in Rechnung stellt, dann wird man tatsächlich den
Konzentrationsprozeß sowohl im Familienbewußtsein als auch beim Familienbe-
sitz berücksichtigen müssen. Erst die Entstehung von agnatisch definierten Ge-
schlechtern läßt überhaupt die Möglichkeit eines Aussterbens durch das Fehlen
männlicher Erben zu.
Weiterführend für die Praxis des Problems ist die umfassende Arbeit von Karl-
Heinz Spieß. Spieß beschäftigte sich mit den sozialen Verhaltensnormen des nicht-
fürstlichen Adels bei 15 Grafen- und Herrengeschlechtern und zeigte die Grat-
wanderung zwischen Besitzzersplitterung und Aussterben auf. Dieses Spannungs-
feld erforderte den Entwurf von Gegenstrategien, die vor allem in einer durch-
dachten Heiratsplanung bestanden. Ähnliches hat Freed für die Grafen von Fal-
kenstein festgestellDK
Daran anschließend wird man darauf verweisen können, daß nach den For-
schungen von Rolf Sprandel, John B. Freed oder Markus Bittmann die Ministeria-
len bzw. die Niederadelsfamilien vor ähnlichen Bedrohungen standen und ähnli-
che Strategien entwickelten, allerdings aufgrund ihrer erheblich größeren Zahl als
Schicht nicht vom Aussterben bedroht waren^. Zudem werfen neuere Arbeiten,
die die Vermutung nahelegen, daß auch im Spätmittelalter die Familienstruktur
vielleicht nicht grundsätzlich auf der Vater-Sohn-Folge basierte, die Frage auf,
inwieweit das Ende des Mannesstammes im niederen Adel überhaupt als ein exi-
stenzbedrohendes Phänomen gesehen worden ist.
Wichtig für das Überleben hochadliger Familien waren zweifellos auch die po-
litischen Rahmenbedingungen, vor allem natürlich das Verhältnis zur Landesherr-
schaft. In der Praxis sind zahlreiche Konstellationen festzustellen. Die klassische
Annahme, die adligen Familien seien durch die aufsteigende Landesherrschaft
einerseits und durch die Festigung bäuerlicher und bürgerlicher Verbände ande-
rerseits in eine existenzbedrohende Situation geraten^, kann durch zahlreiche
Einzelschicksale adliger Familien belegt werden. So hat etwa Regina Schäfer am
Beispiel der Herren von Eppstein gezeigt, wie eine Hochadelsfamilie durch Ver-
schuldung zwischen Rittern und Landesherrschaft zerrieben zu werden drohte

201 Vgl. SABLONIER, Zur wirtschaftlichen Situation, S. lOf. Zu den Problemen vgl. DERS., Adel im Wan-
del, S. 78-82, 87-92.
202 Vgl. FREED, Counts, S. 63-67.
203 Vgl. FREED, Dietmut, S. 647, 650-655; DERS., Bondsmen, S. 89-145; DERS., Origins, S. 237; SPRANDEL,
Ritterschaft, S. 117-138; BiTTMANN, Kreditwirtschaft, S. 228-251; vgl. ferner RÖSENER, Bauern, S. 685;
DERS., Wirtschaftsverhältnisse, S. 324; KLEIN, Ritterlehen, S. 355f.; MORSEL, Geschlecht. K. ANDER-
MANN, Zwischen adliger Herrschaft, S. 195, zeigt solche Strategien am Beispiel eines niederadligen
Geschlechts, meint jedoch, daß diese im niederen Adel eher selten verwendet worden seien. Zum
Problem vgl. jetzt auch J. SCHNEIDER, Niederadel, bes. S. 440f.
204 Vgl. nur SABLONIER, Dorf, S. 742ff.; RÖSENER, Grundherrschaften des Hochadels, bes. S. 171.
 
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