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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0532

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528

Kapitel 11

versität als ein System eigener Art betrachtet wird, das sich gegenüber der Sy-
stemumwelt, der Gesellschaft, im wesentlichen erfolgreich behauptet habe^L
Generell setzte sich jedoch, aus unterschiedlichen Gründen, weitgehend die
Auffassung durch, daß man Universitäten schwerlich von der sozialen Umwelt
trennen könne. Während sich Classen noch kaum mit der Rolle des Adels beschäf-
tigt hatte, hob schon Johannes Fried in seiner Untersuchung der Entstehung des
Juristenstandes auch die Wirkungen des gelehrten Unterrichts auf die soziale und
politische Realität des 12. Jahrhunderts hervor. Die zunehmende Einsicht in die
Brauchbarkeit des Römischen Rechts habe dazu geführt, daß sich auch die Söhne
der noMds und der pmcgres in den Städten dem Studium zuwandten. Das Rechts-
studium näherte auf diese Weise Bürgerliche und Adlige an und schuf so die Vor-
aussetzung und die soziale Grundlage für die Entstehung eines neuen Standes^.
Die Zeymn tfocDrgs in Bologna gewannen hohes gesellschaftliches Ansehen; der
Titel dornzüzrs zeigte die Gleichsetzung mit dem Adel.
Peter Moraw warnte allerdings davor, in Universitäten den großen „Aufstiegs-
kanal für Arme und Tüchtige" zu sehen. Das Auseinandertreten von guter Geburt
und Besitz sei in Deutschland nicht vor dem späten 14. Jahrhundert festzustellen.
Erst im 15. Jahrhundert hätten auch ärmere Studierende in größerer Zahl ihren
Abschluß gemacht, wenngleich noch immer in den weniger angesehenen Fakultä-
ten. In Deutschland sei auch unter Juristen der soziale Aufstieg weit seltener anzu-
treffen, als man früher geglaubt habe^. Im Anschluß daran hat Rainer Christoph
Schwinges in zahlreichen Arbeiten den Einfluß der sozialen Flerkunft auf die Stel-
lung in der Universität zu zeigen versucht und die Vorstellung, ein Studium habe
im Normalfall umfassende soziale Aufstiegsmöglichkeiten eröffnet, weiter relati-
viert^. Adlige Privilegien gab es demnach auch an der Universität. Schwinges
verband dies mit grundsätzlichen Überlegungen: Es gebe keine Gruppierung, die
nicht über kurz oder lang in gleicher Weise strukturiert sei wie die gesellschaftli-
che Umgebung auch. Das Universitätsleben sei vielfach nach den gleichen sozialen
Regeln abgelaufen, die außerhalb der Flochschule galten. Die akademischen Quali-
fikationen seien auch im Spätmittelalter zumeist weniger bedeutend gewesen;
wichtig für die Karriere und für den sozialen Aufstieg waren nach Schwinges
Netzwerke und Patronage. Hier liege der eigentliche Wert des Studiums für Stu-
denten geringerer Herkunft. An der Universität hätten jene sozialen Beziehungen
geknüpft werden können, die Adlige allein schon durch ihre Geburt hatten.
Die Untersuchungen einzelner Universitäten zeigten im wesentlichen, daß der
Anteil der adligen Studenten nicht überproportional groß war. Dies gilt sogar für

451 Vgl. dazu ausführlich ßORGOLTE, S. 374-384.
452 Vgl. FRIED, Entstehung, S. 161ff.
453 Vgl. MORAW, Universitätssystem, 19-22; MORAW, Lebensweg, S. 225-254.
454 Vgl. zusammenfassend SCHWINGES, Student, S. 187-193; vgl. auchDERS., in: Konstanzer Arbeitskreis,
Protokoll Nr. 367, S. 50.
 
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