116
Kapitel 2
akzeptiert worden isW, liegt ebenso auf der Hand wie die schlichte Tatsache, daß
über die Gültigkeit der Interpretation nicht anhand einer wie auch immer gearte-
ten Textanalyse entschieden werden kann, sondern nur mit dem Verweis auf das
postulierte Bild der fränkischen Herrschafts- und Sozialstruktur. Johannes Fried
spricht heute wieder einfach von einem „freien Franken"^.
Karl Ferdinand Werner hat im Rahmen seiner Kontinuitätstheorie eine andere
Gesamteinschätzung entworfen. Auch im Hinblick auf die Adelsfrage seien die
germanischen Kontinuitäten unbedeutend. Einzig maßgeblich seien, nicht nur
inhaltlich, sondern auch im Hinblick auf die Bevölkerungszahlen, die spätantiken
Traditionen, die dem Frankenreich durch die Senatorenaristokratie vermittelt
wurden. Demgemäß setzte Werner das Verschmelzen von germanischen und ro-
manischen Großen zu einer einheitlichen Aristokratie zeitlich sehr viel eher an als
Irsigler oder Grahn-Hoek.
Anknüpfen konnte er dabei an die Untersuchungen zur römischen Spätanti-
keA Die noMz'Us war seit dem 3. und 4. Jahrhundert von den römischen Kaisern
geschaffen worden, wobei Teile der älteren zzoMz'Us integriert worden waren. Sie
rekrutierte sich aus den Inhabern eines hohen Amtes (Tenor); seit dem späten 4.
Jahrhundert gehörten nur noch Amtsträger zur rzoMzUs. Erblich war bei der Se-
natsaristokratie der Rang, die tü'yrzz'üzs, der zur Ämterlaufbahn berechtigte, nicht
die Funktion oder das Amt, der /zozzor. Nach Werner bestand das System der erbli-
chen Rangklassen hoher Amtsträger auch in den Nachfolgereichen der römischen
Welt fort. Der fränkische König habe als vom Kaiser ernannter pn'ncops demnach
einen erblichen „Amts-"Adel übernommen und dann auch selbst geschaffen, der
als Mitträger des Staates bezeichnet werden könne. So sei etwa der fränkische
eoztzes stets als Hr z'rzüzsUr bezeichnet worden. Die ältere Forschung war noch ohne
weiteres davon ausgegangen, daß die fränkischen Hofämter auf die germanischen
Hausämter zurückgeführt werden können; diese These hatte in ihrer klassischen
Form bereits Georg Waitz vertreten^. Werner hob dagegen die römischen Vorbil-
der hervorA Die rasche Verschmelzung von gallorömischer und germanischer
Aristokratie sei nicht allein ein Ergebnis des Konnubiums gewesen, sondern auch
Resultat eines „plan strictement institutionnel dans une continuite parfaite d une
hierarchie maintenant romano-germanique sous la presidence du princeps/roi'W
Diese Auffassung prägte auch Werners Bild von den Inhalten des Adels. Die
antik-römischen Werte seien übernommen und tradiert worden, man könne auch
von einer Kontinuität der Ideen des Adels seit der Antike sprechen. Demgemäß
59 Vgl. IRSIGLER, Untersuchungen, S. 97f.
60 Vgl. FRJED, Weg, S. 169.
61 Zum Problem vgl. etwa FLOWER, Masks, S. 63.
62 Vgl. WAITZ, Verfassungsgeschichte, Bd. 2,1, S. 69.
63 K.F. WERNER, Amt, in: LexMA, Bd. 1, Sp. 584f.; vgl. auch DERS., Noblesse, S. 290-295.
64 K.F. WERNER, Du nouveau, S. 192.
Kapitel 2
akzeptiert worden isW, liegt ebenso auf der Hand wie die schlichte Tatsache, daß
über die Gültigkeit der Interpretation nicht anhand einer wie auch immer gearte-
ten Textanalyse entschieden werden kann, sondern nur mit dem Verweis auf das
postulierte Bild der fränkischen Herrschafts- und Sozialstruktur. Johannes Fried
spricht heute wieder einfach von einem „freien Franken"^.
Karl Ferdinand Werner hat im Rahmen seiner Kontinuitätstheorie eine andere
Gesamteinschätzung entworfen. Auch im Hinblick auf die Adelsfrage seien die
germanischen Kontinuitäten unbedeutend. Einzig maßgeblich seien, nicht nur
inhaltlich, sondern auch im Hinblick auf die Bevölkerungszahlen, die spätantiken
Traditionen, die dem Frankenreich durch die Senatorenaristokratie vermittelt
wurden. Demgemäß setzte Werner das Verschmelzen von germanischen und ro-
manischen Großen zu einer einheitlichen Aristokratie zeitlich sehr viel eher an als
Irsigler oder Grahn-Hoek.
Anknüpfen konnte er dabei an die Untersuchungen zur römischen Spätanti-
keA Die noMz'Us war seit dem 3. und 4. Jahrhundert von den römischen Kaisern
geschaffen worden, wobei Teile der älteren zzoMz'Us integriert worden waren. Sie
rekrutierte sich aus den Inhabern eines hohen Amtes (Tenor); seit dem späten 4.
Jahrhundert gehörten nur noch Amtsträger zur rzoMzUs. Erblich war bei der Se-
natsaristokratie der Rang, die tü'yrzz'üzs, der zur Ämterlaufbahn berechtigte, nicht
die Funktion oder das Amt, der /zozzor. Nach Werner bestand das System der erbli-
chen Rangklassen hoher Amtsträger auch in den Nachfolgereichen der römischen
Welt fort. Der fränkische König habe als vom Kaiser ernannter pn'ncops demnach
einen erblichen „Amts-"Adel übernommen und dann auch selbst geschaffen, der
als Mitträger des Staates bezeichnet werden könne. So sei etwa der fränkische
eoztzes stets als Hr z'rzüzsUr bezeichnet worden. Die ältere Forschung war noch ohne
weiteres davon ausgegangen, daß die fränkischen Hofämter auf die germanischen
Hausämter zurückgeführt werden können; diese These hatte in ihrer klassischen
Form bereits Georg Waitz vertreten^. Werner hob dagegen die römischen Vorbil-
der hervorA Die rasche Verschmelzung von gallorömischer und germanischer
Aristokratie sei nicht allein ein Ergebnis des Konnubiums gewesen, sondern auch
Resultat eines „plan strictement institutionnel dans une continuite parfaite d une
hierarchie maintenant romano-germanique sous la presidence du princeps/roi'W
Diese Auffassung prägte auch Werners Bild von den Inhalten des Adels. Die
antik-römischen Werte seien übernommen und tradiert worden, man könne auch
von einer Kontinuität der Ideen des Adels seit der Antike sprechen. Demgemäß
59 Vgl. IRSIGLER, Untersuchungen, S. 97f.
60 Vgl. FRJED, Weg, S. 169.
61 Zum Problem vgl. etwa FLOWER, Masks, S. 63.
62 Vgl. WAITZ, Verfassungsgeschichte, Bd. 2,1, S. 69.
63 K.F. WERNER, Amt, in: LexMA, Bd. 1, Sp. 584f.; vgl. auch DERS., Noblesse, S. 290-295.
64 K.F. WERNER, Du nouveau, S. 192.