Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

DOI issue:
Nr. 2
DOI article:
Beiblatt
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0110

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
wie von einer Welle verschlungen. Denn darüber
muss man sich doch klar sein, dass der geschehene
Schritt, die Auflösung der Kolonie bedeutet, der
Kolonie, wie sie bis jetzt bestanden, wie sie sich
in der Ausstellung des letzten Sommers dokumentiert.
Wenn auch drei oder vier Künstler bleiben, wenn auch
an Stelle der ausscheidenden neue, selbst bessere
Kräite treten, so ist das dann eben eine neue
Schöpfung, eine Darmstädter Künstlerkolonie Nr. 2.
Die alte ist tot.

Und wie die neue Kolonie ausfallen wird? Ob
selbst bei besseren Einzelkünstlern ein gedeihliches
Zusammenarbeiten entstehen wird? Wer kann es
wissen? Man -bedenke, mit welchem Idealismus,
mit welcher Hingabe an die Aufgabe die neue
Kolonie an die Arbeit gehen wird, wo sich doch
von den zurückgebliebenen, wie von den etwa neu
berufenen Künstlern Jeder sagen muss: Venit mors
velociter; wie es Deinen Vorgängern ging, kann es
Dir auch gehen. Jedenfalls wird die neue Kolonie
eben 'eine Neugründung sein und deshalb wie jede
Neugründung, wie auch die Gründung der ersten
Kolonie es gewesen, ein Sprung in’s Dunkle. Die
erste Kolonie hatte ihre Feuerprobe bestanden,
ehrenvoll bestanden. Warumlässt man sie sterben? —
_ Uns können die Gründe und Ursachen zu dem
Ereignis ganz gleichgültig sein, wir haben es nur
mit dem Faktum zu thun, ohne Rücksicht darauf
wer für dasselbe verantwortlich zu machen ist. Wenn
wir das Faktum auf's Tiefste beklagen, stellen wir
uns nicht auf einen einseitigen Parteistandpunkt,
sondern glauben gerade umgekehrt damit den einzig
möglichen unparteiischen Ausgangspunkt für die
Beurtheilung der Sachlage gefunden zu haben.

„Ein Drittel Gutes, ein Drittel Schlechtes, ein
Drittel Mittelmässiges“ steht in dem grossen
Koch’schen Werk über das „Dokument deutscher
Kunst“. Das Urtheil ist nicht mild, aber gerecht.
Das gute Drittel aber war sehr gut, denn es war
ein Fortschritt in der Kunst, in der Kultur. Dass

73

Vieles — namentlich vieles Architektonische — ;

Import aus England war, soll nicht geleugnet werden.
Ebenso unbestreitbar ist es, dass die Kolonie man-
ches erntete, was Andere gesäet. Aber es ist immer
so in der Welt und auch gerecht, dass Der, der die
That thut, den Ruhm vor Dem hat, der sie blos
redet. Dass aber die Kolonie, trotz der Neuheit
dessen, was sie schuf, in ihrem Schaffen vielleicht
weniger als sie selbst wusste und wollte, mit der
Tradition gebrochen, dass alle die Ideen, die hier
verwirklicht worden, seit Jahrzehnten schon ge-
schlummert, in der Stille nach und nach sich aus-
gewachsen, das wusste nur Der, der die geistigen
Strömungen der letzten Jahrzehnte aufmerksam und
unbetheiligt verfolgt hatte. Er konnte aber auch die
Ausstellung eben nur als Station auf dem Wege, nicht
als Ziel betrachten und ihm war es eine um so
grössere Freude, zu sehen, wie von der Kolonie

- alle die grossen und wichtigsten Probleme, die sich

um das Thema: „Wie sieht das Miethshaus der Zu-
kunft aus?“ gruppieren, und die dort noch unerörtert
bleiben mussten, angeschnitten wurden. Olbrich
hat soeben ein Miethshaus fertig gestellt. Huber
arbeitet an einer Einrichtung unter der leitenden Idee,

München.

dass sie nicht in einen bestimmten Raum kompo-
niert, sondern überallhin mitzunehmen, überall unter-
zubringen sei. A

Auch Darmstadt verdankt der Kolonie mehr, als
es sich bewusst ist. Der Darmstädter braucht nicht
darauf eitel zu sein, dass seine Vaterstadt einmal
über die hessischen und sogar über die deutschen
Grenzpfähle hinaus genannt worden ist, er braucht
sich nicht vorzurechnen, wie viel Geld der bedeu-
tende Fremdenverkehr in die Stadt getragen; er
braucht sich nur klar zu machen, das die Kolonie
der Stadt in dem Mathildenhöhe-Viertel ein Städte-
bild geschenkt hat, wie es wenige Städte haben.
Die Auffassung, dass Jeder, der sich ein Haus baut,
damit der Stadt den Anblick der vier Aussenwände
schenkt, ist ja nur deshalb so ungewohnt, weil das
Geschenk meist sehr odiosen Charakters ist. Dass
die Darmstädter Handwerker und Fabrikanten jeder
Branche durch die Kolonie nicht nur viel gelernt,
sondern auch viel verdient haben, wird ja anerkannt.
Dagegen wird immer wieder vergessen, wie sehr
die Kolonie auch dazu beigetragen hat, den Gesichts-
kreis der gesamten Bürgerschaft um ein Beträcht-
liches zu erweitern. ;

Die Episode ist vorüber. Sehen wir, was uns die
neue Kolonie bescheert! (M. N. N.)
Im neuesten Hefte der „Dekorativen Kunst“
(München, Bruckmann) giebt Benno Rüttenauer
unter dem Titel „Darmstadt nach dem Fest“ einen
Epilog über die Schicksale der Künstlerkolonie
nach Schluss der Ausstellung. Das, was Rütten-
auer erzählt, stellt alle bisher bekannten Don-
quichoterien des hl. Bureaukratismus in Schatten,
es liest sich wie eine Relation aus dem Reiche
irgend eines Padischahs - dort hinten, weit in der
Türkei. Darum dürfen wir hoffen, dass Richtig-
stellung, Aufklärung nicht ausbleiben. G. K.
Jagd-Ausstellung in dem neuerbauten
Hauptsaale der Kunstsalons Hugo Helbing, Wag-
müllerstrasse 15. Mehr denn je wird in unserer
Zeit die Erinnerung an das Kulturleben der Vor-
zeit gepflegt und wie innerhalb der Geschichts-
wissenschaft die deskriptive Darstellung immer mehr
zurücktritt hinter die entwickelnde, von der Schil-
derung der Kulturzustände ausgehende, so steht das
grosse Volk der Litteratur und Kunstireunde zum
grössten Teile unter dem Zeichen kulturgeschicht-
licher Neigungen. Bei diesem grossen Interesse
an kulturhistorischen Dingen wird die jüngste
Veranstaltung Hugo Helbing’s von weiten Kreisen
freudigst begrüsst werden. Es ist eine Spezial-
ausstellung zur Geschichte der Jagd und zwar eine
Ausstellung, wie sie selten geboten werden dürfte,
vielleicht nur in München, diesem bedeutendsten
Emporium des Antiquitätenhandels möglich ist. Mit
vieler Mühe ist eine Sammlung von kunst- und
kulturgeschichtlich gleich wichtigen Objekten zu-
sammengebracht, die ein überaus _fesselndes
Gesamtbild bietet. Einen Begriff von der Reich- -
haltigkeit der Ausstellung wird der Hinweis ver-
mitteln, dass die Objekte zunächst den Hauptsaal
des neuerbauten Helbing’schen Kunstauktionshauses
füllen, einen Saal von riesigen Dimensionen, eine
Sehenswürdigkeit an sich. Sodann führt uns die
 
Annotationen