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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 6
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Uhde-Bernays, Hermann: Das germanische Nationalmuseum in Nürnberg 1852-1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0313

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— 202 —

rühmte Nürnberger Madonna, die Holzschnitzereien
des Veit Stoss und die Kaiserbildnisse Albrecht
Dürers unter Eigentumsvorbehalt dem Museum
übergeben wurden, zugleich mit der besonders
untergebrachten nunmehr über 200000 Blatt zähl-
enden städtischen Kupferstichsammlung. Eine er-
ireuliche Ergänzung des vorhandenen Bildermaterials
brachte dann eine Verfügung König Ludwig IUI.,
durch welche eine grosse Anzahl von Gemälden
und Kunstdenkmälern aus den staatlichen Samm-
lungen den Weg nach Nürnberg nahmen. Beides
war durch Essenweins Vermittlung geschehen. Seine
grösste That war aber im Jahre 1889 der Ankauf
der grossen Sulkowski’'schen Waffensammlung, für
welche er die Summe von 200000 Mark auszugeben
sich nicht scheute, um hiemit eine Anzahl von
seinerzeit aus Nürnberg {fortgeführten Trophäen
für Deutschland wiederzugewinnen, darunter die
Stech- und Rennzeuge der berühmten Nürnberger
Plattner, Siebenbürger und Grunewald. Bei dieser
Gelegenheit hatte Essenwein der gesteigerten Teil-
nahme und Opferfreudigkeit des deutschen Volkes
dankbar zu sein, welches ihn in die Lage setzte,
das zu Ankaufszwecken aufgenommene Kapital in
immer grösseren Raten weit früher als bestimmt
war, zurückzuzahlen. Wie der spähende Blick des
Direktors nichts ausser acht liess, was seiner Anstalt
dienlich sein könne, beweist die Rührigkeit, mit der
er sich nach Konstantinopel und bei schlimmer
Jahreszeit selbst nach Rhodus begab, um durch
die persönlich erbetene Gnade des Sultans eine
Anzahl mittelalterlicher Geschütze. zu erwerben,
für deren unentgeltlichen Transport er wieder die
österreichische Regierung zu bestimmen wusste.
In Nürnberg wohnende Gesamtfamilien, einzelne
Personen überredete er zur Auslieferung wertvoller
Erbstücke, zur Zuweisung ganzer Sammlungen.
Im Jahre 1866 hatte bereits die Bibliothek ihre
kostbarste Zuwendung erhalten, als die Freiherrlich
von Scheurl’sche Familie sich entschloss, die einzig-
artige, seit drei Jahrhunderten verwahrte Bücher-
sammlung ihres Ahnen, des wittenberger Juristen
Christoph Scheurl zu übergeben. Ebenfalls sehr
wertvoll ist die 1874 überlassene Merkel'’sche Biblio-
thek und Sammlung, deren bedeutendstes Stück, der
berühmte Jamnitzer-Pokal, leider ebenso wie das
Dürer’sche Portrait von Hieronymus Holzschuher,
welches von 1872—1884 im Museum sich befunden
hat, später wieder zurückverlangt worden ist. Der
Freiherrlich von Tucher’schen Gesamtfamilie ver-
dankt die Galerie die schöne Kopie des Dürer’schen
Allerheiligenbildes, die deutschen Standesherrn,
der mecklenburgische und der fränkische Gesamt-
adel, die Reichsstädte beteiligten sich am Ausbau
und der Ausschmückung des Augustinerklosters,
das in den Jahren 1871—1874 neu erworben und
ausgebaut wurde. Auch gelegentliche Zusammen-
künifte und Feste wurden für die Zwecke des
Museums angeregt. Zwar gelang es Essenwein
nicht, die deutschen Tonkünstler im Jahre 1870 für
die Gründung eines Beethovensaales zu begeistern,
im allgemeinen hatte er gerade an solchen Tagen
entschiedene Erfolge zu verzeichnen. Die deutschen
Juristen steuerten bei, die Apotheker beschlossen

die Gründung eines pharmazeutischen Museums,
von welchem die reizende Apotheke und das in
mystischem Dunkel liegende Laboratorium ein Teil
sind. Vor wenigen Jahren wurde auch von den
deutschen Bierbrauern zu einer besonderen Stif-
tung die Genehmigung erteilt. Als ein wichtiger
Ankauf, welcher dem Archiv zugute kam, ist aus
dem Jahre 1876 die Erwerbung der Wolkenstein-
schen Urkundensammlung zu verzeichnen. Ferner
erhielt die reichhaltige Autographensammlung man-
chen erfreulichen Zuwachs, wenn auch keiner der-
selben an Wert den Briefen gleichkam, die aus
dem Nachlass des Sohnes von K. A. Böttiger, dem
bekannten Litteraten und Freund Wielands, am
Anfang der sechziger Jahre erstanden worden sind,
und die seitdem ein recht beschauliches Dasein
führen. Gerade hier, unter den selten ans Licht
gezogenen Schätzen des Archivs, wird noch manche
kostbare Perle zu finden sein.

Mit dieser einzig dastehenden Vermehrung der
Sammlungen ging naturgemäss die Frage nach
geeigneten Räumen zur Unterbringung Hand in
Hand, eine Frage, die jedoch erst jetzt, nach Fertig-
stellung des grossen Neubaues durch Direktor
Gustav von Bezold und nach Erwerbung des ehe-
maligen Königsstiftungshauses ganz gelöst erscheint.
Dass Essenwein im Jahre 1875 die Wiedererbauung
des ehemaligen Augustinerklosters im Anschluss
an die Karthause vollendete, wurde schon oben
erwähnt. Im Jahre 1880 trat von neuem die Bau-
irage in den Vordergrund. Da war es das Reich,
welches die gesamten Neubauten aus Reichsmitteln
auizulühren beschloss. Es entstanden in den {fol-
genden Jahren der grosse Saal, welcher die Denk-
mäler der vorgeschichtlichen Kulturperiode enthält,
das schöne Treppenhaus an der Ostseite des
Augustinerbaues, und die Räume an der Südseite
der Karthause. Dieser grosse Saal des Erdge-
schosses ist durch das Portal aus Heilsbronn mit
den Kreuzgängen verbunden, der zweite Stock als
Wohnung dem ersten Direktor eingeräumt. Im
Jahre 1880 erhielt der Wittelsbacher-Hof seine
Zierde durch die Stiftung der schönen Uhr mit
den beweglichen Figuren, welche das Museum den
Prinzen des bayerischen Königshauses verdankt.
Eine hocherfreulicl:ie künstlerische Ergänzung des
Museumsbesitzes kam im Dezember 1882 zu stande,
als die Stadtgemeinde Nürnberg ‘Stadtmauer und
Zwinger, die: Mauer mit den Thürmen, wie den
Stadtgraben vom Sternthor bis zum Karthäuserthor
überliess für alle Zeit, „solange das germanische
Nationalmuseum als deutschnationale Anstalt in
Nürnberg sich befindet“. Schon damals hatte der
lebende Vertreter germanischer Urzeit, der vom
Herzog von Coburg geschenkte Bär, seit einem
Dezennium die Behausung in einem der westlichen
Höfe inne, in dem er auch heute sein einsames
Dasein zubringt. Diesem Beweise fürstlicher Gunst,
der sich namentlich der besonderen Liebe der zahl-
reichen, das Museum besuchenden Schüler erfreut,
wird eine Bitte des Direktors schwerlich voraus-
gegangen sein.

Nach zwei Seiten konnte also Geheimrat von
Essenwein — mit diesen Auszeichnungen war der
 
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