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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 10
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Peltzer, Alfred: Von der Ausstellung altflandrischer Kunst in Brügge
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0583

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— 398 —

Engel, ihre farbigen, grossen Flügel. sind originell
und merkwürdig. Die figurenreiche Rückseite
ist weniger eindrucksvoll, doch auch nicht un-
bedeutend.

Von Herry met de Bles enthielt die Ausstellung
sonst nichts Sicheres, das über ihn und über dieses
ihm zugeschriebene Bild Aufklärung geben konnte.

Ebenso hätte man wünschen mögen, dass von
Meistern wie Jan Gossaert, gen. Mabuse, von Barend
van Orley und von Jan Scorel mehr Bilder zu sehen
gewesen wären, wenigstens aus ihrer guten, früheren
Zeit, wo sie sich ihrer Originalität noch nicht be-
geben haben und ihnen manche anmutende Schöp{-
ungen gelungen sind. Auf die Zeugnisse ihrer
späteren, manieristischen Perioden verzichtet man
ja allerdings gern. Von Jan Gossaert fiel nur
auf ein kleines Bildchen mit einer malerisch und
farbig gut behandelten Darstellung des Herkules,
der den Antäus bezwingt (Wien, Th. Miethke), auf
italienische Anregung zwar zurückzuführen, aber
durchaus mit einer gewissen Eigenart gebracht.
Der kritische Katalog setzte ein Fragezeichen hinter
die Zuschreibung, trotzdem dass die Tafel bezeichnet
ist und, wie mir scheint, mit Unrecht. In der Be-
handlung erinnert es an ein kleines „Ecce Homo“
in der Antwerpener Galerie. Zwei veränderte alte
Kopien des köstlichen, kleinen Triptychons, das
heute in Palermo im Museum jeden nordischen
Besucher Siziliens so freundlich begrüsst, zeugten
dafür, dass dieses Kleinod schon damals beliebt
und geschätzt war. Mabuses Urheberschaft des
Originals dürfte wohl allgemein anerkannt sein.
Eine diesem sehr verwandte kleine und auch sehr
feine Tafel mit dem Porträt eines Stiiters vor seinem
Namensheiligen Antonius in einer Landschaft
knieend, offenbar ein Flügel eines Triptychons
oder Diptychons, dem Fürsten Doria in Rom ge-
hörig, war deshalb gewiss rechtmässig jetzt in
Brügge auf den Namen Mabuse getauilt worden.

Von den Werken, die Barend van Orley
zugewiesen waren, fiel nur eine Madonna vor sehr
eigenartiger Landschaft, aus dem Museum von
Glasgow, ein vortreffliches, sehr anziehendes Bild,
auf, dessen Benennung jedoch bis jetzt nur Ver-
mutung bleibt und noch der Begründung bedarf.

Jan Scorel fand man nur ein einziges, aber
vortreffliches Porträt, allerdings mit berechtigtem
Fragezeichen, zugeschrieben.

Der eigentliche Schwerpunkt der ganzen Aus-
stellung lag bei jener Kunst, die unter dem Zeichen
der van Eyck steht. Ein eingehendes Bild des
16. Jahrhunderts zu geben, lag wohl nicht in der

Absicht der verdienstvollen Veranstalter. Immerhin
war auch auf diesem Gebiete noch viel Interessantes
zu sehen, Künstler wie Pourbus etwa noch mit einer
Reihe von Werken vertreten, und einige Meister-
werke vorhanden. So hatte sich Quentin Matsys,
der geniale Begründer der neuen Kunst mit dem
vortrefflichen Porträt eines Kanonikus aus der
Liechtenstein-Galerie eingefunden. Von dem grossen
Pieter Breughel, dem Aelteren, gab es drei höchst
bedeutende und originelle Werke: eine Anbetung
der Könige, Herrn Roth in Wien gehörig; den
„Kindermord“ aus dem Brüsseler Museum; und
ein überaus humoristisches „Schlaraffenland“, das
Herr von Kaufmann sein Eigentum nennt. Alle
drei fesselnd durch den Inhalt, wie auch durch das
hohe malerische Können und den eigenartigen
farbigen Stil. Auch Breughel ist ein grosser Neuerer
ın Hinsicht auf das malerische Schauen und
Gestalten.

Eine „Kreuztragung“ aus dem Genter Museum
mit ungeheuerlichen, fast erschreckend ausdrucks-
vollen Köpien des Hieronymus Bosch liess
diesen als den höchst interessanten und begabten
Vorläufer des Breughel erscheinen, sowohl dem
Inhalte wie dem Malerischen nach.

Was übrigens Matsys anbetrifit, so sei zum
Schluss noch aus den paar übrigen zweifelhaften
Bildern, die sich ihm zugeschrieben fanden, auf
eine Madonna grösseren Formats hingewiesen, die
sonst in der Brüsseler Gallerie hängt, wenn ich nicht
ırre, dort ohne nähere Bezeichnung. Sie war hier
nun vom kritischen Katalog vermutungsweise der
Jugendzeit des Matsys zugewiesen worden, womit
eine Hypothese aufgenommen wurde, die schon
Waagen ausgesprochen hat. Der Typus lässt in
der That an den grossen Meister denken. Auffallend
ist dabei jedoch, dass der Maler,. der jener späteren
Zeit gewiss angehört, wie die ganze Behandlung
durchaus verrät, so stark in seinem Ideal sich direkt
an die van Eyck und ihren Genter Altar anlehnt,
die Tradition der van Eyck-Schule beiseite schiebend.
Wenn wir hier wirklich ein Jugendwerk Matsys zu
sehen berechtigt sein sollten, so hätten wir die
nicht unwichtige Thatsache zu verzeichnen, dass
dieser Neubegründer, der erste Ueberragende, der
nach den van Eyck wieder auf.den Namen eines
Genies Anspruch erheben darf, sich ganz bewusst
an die grossen, ihm einzig kongenialen Vorläufer
vor 100 Jahren angeschlossen hat, nur dort ihm
Ebenbürtiges erkennend, ein Analogon zu den
grossen Meistern des beginnenden Cinquecento,
die in der Brancacci-Kapelle ihre Studien betrieben.




 
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