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Die neue Stadt: internationale Monatsschrift für architektonische Planung und städtische Kultur — 6.1932-1933

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Taesler, ...: Schweden: Geschichte, Situation, Beziehungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.17521#0039

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Geschichte

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Silo in Hästholmen bei Stockholm.
Magasin de ble ä Hästholmen pres de
Stockholm.

Silo at Hästholmen near Stockholm.
Arch. Eskil Sundahl u. O. Thunström.

Sammlungen Stockholms (wie auch in Kopenhagen und Oslo) ist außer Rem-
brandt, Rubens und ein paar guten, modernen Franzosen wenig Bodenstän-
diges, sehr wenig, was als Markstein angesprochen werden könnte. Da ist
vor allem Münch — und eigentlich nichts in seiner geistigen Nachbarschaft.
Der freundliche Zorn, Carl Larsson, der junge Grünewald, im übrigen sehr viel
Idyll, sehr viel Gartenlaube. Eine Art unwissender Schönheit, bäuerlicher Ruhe
lastet auf allem, wie auf den lebenden Menschen dieses Landes.
Fragt man sich angesichts dessen nach der „Erneuerung der europäischen Kul-
tur aus nordischem Geist" oder ganz bescheiden nur nach dem germanischen
Beitrag zur europäischen Kunstgeschichte, so bleibt dieser schließlich be-
schränkt auf zwei Namen von ganz großem Format allerdings: Rembrandt und
van Gogh. Und es wird grade am Oeuvre dieser beiden großen Holländer
offenbar, daß jene kulturelle Prosperität gerade an den Grenzterritorien der
Rassen und Völker fruchtbar wird; wie in Griechenland erst nach der Mischung
der Pilasker mit den dorischen Einwanderern, oder im Norden gerade an den
Berührungspunkten mit den Römern die kulturelle Entwicklung aufbricht, wäh-
rend andererseits gerade der „reinrassige Norden" mit den wenigen Namen
Ibsen, Strindberg, Dakobsen, Grieg, Thorwaldsen, Münch dem kulturellen Be-
stand des Abendlandes nicht allzuviel, und nur in einem Fall eigentlich Weg-
bereitendes hinzugefügt hat.

Dies Abseitsstehen des Nordens hat indessen entscheidendere Hintergründe
als rassengeschichtliche oder geographische, und wir müssen schon weiter in
die Geschichte zurückgehen, um sachlich bewerten zu können, was die einen
als Rückständigkeit und die anderen als nordische Tugend kennzeichnen. Die
wirtschaftlich, politisch und kulturell gleich bedeutsame Tatsache, daß
Schweden bis heute eindeutig nach Süden und ausgesprochen küstenorientiert
ist, geht ursächlich zurück bis in die Zeit der Hanse. Die Ostsee war wichtig-
stes Wirtschaftsgebiet und Grundlage der hanseatischen Großmacht. Wisby,
das New York des Mittelalters, Malmö, Stockholm, Kalmar, Heisingborg, Hel-
singfors, Riga und die ganze Reihe der deutschen Hansestädte verdanken
jener Zeit des 12. bis 13. Jahrhunderts als Kolonialgründung deutscher Kauf-
leute ihre Entstehung bezw. Befestigung. Stockholm, selbst zwar nicht organi-
satorisch der Hansa angeschlossen, umfaßte in seinem Rat zur Hälfte deutsche
Kaufleute. Die Stadt war dementsprechend in einen seewärtsgelegenen deut-
schen und einen landwärtigen schwedischen Teil gegliedert. Wirtschaft, Macht
und Kultur waren küstengebunden und blieben es in jener Zeit der schwedi-
schen Großmacht im 17. Jahrhundert, wo der Gedanke, die Ostsee zu einem
schwedischen Binnensee zu machen, neue Bedeutung gewann. Damals, unter
der absolutistischen Regierung Karls XI. und Karls XII., erwarb Schweden in
Nordamerika seine ersten und einzigen Kolonien, damals erfährt Stockholm als
Adäquater Ausdruck seiner starken Zentralgewalt seine größte, angesichts der
geographischen Voraussetzungen höchst systematisch-geometrisch durchge-
führte Stadterweiterung. Während nun in Mitteleuropa, inbesondere in
Deutschland, ein ganzes Netz kontinentaler Beziehungen von Handelswegen,
örtlich gebundenen Wirtschaftsgebieten schon früh zu Entfaltung kontinentaler
Städte und partikularistischer Staaten führte, bleibt die wirtschaftliche, poli-
tische und kulturelle Konzentration in Schweden ausgesprochen auf die
Küsten beschränkt, insbesondere auf Stockholm. Als Uebergang über den

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