Die neue Stadt: internationale Monatsschrift für architektonische Planung und städtische Kultur — 6.1932-1933
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https://doi.org/10.11588/diglit.17521#0042
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Taesler, ...: Schweden: Geschichte, Situation, Beziehungen
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Neusiedlung. Stockholm kennt keine Slums, kennt noch keine akute Woh-
nungsnot. Dagegen ist die ökonomische Belastung der Bevölkerung durch die
Mieten hier unvergleichlich höher als auf dem Lande und um 150 % höher als
bei uns. Durchschnittlich werden 28 % des Einkommens (oft bis 40 %) an Miete
aufgewendet. Die Wohndichte ist in den letzten 30 Jahren eine ständig fal-
lende und beträgt heute 1,2 Personen pro Raum. 70 % der Bevölkerung lebt in
Kleinwohnungen, davon sind 13 % überbelegt. Die mittlere Miete betrug 1925
pro Jahr und Raum 350 Kr. Die Arbeiter leben meist über ihre Verhältnisse; ein
Bauhandwerker, der mit Schleifzeug und einem Sack voll Holzabschnitten in
der Taxi von der Arbeit fährt, ist eine tägliche Erscheinung.
Stärker als jedes andere Land ist Schweden, dessen Areal von 450 000 qkm dem Stockholms Schlüsselstellung
Deutschlands fast entspricht, ausgesprochen auf Stockholm orientiert, die wirt-
schaftliche Abhängigkeit des Hinterlandes durch die Holzwirtschaft von der
Küste, insbesondere von Stockholm, und die zentrale Lage der Industrie auf
dem Lande prägen den ökonomischen Gegensatz Industriearbeiter — Land-
arbeiter stärker als den wirtschaftlich und kulturellen Gegensatz Stadt — Land.
Der lebendige Konnex des Stockholmers mit seinem Land ist ein engerer als
der des Berliners mit seinem Tiergarten. Eine Ausstellung in Stockholm zeigte
„funktionelles" Bauen, und was bei uns ein Jahrzehnt Angelegenheit der städti-
schen Intelligenz geblieben ist, wurde hier in einem Jahr zur Sache des ge-
samten Volkes. „Funkis" ist heute Trumpf bei den Waldarbeitern an der nor-
wegischen Grenze wie bei den Pfarrern in Stockholm. So kommt noch heute
dieser Stadt eine kulturelle Schlüsselstellung zu, und so wird es wichtig, daß
gerade hier ein Kreis junger Architekten mit Entschiedenheit und der richtigen
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nungsnot. Dagegen ist die ökonomische Belastung der Bevölkerung durch die
Mieten hier unvergleichlich höher als auf dem Lande und um 150 % höher als
bei uns. Durchschnittlich werden 28 % des Einkommens (oft bis 40 %) an Miete
aufgewendet. Die Wohndichte ist in den letzten 30 Jahren eine ständig fal-
lende und beträgt heute 1,2 Personen pro Raum. 70 % der Bevölkerung lebt in
Kleinwohnungen, davon sind 13 % überbelegt. Die mittlere Miete betrug 1925
pro Jahr und Raum 350 Kr. Die Arbeiter leben meist über ihre Verhältnisse; ein
Bauhandwerker, der mit Schleifzeug und einem Sack voll Holzabschnitten in
der Taxi von der Arbeit fährt, ist eine tägliche Erscheinung.
Stärker als jedes andere Land ist Schweden, dessen Areal von 450 000 qkm dem Stockholms Schlüsselstellung
Deutschlands fast entspricht, ausgesprochen auf Stockholm orientiert, die wirt-
schaftliche Abhängigkeit des Hinterlandes durch die Holzwirtschaft von der
Küste, insbesondere von Stockholm, und die zentrale Lage der Industrie auf
dem Lande prägen den ökonomischen Gegensatz Industriearbeiter — Land-
arbeiter stärker als den wirtschaftlich und kulturellen Gegensatz Stadt — Land.
Der lebendige Konnex des Stockholmers mit seinem Land ist ein engerer als
der des Berliners mit seinem Tiergarten. Eine Ausstellung in Stockholm zeigte
„funktionelles" Bauen, und was bei uns ein Jahrzehnt Angelegenheit der städti-
schen Intelligenz geblieben ist, wurde hier in einem Jahr zur Sache des ge-
samten Volkes. „Funkis" ist heute Trumpf bei den Waldarbeitern an der nor-
wegischen Grenze wie bei den Pfarrern in Stockholm. So kommt noch heute
dieser Stadt eine kulturelle Schlüsselstellung zu, und so wird es wichtig, daß
gerade hier ein Kreis junger Architekten mit Entschiedenheit und der richtigen
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