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Die neue Stadt: internationale Monatsschrift für architektonische Planung und städtische Kultur — 6.1932-1933

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Chronik der Länder
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https://doi.org/10.11588/diglit.17521#0136

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Fonds zur Hebung der Lebensverhältnisse der Arbeiter und Angestellten
zu bilden. Von diesem Fonds sind 75 Prozent für den Wohnungsbau, die
übrigen 25 Prozent für andere kulturelle Aufwendungen bestimmt.
Das Zentrale Institut für die Kreditierung des Wohnungsbaues ist die
Zekombank (Zentrale Bank für Kommunalwirtschaft und Wohnungswesen),
die mit der Hergabe der Kredite eine Kontrolle der zu finanzierenden
Projekte verbindet. Diese Kontrolle sichert die Einhaltung bestimmter
ökonomischer Normen in der Materialverwendung und Planung. Die
Kreditgewährung erfolgt an die kommunalen Stellen, die Industrie und
die Transportanstalten bis zu einer Höhe von 65 Prozent der Bausumme,
an Wohnbaugenossenschaften in einer Höhe von 82 bis 95 Prozent der
Bausumme (die Abstufung richtet sich nach den Einkommen der Mit-
glieder, nach der Bauausführung in Holz oder Stein und nach den ört-
lichen Baukosten), sowie endlich zu erschwerteren Bedingungen an ein-
zelne Arbeiter und Angestellte, die für ihre persönlichen Bedürfnisse
bauen.

Die Darlehen werden bei Holzbauten auf 45 Dahre, bei gemischten Bauten
(Holz und Stein) auf 55 und bei Steinbauten auf 60 Dahre gewährt. Die
Verzinsung der Kredite beträgt zwischen 1K bis 2 Prozent. 1 Prozent
Zins bezahlen die lokalen Sowjets, die Industrieunternehmungen und
Transportanstalten sowie Genossenschaften mit mittleren Einkommen der
Mitglieder (75 bis 200 Rubel pro Monat). Für Genossenschaften mit ge-
ringeren Einkommen ermäßigt sich der Zins auf Y, Prozent, für solche mit
höheren steigt er auf 2 Prozent, für die einzeln Bauenden auf 3 Prozent.
Die jährlichen Amortisationen sind auf 1^2 Prozent vom Durchschnittswert
der neu errichteten Wohnfläche festgesetzt. Bei Genossenschaften mit
schwachen Einkommen treten für die ersten 3ahre Erleichterungen ein.
In ähnlicher Weise wie die Verzinsung und Amortisation bei den Neu-
bauten sind die Mietzinse für die den Wohnpachtgenossenschaften über-
gebenen Altbauten nach einem abgestuften System festgelegt. Als
Grundmiete wird ein bestimmter Betrag pro Quadratmeter Wohnfläche
erhoben, der die Instandhaltung und die Amortisationen (Pachtpreis) auf-
zubringen hat. Die Grundmiete wird ihrerseits abgestuft, einerseits nach
der Lage und Einrichtung der Wohnung (Vorhandensein von elektrischer
Beleuchtung, Wasserleitung, Kanalisation, Bad), andererseits nach der
Klassenzugehörigkeit und dem Einkommen der Bewohner. Zur Zeit ist der
Minimalmietzins für Arbeiter, Angestellte und freie Berufe auf 55 Kopeken
pro Quadratmeter festgesetzt, der maximale Mietzins für dieselbe Kate-
gorie auf 1.32 Rubel. Die Abstufung ist so getroffen, daß der Mietzins
für die arbeitende Klasse einen Satz von 7 bis 8 Prozent des Einkommens
nicht überschreitet.

5. Organisation des Wohnungsbaus

Die Aufhebung der meisten früheren privatwirtschaftlichen Verhältnisse
durch die Revolution machte auch auf dem Gebiete des Bauwesens eine
Organisation notwendig, die den privaten Unternehmer und Architekten
ersetzte und die Möglichkeit einer wirksamen Konzentration eröffnete.
Man legte die Bauausführungen für einen bestimmten Bezirk in die Hände
von großen Bautrusts für Wohnungs- und Kommunalbau (meist den Stadt-
sowjets unterstellt), für Industriebau verschiedener Zweige, für den land-
wirtschaftlichen Bau, für Straßenbau, Kanalisation usw. Für den Bau der
großen Industriekombinate wurden jeweils besondere Organisationen
gegründet. Den Bautrusts entsprechen besondere Projektierungstrusts,
die nach demselben Verteilungsschema die Projektierung für das ge-
samte Bauwesen übernehmen. So gut wie der private Unternehmer ganz
ausgeschaltet ist (vom handwerklichen, meist genossenschaftlichen
Kleinbetrieb auf dem Dorfe abgesehen), so gibt es privat arbeitende
Architekten nur noch in wenigen Ausnahmen. Dieses System führt zu
einer starken Konzentration der ganzen Projektierungsarbeit in großen

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A r c h. M. 1 G i n s b u r g

Block mit Kleinstwohnungen am Nowinski Boulevard in Moskau. 1929
Bloc avec habitations-minima au Boulevard Nowinski ä Moscou
Bloc with minimum-dwellings on the Nowinski Boulevard at Moscou

Betrieben und begünstigt die für das heutige Sowjetrußland mit seinem
Das Haus liegt hinter der älteren Boulevardhäuserreihe und ist durch
einen breiten Park mit Sportanlage (Tennis-Platz) vom Straßenlärm ge-
trennt. Die Wohnungen für 2 Etagen sind von einem Flur aus zugänglich.
Lichte Zimmerhöhe ca. 2,20 m bezw. 4,40 m. Das Dach ist als Dachgarten
ausgebaut. In der ersten Etage Liegeterrassen. Links liegt gesondert,
nur durch eine Brücke mit dem Wohnhaus verbunden, die Kantine mit
Küche. Wäscherei und Kindergarten sind isoliert im Park projektiert. Die
Wäscherei ist bereits ausgeführt.

Der Bau wurde teilweise mit ungelernten Arbeitern und unter Material-
mangel fertiggestellt.

Mangel an technischen Kräften notwendige Zentralisierung. Eine Zu-
sammenfassung des Bauwesens in einem besonderen Volkskommissariat
ist bis heute noch nicht erfolgt, so daß das Bauwesen verschiedenen
Volkskommissariaten (für Schwerindustrie, Landwirtschaft, Transport usw.)
untersteht. Der Baubetrieb selbst leidet im Vergleich zu den ungeheuren
Aufgaben, die er zu erfüllen hat, an einem starken Mangel an ausge-
bildeten Bauarbeitern und erfahrenem, mittlerem, technischem Personal
einerseits und der noch ungenügenden Belieferung mit Baumaterial (Back-
stein, Zement, Eisen, trockenem Holz) andererseits. Die Masse der aus
dem Dorf kommenden Bauarbeiter ist nur mit den primitivsten Werk-
zeugen und Arbeiten vertraut, so daß die durchschnittlichen Methoden
des russischen Bauplatzes noch sehr im Rückstand sind. Der Stamm er-
fahrener Handwerker aus der früheren Zeit wurde durch die Jahre der
Desorganisation (Bürgerkriege, Intervention) zerstört. Die Kontrolle der
Ausführung ist infolge des geringen Einflusses, den die großen zentrali-
sierten Projektbüros auf die oft weit entfernten Bauplätze ausüben
können, in der Regel schwach. Alle diese Umstände beeinträchtigen vor-
läufig die durchschnittliche Qualität der Bauausführung.

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