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Die neue Stadt: internationale Monatsschrift für architektonische Planung und städtische Kultur — 6.1932-1933

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Wagner, Martin: Städtebau als Wirtschaftsbau und Lebensbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.17521#0207

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unnatürlichen, des „freien" Spiels der Kräfte können wir die
Natürlichkeit des Lebens und seine gebundene Freiheit
wieder herstellen. Das Leben hat die ersten Bindungen an
die Natürlichkeit bereits vollzogen. Wie das Kapital floh
aus den „festen Anlagen", so floh das Leben aus der
amorphen Masse der Großstadt hinaus, dem beschwingen-
den Sonnenstrahl entgegen, hinaus zu dem Organischen.

Die neue Firma wächst aus dem Organischen! Der neue
Lebensbau der Menschheit ist nicht nur ein Zellenbau für
das Ich und ein Heimbau für die Familie und ein Stadt-
landbau für die Gemeinschaft, sondern auch ein Staatsbau
für die Nation! Wer wollte nun leugnen, daß heute jedes
ich, jede Familie, jede Gemeinschaft, jede Nation, ja jeder
Erdteil von einem Bauwillen und Neubauwillen beherrscht
wird, wie er elementarer und gleichzeitiger und gleich-
räumiger in der Geschichte noch niemals vermerkt wurde?
Eine neue Form ist im Werden! Die Welt hat einen Irrtum
eingesehen! Den Irrtum des „freien Spiels der Kräfte", die-
sen naturwidrigen und alle organischen Bindungen ver-
leugnenden Irrtum. Der Welt ist es zum Bewußtsein ge-
kommen, daß sie zur echten und dauernden Freiheit nur
über den Bund und über die Bindungen gelangen kann.
Ueberall gilt es, neuen gebundenen Lebensraum für die
Gegenwart wie für die Zukunft zu schaffen!

Drei pionierhaft vorstürmende Formationen arbeiten an
dem Neubau des menschlichen Daseins:

die Wirtschaftsbauer!

die Lebensbauer!

die Städtebauer!

Wer sind die Lebensbauer? Es sind die Mütter, die Aerzte,
die Schulmänner und die Priester!

Wer sind die Städtebauer? Es sind die Väter, die Inge-
nieure, die Architekten und die Geologen!

Wer sind die Wirtschaftsbauer? Es sind die Familien, die
Fabrikanten, die Landwirte, die Gärtner und die Händler!

Und wer die jungen, aktiven und lebensbejahenden Kräfte
dieser drei Vorwärts-Formationen am Werke sieht, der wird
ganz unzweideutig eine Harmonie in den Zielen wie eine
Harmonie in den Mitteln feststellen können. Das Ziel ist die
organische Bindung der Kräfte zum Ausbau eines neuen
Lebensraumes und das Mittel ist die staatliche Ordnung der
Kräfte zum planmäßigen Aufbau der Wirtschaft. Die Paralle-
lismen im Ziel, im Weg und im Mittel wachsen sich zu fast
gesetzmäßiger Klarheit aus und verstärken die Ueber-
zeugungen und den Schaffenswillen aller Lebensbauer
eines neuen Zeitalters.

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Geordnete Stadtwirtschaft wird von ungeordneter Stadtwirtschaft
bedrängt: Zusammentreffen planmäßiger und wilder Siedlungen an der
Peripherie von Berlin. Aufnahme des Stadtbauamts Berlin. Aus einer
noch ungedruckten Denkschrift von Leberecht Migge „Eine Weltstadt
kolonisiert"!

La bonne administration urbaine est pressee par une administration
sans ordre: rencontre ä la periferie de Berlin des colonisations ordrees
avec Celles ne suivant aucun plan d'organisation. Photo du Stadtbauamt
de Berlin, tire d'un ecrit n'ayant pas encore paru de Leberecht Migge
„Eine Weltstadt kolonisiert".

An orderly municipal economy is pressed by a disorderly municipal
economy. Carefully planned and wild Settlements clash on the periphery
of Berlin. Photograph, taken by the Municipal Board of Works at Berlin,
and contained in a still unpublished memorandum by Leberecht Migge
„A Great City Colonising".

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