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Pantheon — 1.1928 = Jg 1.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.57094#0107

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EINE VERONESISCHE M A D O N N E N ST AT U E DES DUCENTO

VON FRANZ KIESL1NGER

Die große Seltenheit von künstlerisch bedeutsamen
Statuen um das Jahr 1200 in Italien rechtfertigt die
Publikation eines Einzelstückes, das in seinen Aus-
maßen ja verhältnismäßig klein ist. Die Statue, die wir
S. 88 zur Veröffentlichung bringen, steht in engem
Zusammenhang mit einer längst publizierten thro-
nenden Madonna des Kaiser-Friedrich-Museums
(Katalog von 1911, Nr. 1771, I 2837). Möglicher-
weise ist die von uns zu besprechende Figur iden-
tisch mit der im eben zitierten Katalog erwähnten
Statuette des erzbischöflichen Palastes von Verona.
Ihre Größe ist 72 cm, also cm kleiner als die
Statue des Kaiser-Friedrich-Museums. Während
letztere aus Marmor ist, ist unsere Figur aus fein-
körnigem gelbgrauem Stein etwa von Marmorhärte,
der jedoch durchgehends von der vorzüglich erhal-
tenen Originalbemalung bedeckt ist, die nach Ent-
fernung des barocken Anstriches zutage kam. Die
Erhaltung ist ausgezeichnet, lediglich in halber Höhe
der Figur und am Hals von Mutter und Kind sind
alte geklebte Sprünge. Die Bemalung ist dünn und
samt ihrer Grundierung fest mit der Oberfläche des
Steines verwachsen. Das Stück kam aus dem vene-
zianischen Kunsthandel nach Wien, stammt aber
nach unverdächtiger Angabe von anderer Seite, wie
das Berliner Stück aus Verona. Die Statuette ist, so-
weit dies eine mittelalterliche Figur überhaupt zu-
läßt, rundplastisch, also nicht reliefartig gearbeitet
wie die annähernd gleichzeitige Madonnenstatuette
von Maria im Kapitol in Köln. Sie ist überaus schlank,
etwa 8V2 Kopflängen. Das Berliner Stück wirkt in
den Abbildungen lange nicht so verwandt wie bei
der Besichtigung im Original. Es mag etwa um eine
halbe Generation später anzusetzen sein, da seineGe-
wandsäume bereits j ene rundlich wogende Bewegung
aufzeigen, die der ersten Generation desDucento in
ganz Europa eigentümlich sind. Wenngleich die ita-
lienische Kunst den expressiven Ausdruck von Linien
nie so unterstrichen hat, wie etwa die deutsche, welche
hier leicht zu Übertreibungen neigt, so ist der all-
gemeine und übernationale Zeitstil auch hier ver-
bindlich, wie er etwa für die eckig-linearen Elemente
des nächstenMenschenalters um dieMitte des 13 J ahr-
hunderts in den Reliefs des alten Pisano zu sehen ist.
Die allgemeine räumliche BewegungderFigunist von

einer monumentalen Selbstverständlichkeit, die nörd-
lich der Alpen gerade um diese Zeit in so hoher
Qualität mit Ausnahme Frankreichs recht selten ist.


VERONESISCHUM 1210: MADONNA
KAISER - FRIEDRICH-MUSEUM, BERLIN

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