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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (9) — 1875

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Januar (No. 1 - 12)
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https://doi.org/10.11588/diglit.41571#0015
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Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Dinnerstag, ,
and Gamstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen Be-
stellungen an.

Amtsverkündigungsötatt für den Amis- und AmtsgerichtsVezirk Schwetzingen.

Vierteljahr!, Abonnement:
Für's Wochenblat 1 Mark
5V Pfennige-
Unterhaltungsblatt
35 Pfennige.
Inserate:
die viergespaltene Sar-
mondzcile oder deren Raum
12 Pfennige.

Allgemeiner Anzeiger für die badische nnd bayerische Ryeinpsalz.
Expedition, Druck und Verlag der C. W. Moriell 'schen Buchdruckerei in Schwetzingen

No. 4. Dienstag, 12. Januar 1875. IX. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasenstein L Msgker, Rudoks Masse und H. Aauöe <L Ho., Süddeutsche Annancen-Hrpeditio»
von H. Stöckhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Siraßburg, sowie das Jäger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

Bestellungen für's 1. Quartal
auf das „Schwetziirger Wochenblatt", Ba-
dische Hopfenzeitung, werden noch immer von uns,
sowie von allen Postanstalten und unseren Zeitungs-
trägern entgegen genommen.

* Die Nutzanwendung
aus den spanischen Ereignissen zu ziehen, ist keine allzu-
schwere Aufgabe und doch möchten wir bitten, dieselbe nicht
gar zu leicht zu nehmen. Wir haben in No. 2 unseres
Blattes, in welchem wir die neuesten Ereignisse in Spanien
besprochen, den Republikanern unserer Zeit ein wenig gün-
stiges Kompliment gemacht und unsere Leser könnten glau-
ben, daß sich in uns die Meinung gebildet habe, die Wie-
deraufrichtung der Monarchie zeuge überhaupt gegen die
republikanische Staatsform. Dies ist entschieden unrichtig.
Ebenso unreif wäre aber die Meinung, eine solche Staats-
Umwälzung lasse sich auf Jntriguen einzelner weniger Per-
sonen zurückführen. Wir müssen unS mehr und mehr daran
gewöhnen, in der Politik von abstrakten Sätzen abzusehen.
Eine schlechthin absprechende theoretische Meinung trifft hier
selten das Richtige und ist oft nur die Folge mangelnder
Erfahrung oder beschränkten Fassungsvermögens.
Jede Staatsform hat ihre Vorzüge und ihre Nach-
teile, welche je nach der mannigfaltigen inneren Gestaltung
sie für besondere Fälle anwendbar oder nicht anwendbar
macht. Niemand, der auf den Namen eines Politikers An-
spruch erhebt, wird , heute noch die Monarchie oder die Re-
publik prinzipiell verwerfen. Die Thatsachen der Weltge-
schichte beweisen, daß die menschliche Kultur unter der einen,
wie unter der anderen Staatsform Fortschritte und Rück-
schritte gemacht hat. Wir müssen über die blosen Namen
und Schlagworte hinweg den Inhalt in'S Auge fassen. Es
gibt Monarchien, in denen das öffentliche Leben sich that-
süchlich in republikanischen Formen bewegt und eS gibt Re-
publiken, in denen der Wille einzelner Personen, Familien
oder Klassen drückendere Zustände schafft, als man sich in
einer monarchischen Despotie vorstellt.
Wir haben schon eine Nutzanwendung gezogen, wenn
wir unser Ohr vor den betäubenden Wirkungen der Schlag-
worte verschließen. Spanien hat alle Abarten der Republik
durchprobirt. zuerst die parlamentarische Republik, dann die
republikanische Diktatur, daneben ein kleines Stück Kom-
mune in Karthagena, endlich die usurpirte Diktatur mit
blosen republikanischen Scheinformen und eS hat sich unter
keiner derselben wohl gefühlt. Schließlich ist es zur kon»
stimtwnellen Monarchie zurückgekehrt, nicht etwa, weil diese

an sich bester wäre, als die Republik, sondern weil sie für
Spanien besser paßt als jene.
Die tiefere Lehre ist die, daß ein Land seine Staats-
form nicht wechseln kann, wie man eine Modetracht ändert.
So leicht ein solche Wechsel dem oberflächlichen Beobachter
erscheint und so unerheblich derselbe möglicherweise in der
Wirklichkeit für das Wohlergehen wäre, wenn sich alle
Erinnerungen an vie früheren Zustände austilgen ließen, so
berghoch thürmen sich die Schwierigkeiten, welche den Weg
verlegen. Sobald durch eine gewaltsame Aenderung aus
einer Republik eine Monarchie oder aus einer Monarchie
eine Republik gemacht ist, bilden sich Oppositionsparteien
aus den in ihrem Einflüsse verkürzten Elementen, welche
die Wiederherstellung des früheren Zustandes auf ihre Fahne
schreiben und das neue System auf Tod und Leben be-
kämpfen. Aus jedem Fehler der Regierung zieht die Oppo-
sition nruc Kraft an sich, jede einschneidende Maßregel führt
ihr Zuwachs von Unzufriedenen zu und endlich fühlt sie
sich stark genug, um das System zu stürzen und die Restau-
ration ist da.
Wohl dem Lande, wenn die Umwälzungen damit ihr
Ende erreicht haben, wie es in Spanien und im Gegen-
bilde in Mexiko glücklicherweise der Fall gewesen zu siin
scheint. Je länger das neue System am Ruder gewesen ist,
um so weniger kann es seine Herrlichkeit vergessen. Bald
beginnt das gestürzte System Opposition zu machen, mit
dem festen Vorsatze, die begangenen Fehler das nächste Mal
»u vermeiden. Die Parteikümpfc vergiften den öffentlichen
tyeist des Landes, der Staatswagen wird bald rechts, bald
links umgeworfen und die Unsicherheit bedroht den ma-
teriellen Wohlstand. Sind die Gemüther der Verzweiflung
nahe gebracht, so fallen sie am Ende auch einem kühnen
Abenteurer zu, der Ruhe um jeden Preis verheißt und sich
dabei auf den Thron schwingt, wie die Napoleons durch
ihr Beispiel gelehrt haben.
Der Kreislauf Frankreichs zwischen der blauen nnd
rothen Republik, dem dreifarbigen und dem weißen König-
thum und der kaiserlichen Diktatur verschuldet die tiefe Spal-
tung des Landes in fünf Parteien, von denen immer drei
bis vier sich verschwören, um die an der Herrschaft befind-
liche zu stürzen. Keine ist mächtig genug, um sich zu be-
haupten. Für den Augenblick hat man das farblose Ssp-
tennat Mac Mahons als Ausweg ergriffen, aber auch die-
seS befriedigt Niemanden, sondern reizt den Ehrgeiz der
Parteien erst recht. Wenn eines Tages Napoleon IV. den
Thron besteigt, so wird dies Niemand wundern dürfen.
Aber auch er wird nur als auf Zeit angestellt zu betrachten
sein und er wird sich auch picht besinnen, die Frist zur
Schafschur zn benützen.
Es ist, als ob ein Fluch darauf ruhe, daß ein Land,

welches einmal die historischen Fundamente seiner Cntwicke
lung verlassen hat, keine Ruhe mehr finden kann, sondern
gleich dem ewigen Juden umherschwanken und sich in frucht-
losen Anstrengungen erschöpfen muß. Darum dürfen wir
Deutsche unser Geschick preisen unter den Nationen Europa's,
wethes uns in unserm Kaiserhause den Schwerpunkt gegeben
hat, dessen Anziehungskraft wirkt gleich der nach dem Mit-
telpunkt der Erde gerichteten Schwerkraft. Sie ist es, die
alle Glieder der Nation fest zusammenhält und der Bewegung
des Ganzen Maß und Haltung verleiht. Nirgends ist die
republikanische Propaganda übler angebracht als in Deutsch-
land. Nicht nur, daß der Deutsche mit seiner Ehrlichkeit
und Treue als Monarchist geboren ist und durch seine ganze
Geschichte diesen Zug bethätigt hat, sondern es geht auch
ein Gefühl durch das ganze Volk, daß die republikanische
Staatsform den Parteihader in Deutschland unendlich ver-
bittern und vertiefen müßte, daß das Bündel Reiser, wel-
ches jetzt so kraftvoll ollen Angriffen widersteht, ohne das
zusammenfassende monarchische Band zerfallen und seinen
Feinden zur leichten Beute werden würde. Dieses Gefühl
ist im Wesentlichen ein richtiges.
Der Weg. die Wohlfahrt der Völker zu fördern, ist
nicht der des Umsturzes, sondern der allmählichen Verbesse-
rung. Selbst wenn eS uns auf diesem Wege zu langsam
geht, wenn Vieles unvollkommener ist, als cs sein könnte,
so müssen wir uns doch sagen, daß die gewaltsame Durch-
Hauung des Knotens, ihre Möglichkeit vorausgesetzt, uns
Uebel bringen würde, neben denen die bestehenden zur Un-
bedeutendheit zusammenschrumpfen. Die herrlichen Erwar-
tungen dagegen gehen nie in Erfüllung und müde, enl-
läuscht und herabgestimmt erachtet man gerne wieder für
einen hohen Besitz, was man vorher übermüthig weggewor-
fen hat.

Deutsches Reich.
— Der Bundesrath wird den neuen Vorschlägen des
Reichseisenbahnamtcs bezüglich der Reform der Eisenbahn-
tarife ans provisorische Zulassung der Tariferhöhung und
Vorbereitung der Reform mittelst einer EnquZte zustimmen.
- Fürst Bismarck ist von seinem Schnnpfenkctarrh
ziemlich befreit und machte am Mittwoch wieder einen Spa-
ziergang.
— Professor Dr. Otto Waltz an der Universität Heidel-
berg hat einen Ruf für das Lehrfach der neueren Geschichte
an die Universität Dorpat erhalten und angenommen.
— Im „Buchener Bolen" wird die Aufhebung deS
Amtes Adelsheim und dessen Einverleibung in das Amt
von Buchen mit einer Bestimiistheit besprochen, welche die
Aufmerksamkeit des „Oclenauer Baten" herausforderte. Dieser
erklärt nun, daß ihm „aus sehr lauterer Quelle" die Mit»

Feuilleton.
IieKaöen.
(Fortsetzung.)
Er war traurig, sie aufgebracht.
„Unglücklicher I" sagte sie. „Du wollstest mich tödten!"
„Dich tödten?" erwiderte er mit vorwurfsvollem Tonch
„ich. Peter Vialat? Dich meine Wohlthäterin? Habt Ihr
nicht gesehen, daß die Kugel zehn Fuß über Euren Köpfen
einschlug? Und noch dazu, gelte ich für den geschicktesten
Schützen der Gemeinde. Nein, ich wollte Dich beschützen;
dieser Elende war so nahe. Ach. Susanne, Susanne, Du
machst uns Allen viel Kummer! jWas den Piennontesen be-
trifft, wenn ich dem allein begegne, so werde ich mit ihm
abrechnen, er wird nicht so billig davon komm.en."
„Und ich," sagte Susanne mit unglaublicher Energie,
„ich verbiete Dir, diesen Menschen anzurührew 1"
„O Unglückliche, Du liebst ihn also?"
„Vielleicht."
„Es ist klar," sagte Peter Vialat nüt tiefer Bestürzung
zu sich, „ihr Wahnsinn hat sich nach jener Seihe gedreht,
das ist schlimmer als alle» Andere."

Darauf wandte er sich zu Susanne:
„Ich bin nicht der Einzige, der sich über das betrübt,
was vorgeht. Du hast Freunde, wahre Freunde; sie haben
mich zu Dir geschickt."
„Was willst Du sagen?"
„Herr von Esterac, seine Schwester und sein Schwager
sind im Forsthause angekommen, sie erwarten Dich. Soll
ich Ihnen sagen, daß Du sie nicht sehen willst? Ah, seitdem
ich Dich so nahe mit Perondi gesehen, muß man auf Alles
gefaßt fein."
„Ich gehe," antwortete sie ohne Zögern. „Geh' voraus!"
Er ging; sie folgte.
12.
Niemals war ein Familienrath trauriger, als die drei
Personen, welche im Forsthause versammelt waren um Susanne
zu erwarten.
Peter Vialak schritt ihr um einige Minuten voran; er
hatte Zeit, Herrn von Esterac einige kuxze Aufschlüsse zu
geben, welcher das Haupt senkte, wie ein Arzt, der an seinem
Kranken verzweifelt.
Susanne trat ein. Nichts in ihren Mienen verrieth
Unruhe, Erniedrigung oder Bedauern. Sie hatte die Stirn

ebenso hoch, den Blick ebenso frei, die Haltung ebenso stolz,
wie ein Jahr vorher, als sie die Volkswuth bekämpfte oder
als sie sich beim Untersuchungsrichter anklagte.
Diese Ruhe, diese Sicherheit nach der Scene, welche
Peter Vialat erzählte, beunruhigten und erschreckten ihre
Freunde. Was konnte man nicht Alles von einer Irren
fürchten, die mit geschloffenen Augen ihrem Verderben ent-
gegen ging?
Frau von Ribiöre nabm das Wort. Ihr Gatte und
ihr Bruder verfolgten die Wirkung ihrer Vorstellungen auf
dem Antlitz Susannens.
„Mein Kind," sagte sie Zärtlich! it und mütterlicher
Autorität, „bist Du fähig, mich zu hören, ist es Dir mög-
lich, mich zu verstehen?"
Das junge Mädchen machte ein versicherndes Zeichen,
und gewiß, man mußte das Vergangene kennen, sonst hätte
man gezweifelt, daß dieses feste Auge, diese ruhige Figur
einen getrübten Geist verbargen.
Frau vyn Ribiöre schien Worte zu suche», vielleicht eine
lange Rede vorzubereiten, aber ihr Herz gab ihr eine bessere
Methode ein. Sie wollte fest auftreten, doch mit bewegter
Stimme sprach sie:
 
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