Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag,
»nd Samstag.
Alle P.stanstalten
Mid Boten nehmen Bei
stellungen an.
chwchiiM Wo
Amlsverkündigungsötalt für den Amts- und AmLsgerichtsöczirk Schwetzingen.
Badische Hopfenzeitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rhein Pfalz.
Expedition, Druck und Verlag der C. W. Moriell'schen Buchdruckerei in Schwetzingen
Bicrtcljäh'.i. Abonnement
Für's Wochcnbl tt 1 Mar
5V Pfennige.
Nnterhaltungsblatt
35 Pfennig?.
Inserate:
die viergespalten- Gor-
mondzcile oder dereaRaum
12 Pfennige.
Ao. 67.
Samstag, 12. Juni 1875.
IX. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein ^ Kogler. Dtudots Moste und H. gk. Danke L ßo., Süddeutsche Knnoncen-Krpediio«
von K. StSckhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie da? ISger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./W-
' Politische Wochenübersicht.
Schwetzingen, 10. Juni 1875.
Am letzten Freitag hielt der Bunde srath unter
dem Vorsitze des Herrn Staatsministers Delbrück im Reichs-
kanzleramte eine Plenarsitzung ab. Nach den einleitenden
Geschäften wurden Resolutionen des Reichstages zum Etat
der Verwaltung des Reichsheeres und zum Gesetz über die
Beurkundung des Personenstandes mitgetheilt und an den
Ausschuß verwiesen. Sodann wurde die nachgcsuchte Er-
mächtigung zum Abschluß einer Vereinbarung mit Oesterreich-
Ungarn wegen der Uebernahme Auszuweisender ertheill. Die
erfolgte Vernehmung Sachverständiger über den Schutz von
Kunstwerken und Muster gegen Nachbildung hat ein so reiches
Material geliefert, daß die Vereinbarung desselben zu einer
gesetzlichen Regelung der Frage nunmehr erfolgen soll. Das
Reichskanzler-Amt ist mit Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs
betraut, doch ist cS fraglich, ob derselbe bereits an den nächsten
Reichstag gelangen wird. Weiterhin erfolgte Mitteilung
über die Beschwerde des Kaufmanns Noblae zu Paris über
Doppelbesteuerung. Zu sehr umfangreichen Debatten führten
die Ausführungsbestimmungen des Gesetzes über die Na»>,.
rallcistungen für die bewaffnete Macht im Frieden. Es ist
eine Einigung über die von den Ausschüssen vorgeschlagenen
Sätze für Fuhren und Vorspann nicht erfolgt, und die Sache
muß neuen Erwägungen unterzogen werden, so daß die
Aussichten auf Vertagung wieder etwas mehr in die Ferne
gerückt sind. Hierauf werden noch die Ausschußanträge betr.
die Vorschriften über die Prüfung der Aerzte, Thierärzte
:c. und die Untersuchung betr. das Fahrwasser der Weser
erledigt. Mündliche Ausschußbcrichte erfolgten über den Antrag
des Großherzogthums Sachsen betreffend die Verminderung
der Matrikularbeiträge durch Erhöhung beziehungsweise Neu-
einführung von Reichsstenern; über eine Petition wegen Ver-
zollung von Zwieback, über die ZollpfUchtigkeit der mit Mi-
neralwasser gefüllten Siphons und über die Jahrbücher der
Zollgesetzgebung. Endlich sollten mündliche Berichte erfolgen
über die Anträge betreffend die Asnderung der Wechselstem-
pelsteuer und die anderweite Feststellung der Matrikularbe-
völkerungsziffer wegen des Communionharzes und des Ritter-
gutes Wolde. Die Bundesrathsarbeiten werden in längstens
einer Woche vertagt werden können ; sie sollen jedoch möglichst
früh im nächsten September wieder ausgenommen werden.
Das bevorstehende preußische Klostergesetz hat
bekanntlich bereits viele Scheinverkäufe klösterlicher Genossen-
schaften veranlaßt. Dem ist nun aber, der „Voss. Ztg.'
zufolge, ein Riegel vorgeschoben, indem ein allgemeiner preu-
tzischer Regierungserlah darauf aufmerksam macht, daß zur
Veräußerung von kirchlichem — evangelischem wie katholischem
— Immobiliarbesitz in aller Füllen die Staalsgenehmigung
erforderlich ist, weiche zunächst bei der betreffenden Staats-
behörde in Antrag zu bringen ist. Es gilt dies insbesondere
auch von dem Grundbesitze des Pfarroermögens, der geistlichen
Gesellschaften, Stifte, Klöster, Orden und der milden Stif-
tungen.
Zwischen Berlin und Wien entwickelt sich gegen-
wärtig ein Austausch publicistischcr Komplimente, der jeden-
falls den Rahmen konventioneller Formen überragt, und
darum nach seiner politischen Seite hin schwer ins Gewicht
fällt. Parallel mit diesen publicistischen Aufmerksamkeiten
laufen andere die Hoskreise betreffende Meldungen, welche die
intimen Beziehungen zwischen den beiden Höfen in nachdrück-
lichster Weise illustriren und als werthvolle politische Symp-
tome betrachtet werden können. In dieser Richtung verdient
die Meldung, daß Erzherzog Albrecht, dessen maßgebende
Stellung als bekannt vorausgesetzt werden darf, auf sei.em
bevorstehenden Ausflüge nach Trouville die Gelegenheit be-
nützen wird um dem Deutschen Kaiserpaar und dem Kaiser
Alexander in ihren Sommersitzen in Deutschland Besuche zu
machen, vollste Beachtung, nicht minder als die nun in po-
sitiver Form vorlie ende weitere Nachricht, die den Besuch
des Erzherzogs Albrecht, der bekanntlich Armee-Inspektor ist,
bei den großen preußischen Herbstmanövern in Aussicht stellt.
Im Vorjahr hat der genannte Prinz den großen Manövern
in den Lagern bei Warschau und Zarskoje-Selo beigswohnt,
und Heuer wird er Gelegenheit finden, dem gleichen militä-
rischen Schauspiel auf preußischen Boden beizuwohnm. Diele
einzelnen Thatsachen bedürfen keines politischen Kommentars:
sie sprechen jede für sich eine deutliche Sprache und illustriren
von einem andern Standpunkt die Dreikaiserpolitik vielleicht
noch deutlicher, als dies die Erscheinungen auf dem Gebiete
der diplomatischen Strategie bisher vermochten.
Das Organ des Kardinals Rausche r, der Wiener
„V o l k s f r e u nd", betreibt gegenwärtig die lebhafteste
Agitation, um die von seinem Herrn angestrebte „katholische
Reichspartei" in Oesterreich ins Leben zu rufen. Dar-
nach sei eS Pflicht der Katholiken, in erster Reihe und unter
Umständen einzig und allein die Sorge für den Glauben,
das Einstehen für die Sache der Kirche zu kulriviren.
Deßhalb müßten sich alle Katholiken Oesterreichs, ob slav'.sch
oder deutsch, ob ruthenisch oder wälsch, ob föderalistisch oder
zentralistisch, zusammenfinden und sich einigen, natürlich nicht
für ein starkes und mächtige? Oesterreich, sondern zu Nutz
und Frommen des unfehlbaren Papstthums Die so ge-
einigten Ultramontauen sollen daun in voller Stärke auf
dem Kampfplatz des Reichsrathes erscheinen und dort alles
aufbieten, um auf kirchlichen, Gebiete die verlorene Position
wiederzugewinnen, d. h. die Segnungen des Konkordats
Oesterreich wieder zuzwenden. Das Ding geht indessen nicht
so leicht, als sich der „Volksfreund" vorstellt; denn die Ul-
tramontanen Oesterreichs sind theils zu sehr partikularistisch
festgerann!, als daß sie sich zu einer Reichspartei organi-
siren ließen, theils trauen sie auch dem Kardinal Rauscher
und seinem „Volksfreund" nichl, weil diese die verrücktesten
Einfälle der wundersüchtigsten Rappelköpfe »ich! miimachen
und deßhalb für „liberal angekränkelt" gelten. So wird
denn auch jetzt bereits das Projekt des „Volksfreund" von
dieser Seite kräftig angefeindet und von den „Neuen Tyroler
Stimmen" demselben den Borwurf gemacht, daß seine Pa-
trone in Wirklichkeit mit dem liberalen Minister des Innern,
Frhrn. v. Lasser, Hand in Hand gehen wollten; da-Wörtchen
„katholisch" diene dabei nur als eine Lockspeise, aber es sei
dies ein Katholizismus, mit dem man direkt zur Hölle fahre.
Im italienischen Parlament haben die nun-
mehr begonnenen Verhandlungen über das Sicherheits-
gesetz wieder einiges Leben hervorgerufen und die sonst
verödeten Bänke waren einmal wieder zahlreich besetzt. Das
Gesetz hat die Mehrheit der bezüglichen Kommission gegen
sich, weil diese die von der Regierung gefordert«», Befug-
nisse für zu ausgedehnt erachtet. Mittelst dieser Befugnisse,
welche außerordentliche Maßregeln für die öffentliche Sicher-
heit in Sizilien betreffen, läge es in der Hand der Regie-
rung, die Thäiigkeit der ordentlichen Gerichte einzustellen,
alle Verdächtigen nach Belieben der politischen Behörden zu
verhaften und die Rede- und Preßfreiheit in die engsten
Schranken zu bannen. Dis Zustände auf der Insel sind
allerdings so trostlos wie möglich und die Autorität des Ge-
setzes ist zum Gespötte herabgesunken; allein von der Oppo-
sition wird daran erinnert, daß auch die Regierung einen
großen Theil der Schuld daran trägt. Habe man doch die
alten Krebsschäden des Landes ohne Gegenmittel seit Jahren
überhand nehmen lassen, das Land mit stets vsrmehrien
Steuern ausgesogen, ihm zuletzt noch das Tabaksmonopel
aufgebürdet, anstatt eS durch eine Förderung des Tabaks-
baues zu bereichern und den Voksunterricht gänzlich darnieder
liegen lassen.
Aus Warschau wird der „Ostsee-Zeitung" geschrie-
ben: Die uliramontane Parte, hat die Hoffnung, die zur
orthodoxen Kirche übergetretenen unirten Gemeinden ihrem
neuen Glauben wieder abwendig zu machen, noch keineswegs
aufgegeben. Sie hat zur Aufregung und Verwirrung dieser
Gemeinden neuerdings in Podlachien in alter Form eine
„Mutter-GotteS-Erscheinnng" in Scene gesetzt, welche ein
dreizehnjähriges Bauernmädchen in dem DorfeJablon gehabt
Fkuillklon.
Aorenöerg.
Erzählung von
Adolph Stre»f«ß.
I.
DaS rege, bewegte Leben der Residenz macht auf den
Provinzialen, der zum ersten Male das Pflaster einer größe-
ren Stadt betritt, meistens einen weit gewaltigeren Eindruck,
als die viel berühmten Wunderwerke, welche Wissenschaft
Kunst und Fleiß in dem geistigen Mittelpunkt des großen
Landes aufgehäuft haben.
Dieser Zusammenfluß vieler Tausende, das nebenein-
ander Vorüberwogcn der Massen, in dem die Individualität
des Einzelnen fast verschwindet, giebt dem Fremdling meist
ein Gefühl des ^Alleinseins inmitten der Tausende, der Ver-
lassenheit, welches ihn fast überwältigt, und ihm stets un-
vergeßlich bleibt, auch wenn er sich längst eingebürgert hat
in der Weltstadt. —
Ein ähnliches Gefühl ergriff auch einen jungen Mann,
der an einem schönen Sommerabend durch das Portal des
prächtigen Säulenkhores in die Hanpistad! schritt. Er stand
am Zielpunkt einer langen Wanderung, die er mü frischem,
keckem Muthe angetreten hatte; als er sich aber jetzt das
leichte Ränzel zurecht gerückt, die Stiefel abgestäubt und das
unter dem Studentenmützchen etwas wirr hervorquellende
lockige Haar ein wenig geordnet hatte und dann seinen Weg
weiter fortsetzte, war ihm doch bei weitem nicht so wohl zn
Muthe, als er längst vorher gehofft.
Mit welcher Sehnsucht hatte er dem Augenblick cni-
gegengeschaut, der ihm die Erfüllung seiner heißesten Wünsche
bringen sollte! — Der Name der Hauptstadt halte für ihn
einen zauberischen Klang gehatn ; die Hoffnung, in derselben
seine Studien zu vollenden, war ihm der größte Ansporn
zum Fleiß auf dem Provinzial-Eymnasiuin gewesen. End-
war das Abilurienten-Examen glücklich überstanden »nd nach
einem kurzen Ferienausenchal! beim Vater, der als Prediger
in einem entlegenen Dosse wohnte, kam Karl Heldreich jetzt
nach der Residenz, um auf der berühmten Universität zu
studircn und zugleich wahrend der Studienzeit sich die Mittel
für dieselbe zu erwerben.
Sein liebster, seit Jahren gehegter Wunsch wsr erfüllt
und dennoch kounic er »er Erfüllung nicht recht froh werden.
Die rosigen Hoffnungen, mit denen er noch vor wenigen
Stunden an den Augenblick des Einwanderns in die Haupt-
stadt gedacht hatte, versanken in dem Gefühl des Alleinseins
unter den Tausenden, die unbekümmert um den Fremden
vorüberzogen, ohne ihn im geringsten zn beachten; — jetzt
fühlte er zum ersten Male einen Zweifel an seiner Jugend-
i kraft, eine Sorge darüber, ob es ihm, dem Unbekannten,
! der ohne irgend eine Empfehlung eintrat in das Chaos der
! Weltstadt, möglich sein werde, sich in derselben eine Existenz
! zu schaffen Ein Frösteln, eine Beängstigung überlam ihn,
. wie er dieselbe nie gefühlt; aber nicht lange ließ er sich
, durch so ungewohnte Empfindungen beirren, er lächelte selbst
! über seine Kleinmülhigkeii, — und wanderie schnellen Schrit-
! tes in die Stadt hinein.
: Bor ihm lag die ihm glänzenden Lichte vieler Tausend
^ Gasflammen strahlende Hauplstraße, durch deren Baumreihcn
! sich ein Strom von Spaziergängern drängte. — I? weiter
! Heldreich vorwärts schritt, je mehr befreite er sich von dem
Druck, den der erste Augenblick auf ihn ausgeübt hatte. —
Sein frischer, kecker Sinn hob ihn schnell über die beängsti-
genden Zweifel und balü genug schaute er forschend und
neugierig um sich, alle die neuen Eindrücke begierig in sich
ausnehmend. — Er hatte die nm ihn her wogende Men-
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag,
»nd Samstag.
Alle P.stanstalten
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Badische Hopfenzeitung.
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Samstag, 12. Juni 1875.
IX. Jahrgang.
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Schwetzingen, 10. Juni 1875.
Am letzten Freitag hielt der Bunde srath unter
dem Vorsitze des Herrn Staatsministers Delbrück im Reichs-
kanzleramte eine Plenarsitzung ab. Nach den einleitenden
Geschäften wurden Resolutionen des Reichstages zum Etat
der Verwaltung des Reichsheeres und zum Gesetz über die
Beurkundung des Personenstandes mitgetheilt und an den
Ausschuß verwiesen. Sodann wurde die nachgcsuchte Er-
mächtigung zum Abschluß einer Vereinbarung mit Oesterreich-
Ungarn wegen der Uebernahme Auszuweisender ertheill. Die
erfolgte Vernehmung Sachverständiger über den Schutz von
Kunstwerken und Muster gegen Nachbildung hat ein so reiches
Material geliefert, daß die Vereinbarung desselben zu einer
gesetzlichen Regelung der Frage nunmehr erfolgen soll. Das
Reichskanzler-Amt ist mit Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs
betraut, doch ist cS fraglich, ob derselbe bereits an den nächsten
Reichstag gelangen wird. Weiterhin erfolgte Mitteilung
über die Beschwerde des Kaufmanns Noblae zu Paris über
Doppelbesteuerung. Zu sehr umfangreichen Debatten führten
die Ausführungsbestimmungen des Gesetzes über die Na»>,.
rallcistungen für die bewaffnete Macht im Frieden. Es ist
eine Einigung über die von den Ausschüssen vorgeschlagenen
Sätze für Fuhren und Vorspann nicht erfolgt, und die Sache
muß neuen Erwägungen unterzogen werden, so daß die
Aussichten auf Vertagung wieder etwas mehr in die Ferne
gerückt sind. Hierauf werden noch die Ausschußanträge betr.
die Vorschriften über die Prüfung der Aerzte, Thierärzte
:c. und die Untersuchung betr. das Fahrwasser der Weser
erledigt. Mündliche Ausschußbcrichte erfolgten über den Antrag
des Großherzogthums Sachsen betreffend die Verminderung
der Matrikularbeiträge durch Erhöhung beziehungsweise Neu-
einführung von Reichsstenern; über eine Petition wegen Ver-
zollung von Zwieback, über die ZollpfUchtigkeit der mit Mi-
neralwasser gefüllten Siphons und über die Jahrbücher der
Zollgesetzgebung. Endlich sollten mündliche Berichte erfolgen
über die Anträge betreffend die Asnderung der Wechselstem-
pelsteuer und die anderweite Feststellung der Matrikularbe-
völkerungsziffer wegen des Communionharzes und des Ritter-
gutes Wolde. Die Bundesrathsarbeiten werden in längstens
einer Woche vertagt werden können ; sie sollen jedoch möglichst
früh im nächsten September wieder ausgenommen werden.
Das bevorstehende preußische Klostergesetz hat
bekanntlich bereits viele Scheinverkäufe klösterlicher Genossen-
schaften veranlaßt. Dem ist nun aber, der „Voss. Ztg.'
zufolge, ein Riegel vorgeschoben, indem ein allgemeiner preu-
tzischer Regierungserlah darauf aufmerksam macht, daß zur
Veräußerung von kirchlichem — evangelischem wie katholischem
— Immobiliarbesitz in aller Füllen die Staalsgenehmigung
erforderlich ist, weiche zunächst bei der betreffenden Staats-
behörde in Antrag zu bringen ist. Es gilt dies insbesondere
auch von dem Grundbesitze des Pfarroermögens, der geistlichen
Gesellschaften, Stifte, Klöster, Orden und der milden Stif-
tungen.
Zwischen Berlin und Wien entwickelt sich gegen-
wärtig ein Austausch publicistischcr Komplimente, der jeden-
falls den Rahmen konventioneller Formen überragt, und
darum nach seiner politischen Seite hin schwer ins Gewicht
fällt. Parallel mit diesen publicistischen Aufmerksamkeiten
laufen andere die Hoskreise betreffende Meldungen, welche die
intimen Beziehungen zwischen den beiden Höfen in nachdrück-
lichster Weise illustriren und als werthvolle politische Symp-
tome betrachtet werden können. In dieser Richtung verdient
die Meldung, daß Erzherzog Albrecht, dessen maßgebende
Stellung als bekannt vorausgesetzt werden darf, auf sei.em
bevorstehenden Ausflüge nach Trouville die Gelegenheit be-
nützen wird um dem Deutschen Kaiserpaar und dem Kaiser
Alexander in ihren Sommersitzen in Deutschland Besuche zu
machen, vollste Beachtung, nicht minder als die nun in po-
sitiver Form vorlie ende weitere Nachricht, die den Besuch
des Erzherzogs Albrecht, der bekanntlich Armee-Inspektor ist,
bei den großen preußischen Herbstmanövern in Aussicht stellt.
Im Vorjahr hat der genannte Prinz den großen Manövern
in den Lagern bei Warschau und Zarskoje-Selo beigswohnt,
und Heuer wird er Gelegenheit finden, dem gleichen militä-
rischen Schauspiel auf preußischen Boden beizuwohnm. Diele
einzelnen Thatsachen bedürfen keines politischen Kommentars:
sie sprechen jede für sich eine deutliche Sprache und illustriren
von einem andern Standpunkt die Dreikaiserpolitik vielleicht
noch deutlicher, als dies die Erscheinungen auf dem Gebiete
der diplomatischen Strategie bisher vermochten.
Das Organ des Kardinals Rausche r, der Wiener
„V o l k s f r e u nd", betreibt gegenwärtig die lebhafteste
Agitation, um die von seinem Herrn angestrebte „katholische
Reichspartei" in Oesterreich ins Leben zu rufen. Dar-
nach sei eS Pflicht der Katholiken, in erster Reihe und unter
Umständen einzig und allein die Sorge für den Glauben,
das Einstehen für die Sache der Kirche zu kulriviren.
Deßhalb müßten sich alle Katholiken Oesterreichs, ob slav'.sch
oder deutsch, ob ruthenisch oder wälsch, ob föderalistisch oder
zentralistisch, zusammenfinden und sich einigen, natürlich nicht
für ein starkes und mächtige? Oesterreich, sondern zu Nutz
und Frommen des unfehlbaren Papstthums Die so ge-
einigten Ultramontauen sollen daun in voller Stärke auf
dem Kampfplatz des Reichsrathes erscheinen und dort alles
aufbieten, um auf kirchlichen, Gebiete die verlorene Position
wiederzugewinnen, d. h. die Segnungen des Konkordats
Oesterreich wieder zuzwenden. Das Ding geht indessen nicht
so leicht, als sich der „Volksfreund" vorstellt; denn die Ul-
tramontanen Oesterreichs sind theils zu sehr partikularistisch
festgerann!, als daß sie sich zu einer Reichspartei organi-
siren ließen, theils trauen sie auch dem Kardinal Rauscher
und seinem „Volksfreund" nichl, weil diese die verrücktesten
Einfälle der wundersüchtigsten Rappelköpfe »ich! miimachen
und deßhalb für „liberal angekränkelt" gelten. So wird
denn auch jetzt bereits das Projekt des „Volksfreund" von
dieser Seite kräftig angefeindet und von den „Neuen Tyroler
Stimmen" demselben den Borwurf gemacht, daß seine Pa-
trone in Wirklichkeit mit dem liberalen Minister des Innern,
Frhrn. v. Lasser, Hand in Hand gehen wollten; da-Wörtchen
„katholisch" diene dabei nur als eine Lockspeise, aber es sei
dies ein Katholizismus, mit dem man direkt zur Hölle fahre.
Im italienischen Parlament haben die nun-
mehr begonnenen Verhandlungen über das Sicherheits-
gesetz wieder einiges Leben hervorgerufen und die sonst
verödeten Bänke waren einmal wieder zahlreich besetzt. Das
Gesetz hat die Mehrheit der bezüglichen Kommission gegen
sich, weil diese die von der Regierung gefordert«», Befug-
nisse für zu ausgedehnt erachtet. Mittelst dieser Befugnisse,
welche außerordentliche Maßregeln für die öffentliche Sicher-
heit in Sizilien betreffen, läge es in der Hand der Regie-
rung, die Thäiigkeit der ordentlichen Gerichte einzustellen,
alle Verdächtigen nach Belieben der politischen Behörden zu
verhaften und die Rede- und Preßfreiheit in die engsten
Schranken zu bannen. Dis Zustände auf der Insel sind
allerdings so trostlos wie möglich und die Autorität des Ge-
setzes ist zum Gespötte herabgesunken; allein von der Oppo-
sition wird daran erinnert, daß auch die Regierung einen
großen Theil der Schuld daran trägt. Habe man doch die
alten Krebsschäden des Landes ohne Gegenmittel seit Jahren
überhand nehmen lassen, das Land mit stets vsrmehrien
Steuern ausgesogen, ihm zuletzt noch das Tabaksmonopel
aufgebürdet, anstatt eS durch eine Förderung des Tabaks-
baues zu bereichern und den Voksunterricht gänzlich darnieder
liegen lassen.
Aus Warschau wird der „Ostsee-Zeitung" geschrie-
ben: Die uliramontane Parte, hat die Hoffnung, die zur
orthodoxen Kirche übergetretenen unirten Gemeinden ihrem
neuen Glauben wieder abwendig zu machen, noch keineswegs
aufgegeben. Sie hat zur Aufregung und Verwirrung dieser
Gemeinden neuerdings in Podlachien in alter Form eine
„Mutter-GotteS-Erscheinnng" in Scene gesetzt, welche ein
dreizehnjähriges Bauernmädchen in dem DorfeJablon gehabt
Fkuillklon.
Aorenöerg.
Erzählung von
Adolph Stre»f«ß.
I.
DaS rege, bewegte Leben der Residenz macht auf den
Provinzialen, der zum ersten Male das Pflaster einer größe-
ren Stadt betritt, meistens einen weit gewaltigeren Eindruck,
als die viel berühmten Wunderwerke, welche Wissenschaft
Kunst und Fleiß in dem geistigen Mittelpunkt des großen
Landes aufgehäuft haben.
Dieser Zusammenfluß vieler Tausende, das nebenein-
ander Vorüberwogcn der Massen, in dem die Individualität
des Einzelnen fast verschwindet, giebt dem Fremdling meist
ein Gefühl des ^Alleinseins inmitten der Tausende, der Ver-
lassenheit, welches ihn fast überwältigt, und ihm stets un-
vergeßlich bleibt, auch wenn er sich längst eingebürgert hat
in der Weltstadt. —
Ein ähnliches Gefühl ergriff auch einen jungen Mann,
der an einem schönen Sommerabend durch das Portal des
prächtigen Säulenkhores in die Hanpistad! schritt. Er stand
am Zielpunkt einer langen Wanderung, die er mü frischem,
keckem Muthe angetreten hatte; als er sich aber jetzt das
leichte Ränzel zurecht gerückt, die Stiefel abgestäubt und das
unter dem Studentenmützchen etwas wirr hervorquellende
lockige Haar ein wenig geordnet hatte und dann seinen Weg
weiter fortsetzte, war ihm doch bei weitem nicht so wohl zn
Muthe, als er längst vorher gehofft.
Mit welcher Sehnsucht hatte er dem Augenblick cni-
gegengeschaut, der ihm die Erfüllung seiner heißesten Wünsche
bringen sollte! — Der Name der Hauptstadt halte für ihn
einen zauberischen Klang gehatn ; die Hoffnung, in derselben
seine Studien zu vollenden, war ihm der größte Ansporn
zum Fleiß auf dem Provinzial-Eymnasiuin gewesen. End-
war das Abilurienten-Examen glücklich überstanden »nd nach
einem kurzen Ferienausenchal! beim Vater, der als Prediger
in einem entlegenen Dosse wohnte, kam Karl Heldreich jetzt
nach der Residenz, um auf der berühmten Universität zu
studircn und zugleich wahrend der Studienzeit sich die Mittel
für dieselbe zu erwerben.
Sein liebster, seit Jahren gehegter Wunsch wsr erfüllt
und dennoch kounic er »er Erfüllung nicht recht froh werden.
Die rosigen Hoffnungen, mit denen er noch vor wenigen
Stunden an den Augenblick des Einwanderns in die Haupt-
stadt gedacht hatte, versanken in dem Gefühl des Alleinseins
unter den Tausenden, die unbekümmert um den Fremden
vorüberzogen, ohne ihn im geringsten zn beachten; — jetzt
fühlte er zum ersten Male einen Zweifel an seiner Jugend-
i kraft, eine Sorge darüber, ob es ihm, dem Unbekannten,
! der ohne irgend eine Empfehlung eintrat in das Chaos der
! Weltstadt, möglich sein werde, sich in derselben eine Existenz
! zu schaffen Ein Frösteln, eine Beängstigung überlam ihn,
. wie er dieselbe nie gefühlt; aber nicht lange ließ er sich
, durch so ungewohnte Empfindungen beirren, er lächelte selbst
! über seine Kleinmülhigkeii, — und wanderie schnellen Schrit-
! tes in die Stadt hinein.
: Bor ihm lag die ihm glänzenden Lichte vieler Tausend
^ Gasflammen strahlende Hauplstraße, durch deren Baumreihcn
! sich ein Strom von Spaziergängern drängte. — I? weiter
! Heldreich vorwärts schritt, je mehr befreite er sich von dem
Druck, den der erste Augenblick auf ihn ausgeübt hatte. —
Sein frischer, kecker Sinn hob ihn schnell über die beängsti-
genden Zweifel und balü genug schaute er forschend und
neugierig um sich, alle die neuen Eindrücke begierig in sich
ausnehmend. — Er hatte die nm ihn her wogende Men-