Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (9) — 1875

DOI Kapitel:
März (No. 25 - 36)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41571#0115
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag,
»n'o Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen Be
stellungen an.



Mngtr


AmlsverkündigungsSkalt jür den Amis- und ArnisgerichisöczirK Schwetzingen.
adische Hopsenzeitung.


Vierteljiihrl. Abonnement'.
Für's Wochenbl tt 1 Mark
50 Pfennige.
UnterhaltungSblatt
35 Pfennige.
Inserate:
die »iergespaltene Gar»
mondzcile oder deren Raum
18 Pfennig«.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Ryeinpsalz.
Expedition, Druck und Verlag der L. W. Moriell 'schen Buchdruckerei in Schwetzingen

No. 29.

Donnerstag, 11. März 1875.

IX. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasen stein L Mogser, Rudolf Moste und H. F. JauSe L Ho., Küddeutfch« Aunouceu-Krptdii««
von H. StöÄhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ASger'schc Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M

Deutsches Reich.
— Gleichzeitig mit dem Verbot der Pferdeausfuhr
veröffentlicht der „Staats-Anzeiger" auch das Verbot
der Einfuhr von Kartoffeln aus Amerika,
wodurch die Einschleppung des Coloradokäfers verhütet wer-
den soll. Der Wortlaut des Verbots entspricht übrigens
nicht ganz dem ursprünglichen Anträge an den Pundesrath,
insofern der SchiffSproviant, wenn er ans dem Schiffe bleibt,
von dem Verbote nicht betroffen wird.
— Der Kaiser hat dem Präsidenten Delbrück ein
kostbares Hochzeitsgeschenk übersenden lassen.
— Der „Reichs-Anzeiger" veröffentlicht eine B e-
kantmachung des Reichskanzler-Amts, nach welcher die
Mittheilung, der Präsident des Bundesraths, resp. Reichs-
kanzler-Amts sei durch die Bundesregierungen ermächtigt,
Realschülern, welche das Maturitätszeugniß besitzen, die Be-
rechtigung zum Studium der Medicin und die Meldung zu
den medicinischen Prüfungen und der demnächstlgen Nieder-
lassung in allen deutschen Staaten zu erthetlen, jeder that-
sächlichen Begründung entbehrt.
* Schwetzingen, 9. März. Noch immer rumort der
Prozeß des Judustritlers Ofenheim vom Pout-Euxin in
Wien und ganz Oestreich, ja weit über dessen Grenzen hin-
aus. Die unerwartete Freisprechung wurde von der Menge
im Saal mit Beifallsbezeugungen begrüßt, welche der neue
Präsident nicht genug rügen konnte; die Rufe setzten sich
auf der Slraße fort, und selbst viele Blätter, voran die
„Neue freie Presse", feierten diese Volksjustiz und Rettung
des industriellen Aufschwungs Oestreichs; der Minister Ban-
Hans aber, der erste Präsident des Schwurgerichts v. Wid-
mann, der Präsident des Oberlandesgericht v. Hain, der
jenen in einem Privatschreiben maßregelte, das aber nickt
herausgegeben wird, ja der siegreiche Verthcigigcr vr. Neuda,
der wegen der Behandlung drs Ministers Banhans zur
Verantwortung gezogen werden soll, und der Ritter selbst,
von dem cs heißt, daß er trotz der Freisprechung Oestreich
verlosten wolle — sie leiden alle noch von der Geschichte, i
Was sind das für Räthsel? Die besonnensten Stimmen !
sagen, daß trotz der Freisprechung das Gründerwesen durch
die Enthüllungen dieses Prozesses moralisch gerichtet sei, und
sollte die Freisprechung vielleicht erfolgt sein, weil eS sonst
noch, selbst in der Regierung, viele Schuldige gibt und män
nicht einen allein zum Sündenbock machen wollte?
Auch in der Petitionskommission des preußischen Abgeord-
netenhauses gab es neulich wieder Verhandlungen bezüglich
des stecken gebliebenen Gründerunternchmens der Berliner-
Nordbahn; die Kommission verhielt sich aber sehr kühl. —

Feuilleton.

Z>ie Lieöe kennt keine Grenze.
Novelle von. W. M.
1 Fm Höllengrunde.
„Steh', Schwätzer, oder ich schieß'!" rief der herzog-
liche Förster, der eben ungefähr zwanzig Schritte vor ihm
aufgetauchten herkulischen Gestalt zu.
Die sich nur in ihren Umrissen markirende Petson schien
betroffen stehen zu bleiben. Aber nür einen Moment. Ein
Blitz, ein Krach und das Geräusch einer neben dem Förster
in den Baum einschlagenden Kugel war die Antwort des
Anrerufenen.
Der Förster riß jetzt, wüthcnd über das Vorgehen des
berüchtigten und verwegenen Wilddiebes, ebenfalls sein Jagd-
gewehr in die Höhe und jagt» die Kugel nach der Stelle,
von der aus das tödtliche Blei nach ihm gesandt worden ivar.
Mit dein Echo des zweiten Schusses mischte sich das
Dröhnen einer nur wenige Sekunden später abgegebenen
Ladung. Der Lichtblitz war aber von der Seile gekommen
und hatte dem Förster die Ucberzeugüng beigebracht, daß der
Schütze, oder richtiger gesagt, der Genosse des Wilddiebs ein

In Frankreich läßt das neue Ministerium immer noch auf
sich warten, in Ungarn wird es bereits von den Studenten
gefeiert. — Die „Nordd. Allg Ztg.", in Entgegnung auf
einen Jubelariskel der „Germania" über die jüngste Leistung
Roms, nimmt die Mutel und Wege in Betracht, die Preußen
gegen die römische Wühlerei zu Gebote stehen, und findet
darunter: Aufhebung der von Rom mißbrauchten Verträge:
Einziehung der nichtstaailichen Fonds, die allenfalls für rö-
mische Krieg-zwecke mißbraucht werden sollten; Wiederein-
führung des Placet und der Bestimmung, daß die Bischöfe
nur durch die Hand des Ministeriums mit Rom verkehren
dürfen; Einführung eines Supremateides, auf den auch
die Engländer zurückkommen'; endlich — als das Wichtigste
— Hebung der Volksbildung, welche das Köuigthum er-
tragen könne, nicht aber das Popstlhum.
* Schwetzingen, 9. März. Der ullramontane
Patrotismus erreicht seinen Höhepunkt in folgender
Auslastung des „Bayer. Vaterland" anläßlich des Pferde-
ausfuhrverbotes, dessen telegraphische Ankündigung von ihm
als „unverschämter Schwindel auf Kosten Frankreichs" be-
zeichnet wirv: „Daß der Tanz Heuer sicher losgeht," schreibt
Sigl, „daran glauben schon bald die ungläubigsten Tho-
mas- und in Berlin ist Alles davon überzeugt. Mau hat
nur noch keinen passenden Kriegsvorwand und keine „natio-
nale" Phrase für den liberalen deutschen Spieß gefunden,
sonst wären wohl jetz! schon — wer weiß wie viele Tau-
sende für — man weiß schon wofür! — todt und zu
Krüppeln geschossen." So beschimpfen die Leute ihr eigenes
Vaterland und ihre Mitbürger, die fortwährend versichern,
sie seien keine Rebellen und wie znm Hohn ihrer Presse die
Namen „Vaterland", „Germania", „Rcichszeitung" u. sw.
beilegen.
* Schwetzingen, 9. März. Der scheinbare Gleich-
muts), welchen die ultramontancn Blätter gegenüber dem
neuesten Gesetzentwurf an den Tag legen, steift sich auf
durchaus sophistische Gründe. Nicht der pecuniäre Verlust,
welchen die römische Kirche durch den Wegfall der staatlichen
Dotaiiön erleidet — derselbe beläuft sich auf nicht ganz 3
Millionen Mark — ist das Wichtigste, denn ohne die wei-
teren in Aussicht gestellten Schritte würde dieser Ausfall
wohl eine Zeit lang getragen werden können. Die eigent-
liche Tragweite des Gesetzentwurfs liegt, wie wir schon her-
vorgehoben, darin, daß er den ersten Schritt thut zur Auf-
hebung des zwischen dem preußischen Staate und der katho-
lischen Kirche bisher in Geltung gewesenen Vertragsverhätt-
nisses. Längst hätte der Staat, Angesichts oer grundsätz-
lichen Mißachtung seiner Gesetze durch den Klerus, das
Recht zu diesem Schritte gehabt, er hat ihn langmüthig

hinausgeschoben, bis die Bulle vom 5. Febr., die rückhalt-
loseste Kriegserklärung, welche in der neueren Zeit jemals
einem Staate von der römischen Curie entgegengeschleudert
worden, ihm keine Wahl mehr ließ.
— Die letzte Mannheimer Strafkammersitzung
beschäftigte sich mit einem Falle, in welchem ein 13 Jahre
altes Mädchen aus Ziegelhausen durch seine Mutter syste»
malisch zu Gelddiebstähleu bei einem Bäcker daselbst ange-
halten wurde und nach und nach etwa 100 fl. entwendete.
Die jugendliche Diebin erhielt eine Gefängnißstrafe von
zwei Monaten, die Mutter aber, welche zu dem schnöden
Handwerk- verleitet hatte, eine Gefängnißstrafe von sechs
Monaten.
— In Karlsruhe macht die Verhaftung eines
Eisenbahnbeamten großes Aufsehen. Derselbe steht
im Verdacht, Parthien Holz und Schwellen veruntreut zu
haben. Die Untersuchung ist bereits im Gange.
— Der am 4. d. stattgefundcne Wein mar kt in
Bühl war im Ganzen sehr reich auSgestattet; eS waren
Weine ans verschiedenen Gegenden des Landes in 104
Nummern vertreten. Die ziemlich hochgehaltenen Preise
(36—75 Mark per Hektoliter für weißen Wein und 70
bis 105 Mark für Rothwcin) hielten die Kauflust im Gan-
zen darnieder. Die Zahl der auswärtigen Besucher steht
hinter der der früheren Weinmärktc zurück, waS wohl auch
davon herrühren mag, daß die meisten Konsumenten und
besonders die Wirthe schon im Spätjahr ihr Bedürfniß ge-
deckt haben.
— Am 1. März wurde in Kadelburg A. WaldS-
hut in der Nähe der Grenzaufseher-Hütte der Leichnam
eines jungen, kräftigen, hübschen Mädchens von Küßnacht
geländet, das am letzten Sonntag Abend unter dem Dor-
geben, nach Grießen zum Arzt zu gehen, sich im Rhein
ertränkte. Die Ursache soll rin Liebesverhältniß der Ver-
storbenen mit einem jungen Mann aus Küßnacht sein, das
die Eltern, nicht unbemittelte Landleute, mißbilligten. Der
Bräutigam sowohl, als die Eltern erschienen am Grabe der
Unglücklichen. Der Eindruck, den dieser entsetzliche Fall
namentlich aus die Eltern hervorbrachte, die ihre einzige
Tochter verloren läßt sich denken. Elfterer war früher Sol-
dat und soll ein thätiger Landmann sein und Letztere, Namens
Scheuble hake den Ruf braver, fleißiger Leute.
Stratzburg, 8 März. Die „Straßburger Zeitung"
meldet: Der bisherige Beznkspräsiücnt des Unteretsaß, Ernst-
hausen, ist zum Bezirkspräsidenten des Obecelsaffes und
Vwepräsident Lcdderhose zum Bezirksprästocuten des Unter-
etsasses ernannt worden. Ledderhose bleibt Universitäiscu-
rator: die Bicepräsiüentenstelle bei'm Oberpräsidium kommt

im Gebrauch der Feuerwaffe Geübter sein mußte, denn die
Kügel, augenscheinlich für seinen Kop> bestimmt, hatte ihm
die steife Jägermütze und möglicher Weise auch einige Haare
vom Kopfe gerissen, wie er aus dem stechenden Schmerze am
Obcrkopfe vermuthen mußte.
„Steht, Hullunkeu!" rief der Förster, außer sich vor
Wuth.
Ein heiseres Lachen und ein eigenthümlicher) greller,
in kurzen Absätzen sich wiederholender Pfiff'antwortete ihm.
Einen Augenblick später'tönten aus verschiedenen Richtungen
des Waldes die pfeifenden Signale zurück und brachten ihm
die schreckliche Gewißheit, daß er sich, vollständig allein, einer
größeren Anzahl von Spießgesellen gegenüber befinde. Er
sprang hinter eine starke Buche, diese als Deckung benutzend.
Die dunkle Mainacht, eine von denen, wie sie das
Jahr 1870 so vielfach brachte, ließ Personen und Gegenstände
nur auf eine sehr kurze Distanz erkennen.
Die Augen weit anfgcnssen, versuchte der junge Förster
die ihn umgebende Nacht zu durchdringen, jeden Augenblick
gewärtig von dem feindlichen Geschosse gebossen zu werden-
Es rtM snh -Nichts in deV-Nähe. Nur von fern hörte
man das Knicken von dürren Besten und Zweigen, welche
durch einige Herannahende gestreift oder übertreten wurden.

Der aufwallcnde Zorn über die heimtückische Handlungsweise
der Wilddiebe hatte dem Förster einige Augenblicke seine
ruhige Entschlossenheit und Besonnenheit geraubt. Jetzt, nach-
dem er vor sich Deckung verspürte und wohl auch die Ueher»
zeugung gewann, daß er es jedenfalls nur mit zwei Ver-
brechern zu thun habe, kehrte sein ganzer Muth wieder zurück.
Zu gleicher Zeit hörte er auch in der Ferne das Heulen
eines Hundes.
„Wenn es Diana wäre", zuckte eS ihm durch's Hirn.
Mit der Rechten das Gewehr habend, zog er mit der
Linken die Schnur, au der seine Pfeife hing aul der grünen
Pikesche und ließ den dem Hühnerhunde bekannten Lockruf
ertönen, um im nächsten Augenblicke mit der Hand wieder
das Gewehr zu erfassen und den Zeigefinger in die Nähe
des Drückers zu bringen.
Halte nun der Gegner die Bewegungen dcS Försters
gesehen, oder wollte er sonst ein Pröbchen»,Don Tollkühnheit
an den Tag legen, kurz, einer der Wilddiebe war,auf dem
Bauche vorwärts gerutscht und war jetzt vielleicht noch sechs
Schritte vor dem Förster, um diesem, sobald er näher ge-
kommen, die Beine „abzustMen", wie eS in der Sprechweise
der Wilddiebe heißt, wenn man dem Andern die Beine soffen
und diesen so zum Falle bringen will.
 
Annotationen