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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (9) — 1875

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Januar (No. 1 - 12)
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https://doi.org/10.11588/diglit.41571#0019
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Erscheint
wöchentlich drei M«I:
Dienstag, Tennerstag,
rnd Gamstag.
Alle Postanstalten
»nd Boten nehmen Be-
st llungen an.

Mmhinger WmhenblM

Amtsverkündigungsökalt für den Amts- und AmtsgerichLsSczirk Schwetzingen.
Badische Hopfenzeitung.

Vierteljthrl. Utonaemeat:
Für', Wochen«^» 1 Mark
S0 Psenrnoe.
Unt-rham>nPkhh,tt
SS Mennig-.
Inserate:
die »iergespaltene Gar-
mondrcile »der »er« Ran«
12 Pfennige.

llgenreiner Anzeiger für die badische «nd bayerische «Heinpfalz.
Expedition, Druck und Verlag der E. W. Moriell 'scheu Buchdruckern in Gchwetzingen

No. 5.

Donnerstag, 14. Januar 1875.

IX. Jahrgang.

Inserat« von AttSwSrtS nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasenssein L Pogker, Nndsts Masse und K. /. z>an»r L e«>, KSddentsche A«»a»ce«-O-Pkdtta»
_»an O. -1-Lhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Men. Zürich, Basel und Ltraßburg, sowie das Aäger'sche Lentral-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

* Das „Jabeljahr" 1875.
Die Kirche ist in bedrängter Lage, dies hören und
lesen wir so oft, daß wir demnächst selbst daran glauben.
In ihrer Bedrängniß sollte sie aber von Rechtswegen ni ht
dazu aufgelegt sein, zu jubeln. Wenn der heilige Vater
ihr gleichwohl zumuthet, ein Jubeljahr zu feiern, so gibt er
dafür einen triftigen Grund an: er will den Gläubigen die
Segnungen nicht länger vorenthalten, die mit einem Jubel-
jahr verbunden sind.
Dem einfachen, schlichten Menschenverstand fällt eS
schwer, zu begreifen, warum die Kraft der päpstlichen Seg-
nungen nicht in jedem Jahr die gleiche sein soll. Die
Theilbarkeit einer Jahreszahl durch 25 ist ein rein arith-
metische- Verhältniß, von welchem aus sich eine Beziehung
auf den geheimen Gnadenschatz des Papstes nicht entdecken
läßt. Die römische Kirche ist aber erfinderisch in eben sol-
ck"n Dingen, welche Niemand versteht und die deshalb der
>ynntafie den weitesten Spielraum lasten. Die Worte 25,
Jubel und Ablaß geben einem gläubigen Gemüth gerade
gen ig Kopfarbeit, am eS nicht daran denken zu lasten, was
die römische Kurie mit dem Jubeljahr eigentlich bezweckt.
In Wahrheit wäre es aufrichtiger gewesen, wenn da-
Geldbedürfniß der päpstlichen Kaffen in den Vordergrund
gestellt wo ben wäre und nicht daS Gnadenbedürfniß der
Gläubigen, welche» die Hierarchie noch nie so tief gerührt
hat, als die Harmlosigkeit der Leute sich einbildet. Die
Jubeljahre waren und sind eine Geldspekulation der Stell-
verireter besten, der auf dieser Welt nicht hatte, wo er sein
Haupt hinligte. Eine ganz zutreffende Darstellung des Ju-
beljrhr-UnwksenS stand kürzlich in Nro. 28 des »Religiösen
VolksblatleS." Um unsere Leser zu orientiren und zugleich
eine Probe von dem trefflichen Inhalt deS genannten Blat-
tes zu geben, drucken wir den fraglichen Artikel, soweit er
sich auf unfern Gegenstand bezieht, hier ab.
Die Einführung der Jubeljahre war keine Nachahmung
deS mosaischen Jubeljahrs, daS nach sieben Jahren durch
Vernichtung aller Schuldbriefe und Verbindlichkeiten und
Befreiung aller Sklaven eine Art Gütertheilung zur Ver-
meidung der Ansammlung übermäßiger Reichthümer in einer
Hand bezweckte. — wohl auch keine Nachahmung der alt-
römischen luäi sasoularss, die alle 100 Jahre großartige
Opfcrfeste anstellten, sondern ureigener, genialer Finanzge-
danke dt- Papste» Bonifaz VIII. (1294- 1303). Von die-
sem wurde da» Jahr 1300 als das erste große Ablaßjahr
eingesetzt. Jeder in diesem Jahre durch fünfzehn aufeinan-
der folgende Tage in den Kirchen St. Peter und St. Paul
zu Rom Betende und Opfernd« erhielt vollkommene
Vergebung aller Sünden.
Der Erfolg deS ersten Jubeljahr» war ein selbst für

die päpstliche Veranschlagung gläubiger Dummheit so über-
raschender, — nach Villani wohnten schon der Eröffnungs-
feier über 200,000 Fremde bei; über 1,200,000 Wall-
fahrer kamen nach, um, jeder mindestens durch 15 Tage,
zu opfern; in der Apostelgnift allein wurden, laut Kardinal
Jakob Kapitan. blo? an Kupfermünzen, also von denAerm-
sten mehr als 50,000 Goldgulden geopfert; das geopferte
Silber und Gold mußte scheffelweise weggetragen, die das-
selbe übernehmenden Priester fortwährend abgelösi werden,
da ihnen beim Einstreichcn die Hände erlahmten; — der
erste Erfolg also war so überraschend, daß die Päpste un-
mö..lich ein ganzes Jahrhundert auf die Wiederkehr dieses
prachtvollen Geschäftes warten konnten Papst Clemens VI.
kürzte daher die Periode um die Hälfte und erfreute sich
1350 eines Zuspruchs von mehr als driithalb Millionen
opfernder Pilgrime. Papst Urban VI fand aber für
seine fromme Sehnsucht, den Gläubigen den SUndennachlaß
zu verkaufen. auch die 50 Jahre noch zu lange, und be-
stimmte 33 Jahre, das Lebensalter Christi, als Jubeljahrs-
periode. Sein Nachfolger Lonifaz IX feierte 1390 wieder
ein Jubeljahr, war aber vor Entzücken über dessen Ertrag
nicht im Stande, länger als 10 Jahre auf das nächste zu
warten, das daher im Jahr 1400 mit glänzendem Erfolg
begangen wurde, ungeachtet die in Rom ausgebrochene Pest
täglich 700—800 Menschen hinraffte. Papst Martin V.
feierte 1423 wieder ein höhst ergiebiges Jubeljahr.
Damit aber nicht durch Ungleichheit der Termine in
die herrliche Spekulation Unordnung käme, setzte Papst
Paul U. rin- für allemal 25 Jahre als Jubeljahrs-Inter-
vall fest, was übrigens spätere Päpste nicht hinderte, auch
Ausnahmsjubeljahre aus verschiedenen Anlässen zu feiern,
so Papst Paul III 1542, Papst Gregor XIII. 1572, Papst
Paul VI. 1617 u. s. w.
Zu den vom Papst Bonifaz VIII für den Jubelablaß
bestimmten zwei Kirchen fügte Papst Clemens VI. eine
dritte, Papst Urban VI. eine vierte, nachfolgende
Päpste noch drei andere, so daß in sieben Kirchen Roms
jeder Verbrecher seiner Sünden auf einen Ruck los werden
konnte.
Unsere Leser werden nun wissen, warum das Gnaden-
bcdürfniß des Volkes diesmal nicht unbefriedigt bleiben
durfte und trotz der traurigen Lage der Kirche gejubelt wer-
den muß I
lieber daS Jubeljahr und die Beweggründe deS Papstes
zur Abhaltung desselben sind der .Weserzeitung" sehr in-
teressante Mitthrilungen aus Rom zagegangen. Darnach
handelt es sich in erster Reihe darum, die Verlegenheiten
der Regierungen, welche aus den kirchlichen Kämpfen er-
wachsen sind, wo möglich noch zu steigern. „Man steht,
daß die Klerikalen darauf bedacht sind, keine Waffen unbe-

nutzt zu lassen, sich für ihre Niederlage zu rächen, welche
dennoch früh oder spät zu ihrer vollständigen Äufrribung
führen wird. Gibt es auch Fanatiker genug unter den
Mafs n, zu denen namentlich der niedere Klerus gehört,
welche die volle Ueberzeugung von der Notwendigkeit eines
Kampfes und de. Sicherheit deS Sieges besitzen, so find
andererseits die Leiter der ganzen Bewegung viel zu klug
und weltkundig, um an den Ernst eines Erfolges in diesem
Religionskriege des 19. Jahrhunderts irgendwie selbst zu
glauben. Sie Hetzen und opfern ihre Soldaten, um sich
selbst, wenn eS so weit gekommen, mit den bestmöglichsten
Bedingungen zu erdeden. Wer je hier gelebt hat und
überhaupt Gelegenheit fand, namentlich mit dem höheren
italienischen Kleru« in persönlichen Verkehr zu treten, der
kann nur die Ueberzeugung gewonnen haben, daß e» sämmt-
lichen italienischen Prälaten unverständlich, wie man sich in
Frankreich und Dcntschland überhaupt für kitte religiöse
Frage erhitzen kann. Für sie ist die ganze römische Kirche
nur rin Deckmantel für ein Geschäft, was sie aber möglichst
dadurch zu fördern suchent, indem sie die deutschen Bischöfe
und Erzbischöfe die Kastanien aus dem Feuer hol,» lassen,
welche jene italienischen Würdenträger beim Festmahle zur
Wiederherstellung der weltlichen Mäht de» Papste- auf
Kosten der deutschen Dummheit verzehren möchten.
Ohne den deutschen Kirchenftreit würde Piu» IX. da-
Jubiläum wahrscheinlich nicht gefeiert haben. Wie aber die
Dinge dieffeit» und jenseits der Alpen liegen, scheint r» de«
Vatikan nothwendig, die Fanatiker der ganzen Weit unter
einander in Berührung zu bringen, bevor ein neuer Papst
den Stuhl P.-tri besteigt. Italien selbst hofft man auf der
einen Seite durch den großen Andrang der Pilger zu
schmeicheln und zu ködern, während man auf der andern
die augenscheinliche Absicht hegt, der italienischen Regierung
Unannehmlichkeiten in der Haupistadt zu bereiten. Man
will den Römern durch den ungeheuren Fremdenzuzug noch
ein Mal klar machen, wie viel Geld sie nicht «ehr verdie-
nen , seit die Buzzurri, so heißen spottweise die Anhänger
nationalen Regierung, in die Stadt gezogen sind."
Dann aber soll die ganze Welt sich augenscheinlich von
der Gefangenschaft der Papstes überzeugen, und um dies
zuwege zu dringen, wird man allerlei Provokationen und
Wühlereien gegen die italienische Regierung In Scene setzen.
So wird das Jubeljahr nicht einen religiösen, sondern vor-
wiegend politischen Charakter zur Schau tragen. Im Vati-
kan betrachtet man Deutschland, Italien und die Schweiz
als die Erzfeinde des Papstes, alle Wallfahrer, die aus Rom
in ihre Heimath zurückkehren, werden die Mission mitbekom-
men, nichts unversucht zu lassen, um die Kräfte dieser drei
Staaten durch Zwietracht zu zersplittern und zu verzehren.

Fruilitllin.

Sie Waven.
(Fortsetzung.)
„Mein Kind, mein Kind," sagte Frau von Ribiöre,
L..sanne zärtlich in ihre Arme drückend, „jetzt ist es an mir,
Dich um Verzeihung zu bitten. Ich verstehe jetzt Alles.
Diese tiefe Liebe, die schreckliche Katastrophe, die grausamen
Ecenen lasten Dir eine einzige Idee, einen leuchtenden Punkt
in dem Dunkel, die Unschuld Jakobs zu entdecken. Durch
die unsichere Hoffnung angezogen, auf dem Orte deS Ver-
brechens eine Spur deS Mörder« zu entdecken, bist Du un-
aufhörlich auf diesen mit dem Bi ide Deines Unglücks erfüllten
Ort zurückgekommen. Dort bist Du diesem Fremden begegnet
mit dem falschen Auge, mit dem finstern Antlitz, mehr be-
durfte eS nicht. Dein Verdacht hat sich auf ihn gehäuft
und in Deinem kranken Gehirn ist Verdacht und Thatsache
eins. Und ich wollte Dir mein Wohlwollen entziehen. Deinen
Vater veranlassen. Dich zu verschließen. — Ja, so ist e»:
Durch Deine blinde Hingebung getrieben, verachtest Du die
Gefahr oder sähest sie nicht. WaS Du wolltest, war ein
Versuch, aber weißt Du wohl, grausames Kind, daß, um

jenen Beweis zu erlangen, Du eine Gefahr läufst, größer
als damals, da Du Dich zu entehren suchtest, um Jakob zu
retten, nls Du sagtest, daß Du zur Stunde, wo Simon ge-
mordet wurde, mit ihm in seinem Zimmer warst. O wie
liebe ich Dich und wie glücklich wird Marie sein, daß sie
Dich noch lieben kann!"
In dem Maße, als Frau von Ribibre sprach, zeigte
sich mehr und mehr eine Veränderung in Susannens Antlitz.
Bis daher sahen wir sie unbeweglich vor den erniedrigend-
sten Anschuldigungen: jetzt, da sie eine freundliche Stimme
hörte, erbleichte sie; es war, als könne sie eine an Ver-
zweiflung grenzende Bewegung nicht zurückhalten.
Ihre Beschützerin war selbst zu tief erregt, als daß sie
sich von dem plötzlichen Verdachte, den sie hegte, Rechenschaft
geben konnte.
Herr von Ribiöre war Beamter und dar dem Vorfall
Vorhergegangene legte ihm einige Zurückhaliung auf.
Herr von Esterac dagegen äußerte sich frei: „Ihr wißt,
daß ich immer gesagt habe: Mein armer Jakob ist unschuldig;
ich weiß eS nicht, aber ich bin dessen sicher. Jetzt sage ich:
Wenn er unschuldig ist, so kenne ich den Schuldigen, vielleicht
sind er zwei."
„Peter 1" rief er zur Thür hinau».

Peter Vialai kam auf den Ruf seine- Vorgesetzten
herbei.
„WaS ist denn eigentlich," fragte Esterac, „mit diesem
Piemontesen, diesem Mattes Perondi, von dem ich niemals
sprechen hörte und von dem man mir seit einigen Tagen in
die Ohren raunt?"
„O, Herr Oberförster, ein NichtSwürdigcr, ein Elender,
ein Vagabond," antwortete Peter, der sich vielleicht mit
weniger Heftigkeit auSgeorückt hätte, wenn eS sich nicht um
Susanne handelte.
„Sehr gut. DaS ist eine Beschreibung, welche wenigsten-
daS Verdienst der Deutlichkeit hat. Und sein Herr, der Bauer
Anselm Cofferouffe?"
Der ist nicht mehr werth, als sein Knecht — vielleich t
noch schlechter; eine Figur, die Einem Lust gibt, rechts zu
gehen, wenn man ihn links bemerkt."
„Gut," sagte Esterac, mit den Augen nach seinem
Schwager hinblinzelnd; „und sage mir, Peter, dieser Anselm
oder dieser Coffcrouff-, war er nicht ein wenig mit seinem
Vermögen in Unordnung?"
„Ein wenig? Sehr viel! So verschuldet, daß man von
einem Augenblick zum andern glaubte, sein Ligenthtimrr,
Herr klaubet. würbe ihn davonjagen."
 
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