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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (9) — 1875

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Juni (No. 62 - 74)
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https://doi.org/10.11588/diglit.41571#0279
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Bierteljührl. Nbiariwunt
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Erscheint
wöchentlich drei Mal;
Dienstag, Donnerstag,
»nd Samstag.
Me Postanstalten
,lnd Boten nehmen Be>
stellnngen an.

AmtsverkündigungsötalL für den Amts- und Amlsgerichtsöczirk Schwetzingen

Expedition, Druck und Verlag der T. W. Morie ll'schen Hofbuchdruckerei in Schwetzingen

Jnssrite von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasensteirl L Ksgker, Rudolf Masse und K. /. Paule L s-., Süddeutsch« ^Uuaur«».G«P«drw,
von H. SlöÄhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin,Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Zäger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a.M.

' Politische Wochenübersicht.
Schwetzingen, 17. Juni 1875.
„lieber allen Wipfeln ist Ruh", mit diesem Göthe'schen
Wort darf man wohl die S a u r e g u r k e n z e i t einleiten'
die jetzt mit großen Schritten heraneilt. Wenn Gottes
Mühlen, wie die Ultramontanen oft sagen, langsam mahlen,
so ist's mit denen des Parlamentarismus nicht anders be-
stellt, und wir von der Presse, die das Klappern den größten
Theil des Jahres hindurch im Ohre haben, dürfen uns schon
freuen, wenn das Räderwerk einmal auf kurze Zeit zum
Stillstehen kommt und das Liebchen verschwunden ist, das
in Gestalt von Gesetzentwürfen und Amendements auf unserem
Redaltionsputte gehauset hat. Heute werden die preußischen
Kammern sich zur Ruhe begeben und von den noch tagenden
Parlamenten in London, Rom und Versailles macht nur
das letztere noch viel von sich reden, aber auch von ihm heißt
es heute schon: „Warte nur, warte, bald schiummerst auch
du!" An die Stelle der parlamentarischen Geschäftigkeit
treten jetzt die fürstlichen Reisen in den Vordergrund und
die diplomatische Thätigkeit, die die Fäden kommender Dinge
spinnt, ruht selbst nicht in erfrischenden Bävern, auf lustigen
Bergeshöhen wie im kühlen Grunde schattiger Thäler. Ueberall
wird am Webstuhl der Zeit gearbeitet und da den Erfolg
. Niemand zu bemessen vermag, so bleibt das Dichterwort ewig
wahr: „WaS er webet, weiß kein Weber."
lieber einen Besuch des Kaisers W i lhel m beim
Kaiser Franz Josef verlautet jetzt Nähres. Wir
finden nämtich in mehreren Blättern folgende, anscheinend
offiziöse Notiz: „Der Entschluß des Erzherzogs von Oester-
reich, dem Deutschen Kaiserpaare in Ems und Koblenz einen
Besuch abzustatten, hat nicht nur in Berliner Hofkreisen,
sondern auch in der politischen Welt eine ungetheilte Genug-
thuung hervorgerufen. Wenn es bis jetzt noch zweifelhaft
war, ob Kaiser Wilhelm im Laufe dieses Jahres eine Be-
gegnung mit dem Kaiser Franz Josef haben werden, so
scheinen diese Zweifel nunmehr beseitigt zu sein. Die Kaiserin
von Oesterreich pflegt bekanntlich den Sommer in Ischl zu-
zubringen, woselbst Kaiser Wilhelm aas üer Tour
nach Gastein früheren Jahren schon öfter Gelegenheit nahm,
sie zu begrüßen. Eine solche Begrüßung wird auch in diesem
Jahre aller Wahrscheinlichkeit nach wiederum stattfiudeu und
der Kaiser von Oesterreich dabei zugegen sein. Selbst-
verständlich wird der Besuch einen ganz familiären Charakter
tragen und der Deutsche Kaiser wird von seinem Badege-
fotge begleitet sein. Der Aufenthalt in Ischl soll auf zwei
Tage berechnet und vorläufig innerhalb der Zeit vom 10.
bis 15. Juli in Aussicht genommen sein. Der Kuraufenthalt

in Gastein wirb voraussichtlich diesmal einen etwas kürzeren
Umfang haben, weil in dem Herbstprogramme des Kaisers
eine Aeuderung gegen soyst nöthig geworden sind, die im
Zusammenhangs mit dem noch immer im Auge gehaltenen
italienischen Reiseprojekte stehen."
In den ultramontanen Adelskreisen in Westfalen
und den Rheinlanden soll sich eine große Rührigkeit
für die Sache des Don Karlos bemerkbar machen. Die
Sammlungen gehen ihren Gang weiter und ertragen ein
erschreckliches Sümmchen. Die Fäden der gesammten karli-
stischen Umtriebe sollen übrigens im Palais des in Oester-
reich weilenden Herzogs von Modena, eines Oheims von
Don Karlos und Schwager des Grafen Chambors, zusam-
menlaufen. Mit Hilfe einiger ultramontanen Bankiers soll
es ihm gelungen sein, eine AnUhe des Don Karlos zu
plaziren, welche namentlich in den höheren Adelskreisen Ab-
nehmer gefunden habe. Der Erlös dieser finanziellen Ope-
rationen wird hauptsächlich zur Vermehrung des Kriegs-
m aterials verwandt. Den Spaniern ist es übrigens
ausgefallen, daß unter den den Karlisten abgenommsnen
Waffen sich viele aus deutschen Fabriken befinden, und ist
der Verdacht rege geworden, daß dieselben direkt aus Deutsch-
land über Sübfraukreich den Karlisten zugeführt werden oder
den Weg zur See über Antwerpen nehmen. Da die von
den Ultramontanen zu Gunsten deS Don Karlos veranstal-
teten Sammlungen sich gegen eine Deutschland befreundete
Macht richten, werden die Behörden auf Grund des Art.
102 des Strafgesetzbuchs vielleicht bald Gelegenheit haben,
gegen diese Agitation einzuschreiten.
Die württembergische Kammer hat sich am
Schlüsse der letzten Woche nun auch mit der Zivilehe
zu beschäftigen gehabt, wenn auch nur mit dem Einführungs-
gesetze zum Reichsgesetz. Aber gleichwohl verbreitete sich die
Diskussion über die Vorzüge und angeblichen Nachtheile der
Zwilehe im Allgemeinen und ein englischer Prälat nannte
sie geradezu ein unabwendbares Geschick, das vom Reiche
über das Land verhängt sei. Der päpstliche Hausprälat
Domkapitular Dann ecker sprach zwar etwas milder als
sein Stiefbruder im Herrn, allein immerhin war er nicht
sehr erbaut von diesem Institut der Ehe, während dagegen
der gemäßigt ultramontane Abg. Probst die Zivilehe als
den Anfang zur gänzlichen Trennung von Kirche und Staat
mit Wärme begrüßte. Dem protestantischen Prälaten trat
Minister Mittnacht mit allem Nachdruck entgegen; es
handle sich hier nicht um ein unabwendbares Geschick, viel-
mehr habe die württembergische Regierung in voller Erkennt-
lich seines Werthes dem Gesetze zugestimmt.

Die „Schweizer Grenzpost- äußert fitz in sehr
verständiger Weise über den Konflikt anläßlich der ausge-
wiesenen jurassischen Priester u. A. dahin: „Wenn Bern
zugemulhet wird, eine verfassungswidrig gewordene Maßregel
an eine verfassungsmäßige zu vertauschen, so räth man ihm,
sich von einer abschüssigen Halde auf einen festen ebenen
Plan zu begeben; es gewinnt damit nur mehr Kraft zum
Kampfe gegen die rebellischen Pfaffen und mit jenem Gesetz
in der Hand wird man wahrlich den Störefrieden weher
thun als mit der Ausweisung. Ja, es ist mit Sicherheit
darauf zu zählen, daß die das Gesetz verachtenden Priester,
wen,, es ihnen nach der Rückkehr tüchtig an den Geldbeutel
und an die persönliche Freiheit geht, noch mit Wehmuth an
die schönen Tage der Franche-Comte zurückoenken werden.
Aus Dalmatien wird der „Köln. Ztg." berichtet,
daß die Unruhen in Sebeniko schon nicht mehr vxiein-
zelt sind; die verfassungstreue italienische Partei in M i lna,
welche dort in großer Majorität ist, erleidet Mißhandlungen
aller Art Seitens der Klerikal-Förderalisten. In einem erst
kürzlich vorgekommenen Streite wurden vier Personen schwer
verwundet. Die Aufreizung verbreitete sich auch in anderen
Ortschaften der Insel Brazza, deren Gemeinden anhaltend
um Verstärkungen zur Aufrechthaltung der Ordnung Litten.
Während der Expropriationsarbeiten der Narenta fanden zu
Metcovich schwere zusammenstöße statt; zwischen Gendarmen
und Bauern wurden Flintenschüsse gewechselt, viele Arreti-
rungen wurden vorgenommen. Aus der Provinz werden Re-
volver bestellt, zu Milna wurden 50 solcher sequestrirt; für
die Herstellung der Ordnung in Sebenico wurden bisher
gar keine Vorkehrungen getroffen.
Die Berathung des SicherheitSgesetzeS hat in der ita-
lienischen Kammer Tumultscenen hervorgerufen, von denen
man anderwärts, selbst in Versailles, gar keim Vorstellung
hat. Bei einer furchtbaren Hitze von 35 Grad im Schalten
arbeiten sich die Abgeordneten in eine fieberhafte Aufregung
hinein und es werden Worte und Drohungen ausgestoßen,
die in anständiger Gesellschaft sonst nicht vorzukommrn pflegen.
Am 8. d. ging es am tollsten zu, wie einige Stellen aus
einem Berichte der „Allg. Ztg." zeigen, wo eS heißt:
Alle schreien durcheinander. Die ganze Linke steht von
ihren Sitzen auf und schießt wüthende Blicke, schleudert
grimmige Ausrufungen gegen die Rechte, schüttelt die Fäuste,
stampft mit den Füßen. Cesaro erklärt die sizilianischen
Regierungsbeamten für „Hehler" der Diebe; der Minister
Eantelli antwortete ihm: er fei ein Verleumder. Laporta
ist außer sich über Spaventa's sardonisches Lächeln und er-
innert ihn an die Türmer Septemhertage. Der Minister
antwortete ihm: das seien Dummheiten ; er sei ein Dumm-

Fkuiilcili».
Aorenßerg-
Fortsetzung.
„Er kommt nach Berlin, um hier zu studiren. So
etwa 50 bis 60 Thaler hat wohl jeder neue Student
bei sich."
„Nun, das lohnte schon der Mühe. Hast Du ihn in
der „Krone" cinquartir! ?"
„Nein, Graf, er wollte durchaus nach dem „Grünen
Baum." Um ihn nicht mißtrauisch zu machen, mußte ich
uochgeben. Fang auch nicht gleich mit dem Spiel an; erst
wenn er betrunken ist, sonst geht er uns aus dem Garn,
denn er ist ein Heller Junge! — Bier her, Lene, wir sitzen
noch ganz trocken."
Eine schlampige Kellnerin brachte zwei Seidel, sie gab
dieselben aber nicht aus der Hand, ehe sie die Bezahlung
erhalten hatte. ,
„Ihr Wohlsein, Herr Heldreich! Stoßen Sie an auf
lange Freundschaft!" Mit diesen Worten setzte sich Herr

Theudobald Laur wieder neben Hekdreich, der froh war,
dadurch von dem Referendar Bombelitz getrennt zu werden;
denn dieser hatte ihn mit fortwährenden Fragen überhäuft
und es ihm dadurch unmöglich gemacht, sich gehörig umzu-
schauen. Jetzt konnte er cs thun und wahrlich, die im Ver-
brecherkeller anwesende Gesellschaft war wohl einer näheren
Betrachtung werih.
Um mehrere große Tafeln saßen auf schlechten Bänken
die munteren Zecher, der Auswurf der großstädtischen Be-
vö kerung. — In einer Ecke war ein Hazardspiel im Gange;
mit stieren Augen blickten die Spieler auf das rollende
Geld. die Verlierer schimpften und fluchten, die Gewinner
jubelten, aber schwer wäre es zu sogen gewesen , ob das
Toben der Elfteren oder das Lachen der Letzteren gemeiner
und widerwärtiger war.
An einem anderen Tische wurde gesungen.
„Da wo man singt, da laß dich ruhig nieder.
Denn böse Menschen kennen keine Lieder!"
Es wurde gesungen, aber welch' ein Lied! Heldrcich
erröihete. Solches Maciß von Unfläthigkeit, in wenige
Worthe gedrängt, hatte er noch nie zu ahnen vermocht.
Zwischen den Spielenden, Zechenden, Singenden be-
wegte sich schnell und geräuschlos die Kellnerin; hier em-

psieng sie ein Schimpfwort, dort einen Kuß, mit diesem
mußte sie aus einem Glase trinken, jener stieß sie wüthrnd
zurück; aber weder Freundlichkeit und Zärtlichkeit noch bru-
tale Grobheit vermochten auf diesen abgelebten Zügen eine
Veränderung hervorzurufen.
Heldreich war lange ein stummer Beobachter der merk-
würdigen Gesellschaft gewesen, jetzt aber wendete er fich an
Herrn Theudobald Laur, um diesen nach einem der Spieler
zu fragen, der seine besondere Aufmerksamkeit erregt hatte,
nach einem jungen Mann von kaum 25 Jahren, der durch-
aus nicht in die Gesellschaft, in der er lebte, zu paffen
schien. — Der Spieler gehörte seiner ganzen Erscheinung
nach den höheren Ständen an, während seine Genossen fast
sämmtlich halb zerlumpte Arbeiter waren. Er allein fluchte
weder, wenn er verlor, noch äußerte er seine Freude, wym
er gewann. Er bog ruhig seine Karten scheinbar ohne
irgend welche Empfindung für den Wechsel de» Spiel-
Sein fein geschnittenes Gesicht war bleich, aber eS trug nicht
jene krankhafte Bläffe, welche durch ein wüstes Leben erzeugt
l wird. Heidreich nahm an dem jungen Manne, den, wie
! ihn selbst, nur ein Zufall an diesen Ort verschlagen haben
^ konnte und der in diesem Augenblick sicherlich das Opfer
einer Spielerbande wurde, ein lebendige- Interesse.
 
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