Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (9) — 1875

DOI chapter:
August (No. 89 - 101)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41571#0363
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag,
,«d Samsta,.
Alle Pastanstalten
>,nd Bote» nehmen Be-
stellungen an.

Mwchmm Wo


Amlsverkündigungsölall für den Amts- und Amtsgerichtsöczirk Schwetzingen.

§


adische Hopfenzeitung.

Vierteljüh . Lbönnement
Fllr's W ch nbl^tt 1 Mar
50 Pfennige.
Unterhaltungsblatt
35 Pfennig'.
Inserate:
die viergespaltene Gor-
mondzcile oder derenNaum
12 Pfennige.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Ryei «Pfalz.
Expedition, Druck und Verlag der C. W. M o r i e l l'scheu Hofbuchdruckerei in Schwetzingen.

9t._ Samstag, 7. Angnst 1875. IL. Jahrgang.
Inserate von AnSWLrtS nehmen sür UN» auch entgegen die «nnoncen-Burcaux von Haalenflei,, H P-gser. B-idoss Moste und eh. L. Daus« L tzo., KüddenlscheAnn-ncen-Srpedir««
von K. Kt»ckt-ardl in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien. Zürich, Basel und Strastburg, iowi. das Käger'sch tC-ntral-Burcaux für Inserate in Frankfurt a./M.



werden Bestellungen auf das »Gchwetzingr Wochen-
blatt, Bad. Hopsenztg.' von allen Postanstalten,
unfern Zeitungsträgern und von der Expedition entgegen-
genommen.
B. C. Beamte und katholische Priester in
der Volksvertretung.
Oeffentliche Blätter berichten, daß in der ncugebildeten
bayerischen Volksvertretung 33 Beamte — darunter mehr
als die Hälfte ultramontan — und 17 „treue römisch-
katholische Priester" ihre Sitze einnehmcn werden. Auch die
bevorstehenden badischen Wahlen werden, allerdings in sehr
verminderten Bcrhältnißzahlen, eine ähnliche Erscheinung dar-
stellen. Die Führer der ultramontanen Partei in Baden
sind seit mehreren Jahren jeweils Geistliche gewesen. Es
lohnt sich nach beiden Richtungen der Mühe, diese Thatsache
einer gewissen Betrachtung, nach Grundlage und Wirkung,
zu unterziehen.
Ueber die Bedeutung der Mitwirkung vieler Beamten
in der Volksvertretung weist auch die Geschichte unseres
kleinen badischen Staates, mit seinen rühmlichen Kämpfen
für die Ausbildung eines ehrlichen VerfafsungSlebcns, manche
belehrende Erfahrung aufzuweisen. Obschon jenes berüchtigte
Wort Blitterdorff's „der Beamte ist nur ein zerbrechliches
Werkzeug in der yand des Ministers!" in der badischen 2.
Kammer gesprochen wurde, und der Sprecher selbst und
manche seiner Nachfolger von der Wahrheit dieses Wortes
erfüllt waren, so wird doch Niemand in unserem Lande
abreden wolle», daß der badische Beamtenstand um den
Fortgang unserer Verfaffungseiurichtungen, auch um die Be-
seelung seiner Formen mit einem gesunden, frischen und
selbstthätigm Leben, sich große Verdienste erworben hat.
Seine allgemeine Bildung, Kenntniß der Gesetze des RechtS-
und volkswirthschaftlichen Lebens, seine Neigung das Ein-
zelne und Beschränkte den allgemeinen öffentlichen Angelegen-
heiten unterzuordnen, die von ihm in den Verwaltungsgebieten
gesammelten Erfahrungen, höhere humane Grundsätze, wie
sie in langjähriger Thäligkeit eines wissenschaftlich gebildeten
ManneS als die Reife seines arbeitsvollen öffentlichen Wir-
kens sich darstellen — alle diese Güter haben langehin oic
Hilfe deS BeamtenstandeS in den Ständekammern der Klein-
und Mittelstaaten geradezu unentbehrlich gemacht und sie
sind eS in einem gewissen Grade heute noch. Fast alle die
obigen Besitztümer einer tüchtigen politischen Bildung, sowie
eines zu den Aufgaben der Gesetzgebung sittlich befähigten

Charakters müssen als uuerläßtich bezeichne! werden für den
Mann, welcher mit ganzer Kraft den Beruf des Volksver-
treters erst llen will und kann. Es müßte schlimm stehen
um uns, wenn die Zeilen ganz vorüber wäre», da mancher
Beamte nicht im BesoldungSbeznge und in den Eitelkeiten
vcS Standesbewußtseins der regierenden Bureaukrane, son-
dern in der Ehre, dem Vaterlande und den öffentlichen
Interessen seiner Mitbürger die ganze Lebensaufgabe zu
widmen, die Zierde seiner Stellung und den schönsten Lohn
seiner treuen Arbeit erkannte. In ihren Geschäftszimmern
wie im Ständesaale war diese Elite unseres deutschen Be-
amtenstandes von demselben patriotischen staat-
lichcn Geiste erfüllt und manches in schlimmen Tagen
freudig dargebrachte Opfer an äußeren Glücksverhältnissen
und mancher unerschrocken für die höchsten Ziele eines frei-
sinnigen, bürgerlich voranschrenenden Staatswesens durch-
geführte Kampf, den die Geschichte unserer Landtage ver-
zeichnet, wird bestätigen, was nur Unwissenheit oder Undank-
barkeit widersprechen könnte, wie viel auch unser Land in
seiner Verfassuugsentw ckelung dem Bcamtenstande verdankt.
Der Kenner der Menschen und der Thatsachen wird
allerdings bei dieser ehrenden Anerkennung nicht vei gissen,
daran zu erinnern, daß ehrgeiziges Strebsrthum, niedrige
Unterwürfigkeit gegen die Machthaber, grundsätzliches Hin-
und Herschwanken zwischen den Anforderungen einer pflicht-
getreuen Erfüllung der politischen Aufgaben des Volksvertreters
und der Furcht, den Unwillen des Ministers auf sich zu
laden, in einzelnen Angehörigen des Beamtenstandes in
deutschen Kammern fast zu jeder Zeit vertreten war. Neben
der Lichseite gebricht es somit auch nicht an tiefen Schatten.
Was ist hieraus für die politische Moral auch in unseren
Tagen zu lernen? Das es eine Sünde — und fügen wir
hinzu, eine glücklicherweise nur selten lohnende Sünde —
Einzelner ist, sich nicht zu scheuen, den ehrenhaftesten
und edelsten aller Berufe, den des Volksvertreters,
zu Zwecken niedriger Selbstsucht auszubeulen, daß es aber
eine nicht minder große Unwürdigkeit der Wähler ist, solche
Männer als ihre Vertraueuslräger in die Volksvertrelung
zu entsenden, denn auch dies geschieht vielfältig nur, weil
sie meinen, ihre „Orts-Interessen" oder „Bezirksangelegen-
heiten" in bet Hand euies höheren Beamten wirksamer
gefördert zu sehen, als wenn sie einen tüchtigen, gebildeten
Bürger aus ihrer Milte berufen. Sellen wird ein beschä-
mendes Beispiel auf der einen Seite ohne diese kleinliche
Selbstsucht auf der anderen Seite bestanden haben. Im
Ganzen halten wir es darum — bei aller Anerkennung,
die der Wirksamkeit manches hochgebildeten, charaktertüchtigen
Mannes aus dem Beamtcnstande in unseren Kammern ge-

spendet werden darf — mit Herrn v. Treitschke, der in
seinem Aufsatze „das Zweikammersystem und das Herren-
haus" im Jahre 1873 schrieb : „Es ist und bleibt ein
W.derspruch, daß ein Untergebener der exekutiven Gewalt
zugleich ein Vertreter des steuerzahlenden Balles sein soll;
mit der zunehmenden politischen Bildung und dem steigenden
Wohlstände wird sich die Nation ohne Zweifel gewöhnen,
seltener als bisher Beamte zu Abgeordneten zu wählen."
Unter denen, welche ganz besonders bei der Hand sind
jeden Beamten als einen auch innerlich abhängigen
Mann darzustellen (sofern er nicht rsimisch gesinnt ist), be-
finden sich die Schreiber der ultramontanen Blätter. An
sie richten wir heute die Frage: Ist der katholische Pfarrer
nicht auch ein Beamter? Ist sii„ oberster Herr nicht despo-
tisch absolut? Ist dieser Herr nicht ein Ausländer ohne
Liebe zu unserem Heimathlande, selbst ohne jede nähere
Kenntniß unserer Verhältnisse? Ha« es je in den schlimm-
sten Tagen der Zeit des Bundestages und seiner Rcactions-
bestrebungcn „zerbrechlichere Werkzeuge" gegeben, als die
heutigen katholischen Priester in der Hand ihrer geistlichen
Oberen sind? Dieser Stand ist heute, na h den Grundsätzen
der Jesuiten-Disciplin, einer solchen Abhängigkeit verfallen,
wie es kein anderer Beamter in einein constitutionellen
L-taate sein kann. Unbedingt ln allen Dingen muß der
! Politik des Kirchenregiments gehorcht werden. Das herr-
schende Jesuitenthum kennt keinen theils staatlichen, theils
kirchlichen Menschen- Die letztere SnU ist die einzig be-
rechtigte. Der katholische Priester ist im Amte, stündlich
und bei allen Anlässen, er mag predigend auf der Kanzel
stehen, im Beichtstühle sitzen, oder — auf den Bänken des
Ständesaales zu Karlsruhe als Volksvertreter sich nieder-
lassen. Er muß gehorchen und er gehorcht — sonst wird
er schleunigst aufhörcn Römischer Priester zu sein. Diese
völlige, nach bekannten Erfahrungen jederzeit rücksichtslos
zur Geltung gebrachie Abhängigkeit des kath. Geistlichen hat
einen so hochstehenden, in Wissenschaft und Leben bewährten
und erfahrenen Siaatsgelehrten wie Robert v. Mo hl
. in jüngster Zeit dazu vermocht, die Frage aufzuwerfen, ob
diese Umstände nicht dazu nöthigen, den Priester der römischen
' Kirche als einen unfreien, weil völlig den Befehlen einer
außerstaatlichen Macht hingegebenen Mann gesetzlich als
- unfähig zurFührungdesAmteseinesVolks-
verireters zu erklären.
Kein Kenner der Verhältnisse wird bezweifeln, daß
diese Frage mit Recht aufgeworfen wird. Ein Mann, den
sein Stand und Beruf und die innerhalb derselben über-
nommenen Pflichten verhindern, jederzeit nach seiner freien,
unabhängigen Ueberzeugung für die Angelegenheiten seiner

Feuilleton.
Dorenberg.
Fortsetzung.
Sein Gesicht war gelblich bleich von der langen Haft,
es verrieth aber trotzdem noch immer die Spuren früherer
Schönheit. Der kecke Schnurbart, den er früher getragen,
war verschwunden, er war glatt rafirt.
Dorenberg schaute, als er bei der Anklagebank vorüber
geführt wurde, mit einem höhnischen Lächeln auf seinen Vetter
den er durch eine spöttische Handbewegung begrüßte. Der
Baron wendete sich mit einem Zeichen d?S Abscheues und
der Verachtung ab.
Es wurde zuvörderst festgestellt, daß Dorenberg sich seit
dem 15. Januar in ununterbrochener Untersuchungshaft be-
funden habe; dann wurde ihm Heldreich gegenüber gestellt.
„Kennen Sie diesen Herrn?" fragte der Präsident.
Dorenberg schaute lange prüfend in Heldreichs Züge,
endlich sagte er mit ruhiger Bestimmtheit; „Er ist mir
ganz unbekannt. Ich habe ihn meines Wissens nie ge-
sehen."

„Sie irren sich. Sie sind im sogenannten Verbrecher-
keller einmal mit ihm zusammengetroffen."
„Er mag vielleicht dort gewesen sein; es verkehren ja
viele Leute im Verbrecherkeller; aber in nähere Berührung
bin ich mit ihm keinenfalls gekommen, denn ich habe ein
vortrefflliches Personengcdächtniß und würde mich seiner
sonst erinnern."
Heldreich wurde aufgeforoert, den Zeugen genau zu .
betrachten. Er hatte cs schon gethan, er hatte dies bleiche, !
gelbe, bartlose Gesicht mit dem deS Baron Loßpcrg ver- i
glichen und in beiden eine große Achulichkeit gefunden, ob- !
gleich nicht eine so große, wie er früher geglaubt hatte. ^
Seine Ueberzeugung, daß der Baron es gewesen sei, mit ^
dem ihn das Schicksal in so traurige Berührung gebracht ^
habe, wurde neu befestigt und er sprach dies auf die Frage :
des Präsidenten aus. Ein Lächeln flog während seiner Rede ^
über Dorenbergs bleiche Zncp.
DaS Zeugenverhör war beendet. Der Staatsanwalt ,
begründete noch einmal seine Ank äge. Er forderte das
Schuldig gegen den Angeklagten Wenn arrch kein direkter
Beweis gegen denselben vorliege, so könne doch seine Schuld
nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, denn eine fest in-

einandergreifende Kette von überzeugenden Gründen liege
für dieselbe vor. Von größtem Gewicht sei das verdächtige
Zeugniß Helldreichs. Man brauche diesem nur in das klare,
treue Auge zu schauen, daun gewinne mau auch ohne die
für seinen Charakter sprechenden Zeugnisse so angesehener
Männer, wie des Herrn von Alt, des Geheimen Raths von
Mandel (welche Beide vernommen waren), die Ueberzeugung,
daß er, fern von persönlichem Haß, die lautere Wahrheit
gesprochen habe. Die Zweifel, welche der Zeuge selbst über die
PersondesAngeklagtenübereinemögliche Verwechselung mit dem
Dorenberg gehegt habe, seien durch die heutige >?onfrontation
vollständig gehoben; ganz abgesehen davon, daß Dorenberg,
der sich seit ein und einem halben Jahre in strenger Einzel-
haft befinde, unmöglich der Schuldige sein könne. Noch
einmal stellte der Staatsanwalt mit schlagender Schärfe
alle die belastenden Momente zusammen, dann schloß er
mit einer feurigen Aufforderung an dis Geschworenen, Recht
zu sprechen, ohne Rücksicht darauf, daß der Angeklagte einer
der vornehmsten Familien des Landes augehöre. Mit dem
Bewußtsein des nahen Sieges warf er sich nach dieser Rede
in den Sessel zurück.
 
Annotationen