Erscheint
wöchentlich ^rei Mal:
Dienstag, Tonnerstag,
«nd Samstag.
Alle Postanstaltm
n,is Boten nehmen Be-
st llungen an.
Kmlsverkündigungsßtalt für den Amts- und Amtszerichtsöczirk Schwetzingen.
adische Hopfcnzcitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rhein Pfalz.
Expedition, Druck und Verlag der C. W. M » riell 'scheu Buchdruckerei in Schwetzingen
Bierteljiihrl. Abonnement:
Für's Wochenblatt 1 Mark
50 Pfennige,
llntcrhaltungsblatt
35 Pfennig-,
I l, f e r a t e:
die viergespaltene Gar-
mondzcile oder deren Raum
l2 Pfennige.
«v. 14.
Donnerstag, 4. Februar 1875.
IX. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaaseiltzeiir L Bögler, Rudolf Waffe und K. L. Jauöc L Ho., Süddeutsche Aunoncen-Hrpediio«
von H. Stöckhardl in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ZSger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.
* Schlich des Reichstags. !
(Bad. Landesztg.)
Die am 29. Oktober v. I. durch den Kaiser eröffnete
Tagung des Reichstags ist am 30. Januar in seinem
Sitzungssaale aus kaiserlichem Aufträge durch den Vorsitzen-
den des Reichskanzleramts geschlossen worden. Die-Versamm-
lung hatte soeben noch die dritte Lesung des Reichsb.mkge-
setzes vollendet / bis zum letzten 'Airgenblicke angestrengt be-
eifert, dem für sehr wichtige Aufgaben berufenen preußischen
Landtage möglichst bald den ff)lätz zu räumen, ohne darum
von den eigenen dringenden Aufgaben eine unerledigt zu
lassen. Den Dank, welchen der Kaiser im eigenen und der
verbündeten Regierungen Namen der Versammlung für ihre
dreimonatliche angestrengte und fruchtbare Arbeit ausdrück-
lich entbieten ließ, hat dieselbe um Reich und Volk gewiß
vollauf verdient. So ziemlich alle in der Eröffnungs-
Thronrede angekündigten, hoch bedeutenden Aufgaben sind
auf's Glücklichste gelöst, und zwar in einem erstarkten Geiste
der Eintracht und des Verständnisses unter den Fraktionen
der Reichsvertreter und zwischen diesen und den Regierun-
gen, die zugleich schon für die folgende Tagung der lau-
fenden Gesetzgebungsperiode ein weiteres glückliches Gelingen
in Aussicht stellt.
Die großen Justizgesetze, welche dem deutschen Volke
ein einheitliches Gerichtsverfahren und eine einheitliche Ge-
richtsorganisation gewähren sollen, sind nach einer mehr-
tägigen ersten Berathung einer fortbestehenden Kommission
Von 28 Milgliedern zur Vorberathung überwiesen und diese
Kommission, welche in der Zwischenzeit bis zur nächsten
Tagung ihrer sehr umfassenden Arbeit obliegen wird, hat
sich in den jüngsten Tagen gebildet und bereits über ihre
Geschäftsbehandlung die nötigsten Beschlüsse gefaßt. Es ist
aller Grund vorhanden, zu vertrauen, daß es der Kom-
mission gelingen werde, die Entwürfe zu einer möglichst ein-
mülhigen und unveränderten Annahme vorzubereiten und
daß so jene Einheit des Gerichtsverfahrens bald in's Leben
geführt werde, welche seit Jahrzehnten von den Rechtsuchen-
den als Bedürfniß erkannt und von den Rechtskundigen er-
strebt wurde. Bei dieser umfangreichen Aufgabe konnte der
Reichstag in der diesjährigen Tagung eben nur einleitende
Schritte thun. Dagegen hat er auf einem einzelnen, be-
sonders wichtigen Gebiete des materiellen Zivilrechts, auf
dem der Personenstandsbeurkundung und der Eheschließung,
ein einheitliches deutsches Recht in Uebereinstimmung mit
den Verbündeten Regierungen zur gesetzliche» Verkündigung
fertig gestellt. Eine in mehreren deutschen Staaten, nament-
lich in Bayern, vielfach verwickelte, durch geistliche Ehcge-
richtsbarkeit — zumal bei den heutigen konfessionellen Strei-
tigkeiten — peinlich verwirrte Nothlage ist hier mit einem
Schlage beseitigt und das ganze buntscheckige Eherecht der
verschiedenen deutschen Staaten zur schlichtesten nationalen
Einheit umgestaltet. Die einfache Lösung, die das Reich
hier mit Leichtigkeit vollbringt, vielen leitenden Einzelstaaten
wäre dieselbe in den Wegen ihrer Partikulargesetzgebungen
sicher noch lange nicht möglich gewesen!
Im klebrigen hat sich die Thängkeit des Reichstags
besonders bewährt in der glücklichen Fortführung der Ge-
setzgebung über das Heerwesen des Reiches. Zunächst hat
der Reichstag die diesjährige erstmalige Eiuzelberathung des
früher so viel umstrittenen Militär-Etats in fast überra-
schender Leichtigkeit und Einmüthigkeit auf das Entgegen-
kommendste erledigt. Dazu aber ist auch die bleibende Ge-
setzgebung des deutschen Heerwesens wesentlich vervollstän-
digt worden durch das hochbedeulcnde Landsturmgesetz, und
ferner durch ein Gesetz über die militärische Kontrole der
Beurlaubten und ein Gesetz über die Naturalleistungen für
die bewaffnete Macht im Frieden. Das Landsturmgesetz
regelt und ordnet die Wehrpflicht der dem eigentlichen Heere
noch nicht oder nicht mehr ungehörigen Altersklassen, die
allerdings auch schon bisher bestanden hat, zu mehr fester
und organischer Einfügung in den Gliedbau des neuen
Wehrsystems und im engeren Anschluß an das neue Reichs-
militärgesetz. Besonders erfreulich war die große Einmüthig-
keit , mit welcher das Gesetz schließlich angenommen wurde,
indem nur jene geringe Minderheit widersprach, deren Liebe
.zum neuen Deutschen Reich und zu dessen friedenschützender
Wehrkraft gelinde gesagt — Zweifeln Raum gibt. Wohl
hatte die reichsfreundliche Fortschrittsfraktion ans Anlaß ver
Vorlage ihr altes gerechtes Verlangen nach vollständigerer
Heranziehung aller Dienstfähigen zur wirklichen militärischen
Ausbildung im eigentlichen Heere bei sich neu angeregt und
verstärkt gefühlt; allein als ihre aus diesem von den Re-
gierungen und der Mehrheit des Hauses als für jetzt uner-
füllbar betrachteten Verlangen hervorgegangenen Anträge
sämmtlich unterlegen waren, entzog die Fraktion darum doch
dem Gesetze nicht ihre Zustimmung. Der Abg. Duncker
sprach in ihrem Namen Worte treuer Ergebenheit an das
Wehrintereffe des Vaterlandes, die so erfreulich für die
Hörer im Saale und in allen deutschen Landen waren, wie
ehrenvoll für den Sprecher. Das Landsturmgesetz erhöht
die Wehrkraft des Reiches und macht diese Wehrkraft weit-
hin erkenntlich und berechenbar; eben deßhalb wirkt seine
fast einmüthige Annahme wohl zugleich als eine vernehm-
liche Warnung an unsere Feinde und als eine verstärkte
Bürgschaft für eine längere Fortdauer des Friedens.
Mögen noch recht viele Jahre Europa vergönnt sein,
während welcher das Landstnrmgssetz zu einer anderen, als
solcher moralischen Wirksamkeit nicht berufen wird! Während
dieser Jahre werden dann die Verdienste der Tagung desto
mehr durch die Wirksamkeit des zum Schluffe noch zu
Stande gebrachten Reichsbankgesetzes in frischer Erinnerung
erhalten bleiben. Die Einfügung der Reichsbank in das
Gesetz ist -bekanntlich erst auf die sehr einmüthige und
drängende Forderung des Reichstags erfolgt, aber alsdann
ist sie von den Verbündeten Regierungen und besonders von
der preußischen, welche zu dem Ende die hoffnungsvolle
preußische Bank an das Reich abzulaffen hatte, mit entge-
genkommendster Bereitwilligkeit vollzogen worden. Der deut-
schen Reicksbank wartet die schwierige Aufgabe einer mög-
lichst sanften Uibcrleitung unserer dermaligen thatsächlichen
Doppelwährung in die beschlossene und gesetzlich festgestellte
reine Goldwährung; ohne Reichsbank würde bloß durch
gesetzliche Beschränkung des Notenumlaufs diese Aufgabe,
wenn überhaupt, doch jedenfalls viel schwerer zu lösen sein.
Nur Eine wichtige bundcsräthliche Gesetzvorlage ist —
wie schon öfter — abermals unerledigt geblieben — die
wegen endgiltiger Regelung der verfassungsmäßigen Rech-
nungslegung über die Einnahmen und Ausgaben des Reichs,
In Betreff üieses nolhwendigen. Schlußstein? des verfassungs-
mäßigen Budgetrechts ist eine Einigung zwischen Reichstag
und Reichsregierung auch dieses Mal noch nicht erreicht
worden. Glücklicher Weise ist hier die Dringlichkeit keines-
wegs der Wichtigkeit gleich.
Ueber die Gesetze und sonstigen Einzelleistungen hinaus,
die wir dem scheidenden Reichstage zu danken haben, ver-
dient eine besondere Anerkennung der Geist gegenseitiger
Nachgiebigkeit und verständigen praktischen Zusammenhalten?,
der in dieser eben geschlossenen Tagung alle verschiedenen,
sonst oft eifersuchtsvollen Fraktionen der großen nationalen
und reichsfreundlichen Partei ersichtlich beseelt hat. Ueberall
und nicht bloß in jener so Plötzlich ausgebrochenen und in
Wahrheit schwer verständlichen „Reichskanzlerkrisis" hat sich
in allen reichsfreundlichen Kreisen ein männlicher Sinn für
die besonnene Würdigung der Erfordernisse der Lage be-
währt und mit diesen eine gereifte Bereitwilligkeit zur Ver-
läugnung eigensinniger Rechthaberei und theoretischer Konse-
quenzmacherei, zu welchen sonst unser noch so junger deut-
scher Parlamentarismus nicht selten über Gebühr hinneigtc.
Möge dieser allein politisch fruchtbare Geist in gleichem
Maße den schon morgen seine bedeutungsvollen grund-
legenden Arbeiten wieder ausnehmenden preußischen Landtag
leiten — mit einem besseren Wunsche wüßten wir denselben
nicht zu begrüßen. Der Feinde lauern im Landtage und
außerhalb desselben nicht wenige; aber jener Geist der Ein-
mülhigkeii und der Verständigungsbereitschaft, wie er im
Reichstage sich bewährt hat, weiß sie z» bewältigen.
Feuilleton.
Aie Hlaöen.
(Fortsetzung.)
Herr v. Ribisre erhob sich.
„Wir bekommen heute nichts von Anselm Cofserousse
be.aus," sagte er zum Staatsanwalt, „geben wir ihm die
Nacht zum Nachdenken!"
Die Gensd'armen führten den Bauer ab. Herr v. Ribisre
sa gte ihnen bis zur Thür, dann ging er plötzlich auf Matteo
z > und sicher und energisch sagte er zu ihm:
„Dieser Mensch ist der Mörder Simon Vernou's und
Sie sind sein Mitschuldiger! — Perondi, bekennen sie Alles!
Das >st das einzige Mittel, Ihre Lage zu mildern.
Aus die ersten Worte des Richters war der Piemontese
gegen die Wand gesunken, seine Lchpen waren bleich Bald
jepoch faßte er sich wieder und ries:
„Es ist nicht wahr! es ist nicht wahr! Ich habe nichts
zu bekennen!"
„Bedenken Sie," sagte kalt der Richter, „daß Sie au
keinen Fall den Galeeren entgehen können. Die Entführung
einer Minderjährigen ist bereits ein Raub. Das Lei Ihnen
gefundene Geld muß ebenfalls gestohlen sein. Wenn Cofsc-
rousse in seinem Verhör zuerst ein reuhiges Geständniß ab-
legt, so wird auf ihn die Milde des Gesetzes angewendet
werden und Sie sind der Mörder und der Dieb, er mir
Ihr Mitschuldiger."
Der Piemontese gerueth in eine fieberhafte Stimmung.
„Also bedenket wohl wir haben Beweise. Die Wahr-
heit nur kann Euch das Leben retten."
Reverdon machte ein Zeichen der Zustimmung.
„Also sprecht," sagte der Jnstruktionsrichter dringend.
Einen Augenblick schien Matteo zu zaudern, daun aber
gewann die Verbrechernatur wieder die Oberhand.
„Es ist nicht wahr!" rief er, „die Sache ist längst
gerichtet."
Ribtsre wartete noch einige Minuten, dann wandte er
sich zu Susannen.
„Fräulein, vielleicht wird es Ihnen gelingen, Ihren
L ebhabcr zu überreden."
Susanne machte einen Schritt zu Matteo.
„Du hast also auch geglaubtj," sagte sie mit fester
Stimme, „daß ich geisteskrank sei?"
Er sah sic verwundert an und antwortete nichts.
„Und Du hast, geglaubt," fuhr sie fort, „daß ich Dich
lieben und mein Vaterland verlassen könnte, um Dir in das
Deinige zu folgen? O, Verblendeter, ich will Dir die Wahr-
heit sagen: ich hätte Dich und Deinen würdigen Herrn keines
Blick. S gewürdigt, wenn ich nicht vom ersten Läge an geahnt
hätte, daß Ihr Beide die Mörder Simon Vernou's wäret,
die Urheber des Unglücks meines Jakob, des Einzigen, den
ich liebe und ewig lieben werde."
Perondi stand wie versteinert. Seine Augen sandten
wilde Blitze.
Susanne fuhr kalt vor:
„Verstehst Du jetzt, warum ich mich wahnsinnig stellte,
warum, als Du mir eines Morgens auf meinem Wetze be-
gegnetest, ich Dich zu suchen schien, anstatt Dich zu fliehen?
Ja, ich wußte, daß ihr die Mörder wäret, aber wie es be-
weisen? — Um mich Eurem Gehöft nähern zu können, gab
es nur ein Mittel, nämlich, sich geisteskrank zü stellen. Dem
Himmel sei Dank! es ist mir gelungen, Euch zu täuschen,
wie die ganze Wett! — Wirst Du jetzt Alles gestehen,
Matteo?"
Wäre Perondi mit Susanne allein gewesen, inmitten
der Felder, er hätte sie getödtet, aber hier in diesem Zimmer,
zwei Schritte von den Gensd'armen, hundert Schritt vom
Gefängniß, fühlte er sich gelähmt.
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Die am 29. Oktober v. I. durch den Kaiser eröffnete
Tagung des Reichstags ist am 30. Januar in seinem
Sitzungssaale aus kaiserlichem Aufträge durch den Vorsitzen-
den des Reichskanzleramts geschlossen worden. Die-Versamm-
lung hatte soeben noch die dritte Lesung des Reichsb.mkge-
setzes vollendet / bis zum letzten 'Airgenblicke angestrengt be-
eifert, dem für sehr wichtige Aufgaben berufenen preußischen
Landtage möglichst bald den ff)lätz zu räumen, ohne darum
von den eigenen dringenden Aufgaben eine unerledigt zu
lassen. Den Dank, welchen der Kaiser im eigenen und der
verbündeten Regierungen Namen der Versammlung für ihre
dreimonatliche angestrengte und fruchtbare Arbeit ausdrück-
lich entbieten ließ, hat dieselbe um Reich und Volk gewiß
vollauf verdient. So ziemlich alle in der Eröffnungs-
Thronrede angekündigten, hoch bedeutenden Aufgaben sind
auf's Glücklichste gelöst, und zwar in einem erstarkten Geiste
der Eintracht und des Verständnisses unter den Fraktionen
der Reichsvertreter und zwischen diesen und den Regierun-
gen, die zugleich schon für die folgende Tagung der lau-
fenden Gesetzgebungsperiode ein weiteres glückliches Gelingen
in Aussicht stellt.
Die großen Justizgesetze, welche dem deutschen Volke
ein einheitliches Gerichtsverfahren und eine einheitliche Ge-
richtsorganisation gewähren sollen, sind nach einer mehr-
tägigen ersten Berathung einer fortbestehenden Kommission
Von 28 Milgliedern zur Vorberathung überwiesen und diese
Kommission, welche in der Zwischenzeit bis zur nächsten
Tagung ihrer sehr umfassenden Arbeit obliegen wird, hat
sich in den jüngsten Tagen gebildet und bereits über ihre
Geschäftsbehandlung die nötigsten Beschlüsse gefaßt. Es ist
aller Grund vorhanden, zu vertrauen, daß es der Kom-
mission gelingen werde, die Entwürfe zu einer möglichst ein-
mülhigen und unveränderten Annahme vorzubereiten und
daß so jene Einheit des Gerichtsverfahrens bald in's Leben
geführt werde, welche seit Jahrzehnten von den Rechtsuchen-
den als Bedürfniß erkannt und von den Rechtskundigen er-
strebt wurde. Bei dieser umfangreichen Aufgabe konnte der
Reichstag in der diesjährigen Tagung eben nur einleitende
Schritte thun. Dagegen hat er auf einem einzelnen, be-
sonders wichtigen Gebiete des materiellen Zivilrechts, auf
dem der Personenstandsbeurkundung und der Eheschließung,
ein einheitliches deutsches Recht in Uebereinstimmung mit
den Verbündeten Regierungen zur gesetzliche» Verkündigung
fertig gestellt. Eine in mehreren deutschen Staaten, nament-
lich in Bayern, vielfach verwickelte, durch geistliche Ehcge-
richtsbarkeit — zumal bei den heutigen konfessionellen Strei-
tigkeiten — peinlich verwirrte Nothlage ist hier mit einem
Schlage beseitigt und das ganze buntscheckige Eherecht der
verschiedenen deutschen Staaten zur schlichtesten nationalen
Einheit umgestaltet. Die einfache Lösung, die das Reich
hier mit Leichtigkeit vollbringt, vielen leitenden Einzelstaaten
wäre dieselbe in den Wegen ihrer Partikulargesetzgebungen
sicher noch lange nicht möglich gewesen!
Im klebrigen hat sich die Thängkeit des Reichstags
besonders bewährt in der glücklichen Fortführung der Ge-
setzgebung über das Heerwesen des Reiches. Zunächst hat
der Reichstag die diesjährige erstmalige Eiuzelberathung des
früher so viel umstrittenen Militär-Etats in fast überra-
schender Leichtigkeit und Einmüthigkeit auf das Entgegen-
kommendste erledigt. Dazu aber ist auch die bleibende Ge-
setzgebung des deutschen Heerwesens wesentlich vervollstän-
digt worden durch das hochbedeulcnde Landsturmgesetz, und
ferner durch ein Gesetz über die militärische Kontrole der
Beurlaubten und ein Gesetz über die Naturalleistungen für
die bewaffnete Macht im Frieden. Das Landsturmgesetz
regelt und ordnet die Wehrpflicht der dem eigentlichen Heere
noch nicht oder nicht mehr ungehörigen Altersklassen, die
allerdings auch schon bisher bestanden hat, zu mehr fester
und organischer Einfügung in den Gliedbau des neuen
Wehrsystems und im engeren Anschluß an das neue Reichs-
militärgesetz. Besonders erfreulich war die große Einmüthig-
keit , mit welcher das Gesetz schließlich angenommen wurde,
indem nur jene geringe Minderheit widersprach, deren Liebe
.zum neuen Deutschen Reich und zu dessen friedenschützender
Wehrkraft gelinde gesagt — Zweifeln Raum gibt. Wohl
hatte die reichsfreundliche Fortschrittsfraktion ans Anlaß ver
Vorlage ihr altes gerechtes Verlangen nach vollständigerer
Heranziehung aller Dienstfähigen zur wirklichen militärischen
Ausbildung im eigentlichen Heere bei sich neu angeregt und
verstärkt gefühlt; allein als ihre aus diesem von den Re-
gierungen und der Mehrheit des Hauses als für jetzt uner-
füllbar betrachteten Verlangen hervorgegangenen Anträge
sämmtlich unterlegen waren, entzog die Fraktion darum doch
dem Gesetze nicht ihre Zustimmung. Der Abg. Duncker
sprach in ihrem Namen Worte treuer Ergebenheit an das
Wehrintereffe des Vaterlandes, die so erfreulich für die
Hörer im Saale und in allen deutschen Landen waren, wie
ehrenvoll für den Sprecher. Das Landsturmgesetz erhöht
die Wehrkraft des Reiches und macht diese Wehrkraft weit-
hin erkenntlich und berechenbar; eben deßhalb wirkt seine
fast einmüthige Annahme wohl zugleich als eine vernehm-
liche Warnung an unsere Feinde und als eine verstärkte
Bürgschaft für eine längere Fortdauer des Friedens.
Mögen noch recht viele Jahre Europa vergönnt sein,
während welcher das Landstnrmgssetz zu einer anderen, als
solcher moralischen Wirksamkeit nicht berufen wird! Während
dieser Jahre werden dann die Verdienste der Tagung desto
mehr durch die Wirksamkeit des zum Schluffe noch zu
Stande gebrachten Reichsbankgesetzes in frischer Erinnerung
erhalten bleiben. Die Einfügung der Reichsbank in das
Gesetz ist -bekanntlich erst auf die sehr einmüthige und
drängende Forderung des Reichstags erfolgt, aber alsdann
ist sie von den Verbündeten Regierungen und besonders von
der preußischen, welche zu dem Ende die hoffnungsvolle
preußische Bank an das Reich abzulaffen hatte, mit entge-
genkommendster Bereitwilligkeit vollzogen worden. Der deut-
schen Reicksbank wartet die schwierige Aufgabe einer mög-
lichst sanften Uibcrleitung unserer dermaligen thatsächlichen
Doppelwährung in die beschlossene und gesetzlich festgestellte
reine Goldwährung; ohne Reichsbank würde bloß durch
gesetzliche Beschränkung des Notenumlaufs diese Aufgabe,
wenn überhaupt, doch jedenfalls viel schwerer zu lösen sein.
Nur Eine wichtige bundcsräthliche Gesetzvorlage ist —
wie schon öfter — abermals unerledigt geblieben — die
wegen endgiltiger Regelung der verfassungsmäßigen Rech-
nungslegung über die Einnahmen und Ausgaben des Reichs,
In Betreff üieses nolhwendigen. Schlußstein? des verfassungs-
mäßigen Budgetrechts ist eine Einigung zwischen Reichstag
und Reichsregierung auch dieses Mal noch nicht erreicht
worden. Glücklicher Weise ist hier die Dringlichkeit keines-
wegs der Wichtigkeit gleich.
Ueber die Gesetze und sonstigen Einzelleistungen hinaus,
die wir dem scheidenden Reichstage zu danken haben, ver-
dient eine besondere Anerkennung der Geist gegenseitiger
Nachgiebigkeit und verständigen praktischen Zusammenhalten?,
der in dieser eben geschlossenen Tagung alle verschiedenen,
sonst oft eifersuchtsvollen Fraktionen der großen nationalen
und reichsfreundlichen Partei ersichtlich beseelt hat. Ueberall
und nicht bloß in jener so Plötzlich ausgebrochenen und in
Wahrheit schwer verständlichen „Reichskanzlerkrisis" hat sich
in allen reichsfreundlichen Kreisen ein männlicher Sinn für
die besonnene Würdigung der Erfordernisse der Lage be-
währt und mit diesen eine gereifte Bereitwilligkeit zur Ver-
läugnung eigensinniger Rechthaberei und theoretischer Konse-
quenzmacherei, zu welchen sonst unser noch so junger deut-
scher Parlamentarismus nicht selten über Gebühr hinneigtc.
Möge dieser allein politisch fruchtbare Geist in gleichem
Maße den schon morgen seine bedeutungsvollen grund-
legenden Arbeiten wieder ausnehmenden preußischen Landtag
leiten — mit einem besseren Wunsche wüßten wir denselben
nicht zu begrüßen. Der Feinde lauern im Landtage und
außerhalb desselben nicht wenige; aber jener Geist der Ein-
mülhigkeii und der Verständigungsbereitschaft, wie er im
Reichstage sich bewährt hat, weiß sie z» bewältigen.
Feuilleton.
Aie Hlaöen.
(Fortsetzung.)
Herr v. Ribisre erhob sich.
„Wir bekommen heute nichts von Anselm Cofserousse
be.aus," sagte er zum Staatsanwalt, „geben wir ihm die
Nacht zum Nachdenken!"
Die Gensd'armen führten den Bauer ab. Herr v. Ribisre
sa gte ihnen bis zur Thür, dann ging er plötzlich auf Matteo
z > und sicher und energisch sagte er zu ihm:
„Dieser Mensch ist der Mörder Simon Vernou's und
Sie sind sein Mitschuldiger! — Perondi, bekennen sie Alles!
Das >st das einzige Mittel, Ihre Lage zu mildern.
Aus die ersten Worte des Richters war der Piemontese
gegen die Wand gesunken, seine Lchpen waren bleich Bald
jepoch faßte er sich wieder und ries:
„Es ist nicht wahr! es ist nicht wahr! Ich habe nichts
zu bekennen!"
„Bedenken Sie," sagte kalt der Richter, „daß Sie au
keinen Fall den Galeeren entgehen können. Die Entführung
einer Minderjährigen ist bereits ein Raub. Das Lei Ihnen
gefundene Geld muß ebenfalls gestohlen sein. Wenn Cofsc-
rousse in seinem Verhör zuerst ein reuhiges Geständniß ab-
legt, so wird auf ihn die Milde des Gesetzes angewendet
werden und Sie sind der Mörder und der Dieb, er mir
Ihr Mitschuldiger."
Der Piemontese gerueth in eine fieberhafte Stimmung.
„Also bedenket wohl wir haben Beweise. Die Wahr-
heit nur kann Euch das Leben retten."
Reverdon machte ein Zeichen der Zustimmung.
„Also sprecht," sagte der Jnstruktionsrichter dringend.
Einen Augenblick schien Matteo zu zaudern, daun aber
gewann die Verbrechernatur wieder die Oberhand.
„Es ist nicht wahr!" rief er, „die Sache ist längst
gerichtet."
Ribtsre wartete noch einige Minuten, dann wandte er
sich zu Susannen.
„Fräulein, vielleicht wird es Ihnen gelingen, Ihren
L ebhabcr zu überreden."
Susanne machte einen Schritt zu Matteo.
„Du hast also auch geglaubtj," sagte sie mit fester
Stimme, „daß ich geisteskrank sei?"
Er sah sic verwundert an und antwortete nichts.
„Und Du hast, geglaubt," fuhr sie fort, „daß ich Dich
lieben und mein Vaterland verlassen könnte, um Dir in das
Deinige zu folgen? O, Verblendeter, ich will Dir die Wahr-
heit sagen: ich hätte Dich und Deinen würdigen Herrn keines
Blick. S gewürdigt, wenn ich nicht vom ersten Läge an geahnt
hätte, daß Ihr Beide die Mörder Simon Vernou's wäret,
die Urheber des Unglücks meines Jakob, des Einzigen, den
ich liebe und ewig lieben werde."
Perondi stand wie versteinert. Seine Augen sandten
wilde Blitze.
Susanne fuhr kalt vor:
„Verstehst Du jetzt, warum ich mich wahnsinnig stellte,
warum, als Du mir eines Morgens auf meinem Wetze be-
gegnetest, ich Dich zu suchen schien, anstatt Dich zu fliehen?
Ja, ich wußte, daß ihr die Mörder wäret, aber wie es be-
weisen? — Um mich Eurem Gehöft nähern zu können, gab
es nur ein Mittel, nämlich, sich geisteskrank zü stellen. Dem
Himmel sei Dank! es ist mir gelungen, Euch zu täuschen,
wie die ganze Wett! — Wirst Du jetzt Alles gestehen,
Matteo?"
Wäre Perondi mit Susanne allein gewesen, inmitten
der Felder, er hätte sie getödtet, aber hier in diesem Zimmer,
zwei Schritte von den Gensd'armen, hundert Schritt vom
Gefängniß, fühlte er sich gelähmt.