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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (9) — 1875

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Juni (No. 62 - 74)
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https://doi.org/10.11588/diglit.41571#0275
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Kmlsverkündigungsölatt tür den Amts- und Amtsgertchtsbczirk Schwetzingen

Allgemeiner Anzeiger sür di« badische «nd bayerische Aheinpsaiz.
Expedition, Druck und Verlag der C. W. Morie ll'schen Hofbuchdruckerei in Schwetzingen_
K«. «K. Donnerstag, 17. Juni 1875. _IL. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Laafenstcin L Aagker, Und-rs Waffe und ch. /. PauSe K Süddeutsche -U»««ct»-G,»esttr««
von ß. StöAhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Stratzburg, sowie das Jäger'schc L-ntral-Bur-aux für Inserate in Frankfart »./«.

* Die Wahlen in der» bayerischen Landtag.
In Bayern wird die Wahlagitation jetzt lebhafter
beginnen, da den Parteien nur noch ein Monat Spielraum
gelassen ist. Die liberale Partei hegt bezüglich des Ausfalls
der Wahlen schlimme Befürchtungen, die ultramontane wiegt
sich in goldenen Hoffnungen. Vermuthlich werden weder
diese noch jene in Erfüllung gehen. Die gegenwärtigen
mannigfachen Parteischattirungen in der Kammer werden
verschwinden, während die Zahlenverhältnisse zwischen der
ultramontanen und liberalen Vertretung sich kaum so wesentlich
verschieben dürften, als man heute annimmt. Die bayerische
Kammer bestand seit 1871 aus vier Fraktionen. Einmal
aus der nationalen Fortschrittspartei, sodann der sogenannten
freien Vereinigung, einer Unterfraktion von sieben Mann,
die sich nach dem deutsch-französischen Kriege von der Rechten
abgcwendet hatte und zur liberalen Partei übergegangen
war. Beide Schattirungen zusammen bildeten die liberale
Partei und genau die Hälfte der Kammer. Die Konserva-
tiven andererseits oder die sogenannte patriotische Partei zer-
fiel wieder in zwei Fraktionen, jene der „Semmelschmarrn",
das heißt der Gemäßigten, die durch allerlei unterirdische
Kanäle noch immer mit dem Kultusminister Lutz in Verbin-
dung standen und sich regierungsfähig erhalten wollten und
in die Fraktion der Unversöhnlichen, die mir Kaiser und
Reich, Ministerium und König in fortgesetzter Fehde sich be-
fanden. Sic bestand zu einem guten Drittheil aus Geist-
lichen und verbauerten Adeligen, welche um ihrer knorrigen
Manier willen bei dem Landvolke vollste Sympathie genoffen.
Ihre Organe waren die rohen „Bierblätteln", „Vaterland"
und „Volksfreund" in München, daneben noch eine unge-
zählte Masse Provinzialblättchen, die mit ihrem Lockalwitz
die bayerischen und auswärtigen Angelegenheiten ihren Lesern
mundgerecht machten. Von diesen vier Fraktionen werden
wahrscheinlich nur zwei wieder auf dem parlamentarischen
Schauplatz erscheinen, da die beiden mittleren im Kampfe
der entschiedenen Parteien zerrieben werden. Die freie Vereini-
gung auf liberaler Seite war nur eine Gelegenheits-Fraktion,
die aus der palamentarischen Lage im Jahre 1871 hervor-
ging; für diese und die Ereignisse von 1870 hatten sich
die Wahlen nicht vorsehen können. Auf der andern Seite
werden die „Semmelschmarrn"-Patrioten von dem ultramon-
tanen Volke jedenfalls den Unversöhnlichen geopfert werden,
die ihnen eigentlich bereits die Wahlbezirke durch ihre rege
Agitation schon unter den Füßen weggezogen haben, indem
sie sie der Kompromißgelüste mit der Regierung und der
Stellenjägerei verdächtigen. Daß die Ultramontanen echter
Färbung den Liberalen viele Wahlbezirke abjagen werden,

ist nicht wahrscheinlich, baß sie dagegen die Gemäßigten
vollständig aus der Kammer verdrängen werden, ist sicher
und so dürfte der Erfolg der Unversöhnlichen sich mehr gegen
die Lauen unter den Patrioten kehren, als gegen die Libe-
ralen selbst, denen eigentlich nur ihr Besitz Uutersrauken u.
Schwaben streitig gemacht wird. Aber selbst den Fall voraus-
setzt, daß die Ultramontanen einen entschiedenen Wahlsieg
erringen würden, so wird dieser doch nur so weil gehen,
daß sie eine Zweidrittel-Majsrität z» Stande bringen, da
die Protestantische Bevölkerung unter allen Umständen mit
den Liberalen gehen wird. Die kleine Fraktion der bayeri-
schen Orthodoxen, die sich allerdings redlich für die Ultra-
montanen Mühe giebt, aber nur aus wenige» Köpfen be-
steht, setzt eine Spaltung innerhalb der protestantischen Be-
völkerung nicht durch. Die Hoffnung, daß die Führer der
Unversöhnlichen im Reichsrath und Landtag, mit dem Grafen
Frankenstein an der Spitze, berufen werden könnten, die
Geschäfte des Landes zu übernehmen, wird sich i» keinem
Falle erfüllen, schon deswegen nicht, weil König Ludwig kein
M.nistcrium ernennen könnte, mit dem er zu regieren nicht
im Stande wäre, und das andererseits gegen die Reichspo-
litik in Opposition treten würde. Die bayerischen Ultra-
montanen müssen den lonstitntioiiellcn Satz, den sie in der
Minorität so hartnäckig aufstell^n, auch in der Majorität
festhalteu, daß nämlich nicht der Landtag, sondern der König
die Minister zu machen habe. Die Aufgabe mag für den
bayerischen Monarchen schwierig sein, wenn sich in der Kam-
mer nur zwei sich grundsätzlich auf allen Gebieten befehdende
Parteien gegenüberstehe»; er hat aber unter verwickelten
Verhältnissen so viel Takt und Geschicklichkeit bewiesen, die
Interessen Bayerns und des Reiches im Gleichgewicht zu
halten, daß die Reichstreuen auch diesmal dem Ausfall der
Wahlen, wie er immer erfolgen möge, beruhigt enigcgen-
sehen können.
Deutsches Reich.
— In der Sitzung des B u n d e s r a t h s vom 10. d.
beantragte der Ministerpräsident Krüger Namens der Hanse-
städte : der Bundesrath möge die Frage der Beibehaltung
der Handelsgerichte sofort in Erwägung ziehen, um die Ver-
treter der Bundesregierungen in der Reichsjustizkommission
in diesem Sinn zu instruiren. Der Antrag wurde dem Ju-
stizausschuß zur Berathung überwiesen. Allem Anschein nach
wird der Bundesrath sich für Beibehaltung der Handelsge-
richte aussprechen. Einem Antrag des Reichskanzlers zufolge
soll der Reichskommission für die Weltausstellung in Phila-
delphia die Summe von einer halben Million Mark zur
Verfügung gestellt werden.

— Die in Baltimore, Bereinigte Staaten, er-
scheinende ultramontane „Katholische Volkszeitung" ist, nach-
dem sie durch das.Polizeigericht zu Hamburg zehnmal ver-
urtheilt worden, auf zwei Jahre im Deutschen Reich ver-
boten.

Karlsruhe, 10. Juni. In der am letzten Dien-
stag dahier stattgehabten Generalversammlung der Aktien-
gesellschaft „Badenia" wurden nach dem „Bad. Beob."
dessen Betrieb eben das Unternehmen fraglicher Gesellschaft
ist) u. A. folgende Beschlüsse gefaßt: 1.) die Wahl deS
Ortes, wo die Generalversammlung künftig stattsinden soll,
bkeibt dem Ermessen des AufsichtSrathS überlassen; 2.) dem
Redakteur Kaplan Hiß wurde der Dank und die Anelkennung
der Gesellschaft für die „gute" Redaktion des „Bad. Beob."
ausgesprochen; 3.) in den Aufsichtsrath wurden die seit-
herigen Mitglieder (Dekan Förderer von Lahr, Mbürger-
meister Hug von Bühl, Dekan Lender von SaSbach, Anwalt
Marbc von Freiburg und Kaufmann Reichert von Baden)
wieder gewählt; 4.) da- ausstehende Actienkapital soll in
Quartülsrateu zu 10 Procent behufs fruchtbringender An-
lage eingehoben werden. Der weitere Antrag, betreffend
den Ankauf eines Hauses für die Gesellschaft in Karlsruhe,
wuide (angeblich wegen allzu vorgerückter Zeit!) vertagt.
Vor der nach dem „Bad. LandeZboten" in du Oeffentlichkeit
gedrungenen Absicht, den „Bad. Beob." wieder in Freiburg
herauszugeben, schweigt der Bericht.
Baden, 13. Juni. Verschiedene Zeitungen brachten
unterm 9. Juni ein Telegramm aus Tt. Petersburg, wonach
die dortige griechische Kolonie „aus Anlaß der bedrohten Lage
des griechischen Königspaares" einen Gottesdienst veranstaltet
habe, dem u. A. auch der Vater der Königin Olga, Groß-
fürst Konstantin, beigewohnt habe. Wir sind in der Lage,
diese Nachricht dahin berichtigen zu können, daß ein derartiger
Gottesdienst allerdings stattgefunden hat, aber lediglich zur
Feier des Namenstages des königlichen Prinzen von Grie-
chenland, Konstantin. — Auch die weitere Nachricht, daß
Admiral Bulakow, Kommandant eines russischen Geschwaders,
nach dem Piräus steuere, ist dahin zu berichtigen, daß der
genannte Admiral sich schon seit upgefähr 3 Jahren im
Piräus befindet.
— Von der Strafkammer F r e i b u r g wurde am 10.
d. Ncupriester Heizmann in Oberried wegen einer Reihe
weiterer Fälle unbefugter öffentlicher Ausübung kirchlicher
Funktionen in zweiter Wiederholung zu einer Tefängniß-
strafe von 1 Monat als Zusatz zu der am 20. Mai er-
kannten Strafe verurtheilt. Heizmaun hat nun im Ganzen
8 Monate Gefängniß in Aussicht.

FruilltttM.
Z) o r e n ö e r g.
Fortsetzung.
„Wollen Sie zugleich Berlin näher kennen lernen, als
dies sonst Fremden möglich ist, so könnte ich Sie in ein
Total führen, in welchen die feinsten Herren neben Arbeitern
Verkehren, ein Lokal, wie es kein zweites hier giebt. Gutes
Bier, gutes Essen! Billig, vortrefflich! — Aber mein Herr,
als wahrer Freund habe ich die Pflicht, Sie zu warnen:
in dem Lokale wird gespielt, hoch gespielt. Lassen Sie sich
nicht zum Spiel verführen!"
„Haben Sie keine Sorge."
„Sie haben das Bewußtsein männlicher Kraft! Gut,
ich habe Sie richtig erkannt! — Sie brauchen übrigens
keine Sorge zu haben, der Kreis in welchen ich Sie ein-
führen werde, besteht aus genauen Bekannten von mir,
Ehrenmänner in des Wortes schönster und edelster Bedeu-
tung (er zog bei diesen Worten den Hut etwas tiefer in's
Gesicht), — vor diesen brauchen Sie sich nicht zu scheuen,

wenn etwa zufällig ein Gesellschaftsspielchen gemacht werden
sillte, wohl aber vor den übrigen Gästen; denn ich verhehle ,
es Ihnen nicht, die Gesellschaft ist gemischt und Sie werden
wohl daran thun. Jedem zu mißtrauen, den ich Ihnen nicht
vorstelle. — Das Lokal heiß; der Nerbrecherkeller."
„Ein recht einladender Name."
„Nur ein Scherzname. Früher sollen in dem Keller,
der jetzt als Restauration benutzt wird, Verbrecher gehaust
haben, da hat man denn den Namen zum Scherz beibehalten
und die Gäste nennen Sich gegenseitig: „Herr Verbrecher."
— Glauben Sie mir, ich würde Sie als Ihr wahrer Freund
sicherlich nicht in ein schlechtes Lokal bringen. Das sei fern
von mir! Verkennen Sic mich nicht."
Heldreich war von den Versicherungen seines wahren
Freundes keineswegs vollständig überzeugt; aber er hatte
sich einmal entschlossen, den seltsamen Menschen näher kennen
zu lernen, ihn in seinem Treiben zu beobachten, um seine
Menschenkenntniß zu bereichern, und er zögerte deßhalb auch
nicht, ihn nach dem Berbrecherkeller zu begleiten. Eine
günstigere Gelegenheit, direct in eine Gaunergesellschaft
eingeführt zu werden, konnte sich ihm schwerlich je wieder
darbieten.
Vor einem großen Hause, aus dessen unmittelbar über

dem Pflaster gelegenen Kellerfrnstern «in Helles Licht her-
vorstrahlte, blieb Herr Theudobald Laur stehen. „Wir sind
zur Stelle!" sagte er, indem er auf eine nach dem Keller
hinunterführcnde, hell mit GaS erleuchtete Treppe zeigte.
„Hier ist der Verbrecherkeller; aber nun, mein Herr, muß
ich noch eine Förmlichkeit erfüllen, ich muß Sie nm Ihren
wsrthen Namen bitten. — Verkennen Sie mich nicht, mein
Herr, ich setze kein Mißtrauen in Ihre Ehrenhaftigkeit.
Gewiß nicht! Ein Zug des Herzens hat mich zu Ihrem
Freunde gemacht und bürgt mir für Sie, aber ich kenne
Sie noch nicht dem Namen nach und bin doch verpflichtet.
Sie der sehr ehrenwerthen Gesellschaft vorzustellen, in welche
ich Sie einführen will. Hier ist meine Karte, mein Herr!"
Er zog bei diesen Worten eine Brieftafel aus der Tasche
und übergab aus dieser unserm jungen Freunde eine ele-
gante Karte, auf der in Kupfer gestochen stand: Theudobald
Laur, Agent; — als Gegengabe erhielt er ein anspruchs-
loses, weißes Glanzpapier, welche die in festen, kühnen Zügen
hingeworfene Namensunterschrift: Karl Heldreich, »tuä zur.,
enthielt. — Damit war die Vorstellung zur vollsten Zu-
friedenheit deS Hm. Theudobald Laur vollendet und dieser
stieg nun seinem Freunde voran die nach dem Verbrecher-
keller führende Treppe hinab.
 
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