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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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III. Lieferung (September 1913)
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Drey, Paul: Der Meister W. S. mit dem Malteserkreuz
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0087

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Dieses Urtei) deckt sich mit der Mitteilung in den Biättern für Ge-
mäldekunde, nach der auch das andere Frühbild des Meisters von 1515
(Museum zu Nancy) den übrigen an Sorgfalt der Ausführung nachsteht.
Kunsthistorisch und künstlerisch gleich interessant ist dagegen ein
Gemälde unseres Meisters, das sich zur Zeit im Münchner Kunsthandel
(im Besitze der Firma A. S. Drey) befindet. Das Bild ist auf weichem Holz
gemalt und illustriert das 20. Kapitel des Evangeliums des Johannes. Im
Vordergrund eines schmucklosen Gemaches steht Christus im Kreise der
elf Jünger, von denen jedoch nur sechs durch einen matten Heiligen-
schein als Apostel gekennzeichnet sind. Näher symbolisiert sind nur Paulus
durch das Buch und Johannes Baptistus durch die Honigwabe. Vor Christus
kniet Thomas, dessen Hand der Herr in die offene Brustwunde legt. Über
Kopfhöhe der Personen ist ein breites Fenster. Hier eröffnet sich ein
weiter Blick über eine tiefe, hügelige und baumreiche Landschaft, durch
die sich ein Fluß hinzieht. Im Vordergrund der Landschaft ist die Auf-
suchung des Grabes durch Maria Magdalena und die Erscheinung Christi
vor ihr erzählt.
Rechts vom Lenster am oberen Ende des Bildes ist eine weiße Tafel.
Sie trägt in vier Zeilen in lateinischer Schrift und Sprache das Zitat aus
dem Evangelium Johannes, Kapitel 20, 27, darunter die Jahrzahl 1533 und
daneben im rechten Eck die verschlungenen Initialen W. S. Die Art der
Anbringung dieser Buchstaben läßt kaum eine andere Deutung zu als die,
daß wir es hier mit einem Künstlermonogramm zu tun haben. Auf der
Rückseite des Bildes findet sich 3/.^??? hoch das Malteserkreuz wieder,
das alle uns bekannten Bilder des Meisters aufweisen. Die Tafel selbst ist
865 zw? hoch und 54*5 zw? lang und schließt sich somit in den Maßen der
Bilderfolge zu Nancy ein.
Die Komposition ist sehr gedrängt. Die Behandlung der Formen und
Linien zeigt eine bemerkenswerte Geschicklichkeit und Sicherheit, jedoch
auch Sprödigkeit und Derbheit. Die Zeichnung ist sauber und sorgfältig.
Charakteristisch sind die übermäßige und harte Biegung und tiefe Faltung
der Gewänder, die exakte Durchbildung der Haarmassen bis in einzelne
Striche; auch die Eigenart einzelner Personentypen, deren Köpfe stark
individualisiert sind, fällt auf. Die Landschaft ist äußerst reizvoll und zeugt
von einer frischen Naturauffassung. Hier spricht sich die gleiche Lust an
der weiten, von Baumgruppen durchsetzten Landschaft aus, die sich im
Wiener und Kolmarer Bild offenbart, und die gleich vorzügliche Luft-
perspektive, die reiche Nuancen vom Blaugrün der Ferne bis zum satten
Grün des Vordergrundes kennt. Der Typus der Landschaft erinnert an
das südliche Westdeutschland, ln der Farbe beherrschen das Bild durch-
wegs zwei Töne, ein tiefes sattes Rot und ein Grün, das vom starken
Dunkelgrün bis zum hellen Gelbgrün spielt. An Eigenart des Farbenreizes
und an charakteristischer Koloristik gewinnt das Bild durch die vielfache
und geschickte Anwendung von Schillerfarben, besonders von liia-rosa,
weiß-blau und gelb-grün, mit denen der stark bewegte Gewandfluß model-
liert ist. Das Inkarnat ist milchig und rosig.
Die Erhaltung ist sehr gut; nur in der untern Hälfte des Bildes hat
sich neuerdings ein Riß im Holz gebildet. Auch dieses Bild stammt nach
Informationen, die mir geworden sind, ursprünglich aus dem Ober-Elsaß.
 
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