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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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VIII. und IX. Lieferung (Dezember 1914, Kriegsheft)
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Frimmel, Theodor von: Bilderschicksale: Vortrag, gehalten zugunsten des Roten Kreuzes am 8. November 1914 in Wiener-Neudorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0197

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BILDERSCHICKSALE.
Vortrag, gehalten zugunsten des Roten Kreuzes am 8. November 1914
in Wiener-Neudorf.*)
Verehrte Anwesende!
Sie wissen oder ahnen, daß es viele Hunderttausende von Bildern
gibt, die über die ganze Kulturwelt verbreitet sind und sich an ungezählten
Orten in den verschiedensten Lebenslagen befinden; ihre Schicksale sind
oft ganz merkwürdig, und ich hoffe, daß Sie einigen Mitteilungen darüber
eine Stunde lang ihr geneigtes Gehör schenken werden.
Den Ausdruck »Bilder« nehme ich im Sinn von Gemälden, von künst-
lerischer Malerei in eigentlichem Sinne des Malens, so daß dilettantische
Produkte und Möbelbilder ausgeschlossen sind und Kupferstiche, Holz-
schnitte, Steindrucke, überhaupt Kunstdrucke, Mosaiken, Glasmalereien,
Papyrusrollen und Bilderhandschriften anderer Art höchstens gestreift
werden.
Man kennt Gemälde von Wert in einzelnem und in massenweisem
Vorkommen. Man findet sie vor in bester Erhaltung und Pflege oder ver-
schmutzt, verdorben, nachgedunkelt, ausgebleicht, beschädigt in allen mög-
lichen Abstufungen und Arten. Sie werden von den Besitzern und fremden
Betrachtern geschätzt oder verachtet. Man behandelt sie danach entweder
wie unersetzliche Kostbarkeiten oder wie überflüssige, ja lästige Gegen-
stände. Die einen Besitzer bauen Ihnen eigene Paläste oder wenigstens
eigene Oberlichtsäle, umgeben ihre Bilder mit kostbaren Rahmen, legen
ihnen Spiegelglas vor, halten ihnen eine eigene Verwaltung mit wissen-
schaftlichen Kräften und ein eigenes Aufsichtspersonal, endlich auch noch
einen Bilderarzt oder deren mehrere, die anderen lassen sie ohne Rahmen
an die Wand gelehnt umherstehen in Vorratsräumen, in denen sie ge-
legentlich ohne jede Obsorge, Pflege und Hilfe ihren Krankheiten und zu
meist ihrem Verfall preisgegeben sind.
Armut oder Reichtum des Besitzers, Kunstsinn oder Verständnislosig-
keit desselben bestimmen das Los der Bilder, ob sie nun etwa einzeln in
einer Privatwohnung hängen oder ob sie in Massen zu großen Galerien
vereinigt sind.
Zunächst fesseln uns am meisten die Massenvereinigungen in den
Museen, in den Galerien der eigentlichen Kunstinstitute. Sie
werden eben auch, der Art ihrer Besitzer entsprechend, entweder prunk-
voll, vornehm, gepflegt und gehegt, bestens behütet, katalogisiert be-
schrieben, oder viel einfacher, bescheidener gehalten bis herunter zur Ver-
nachlässigung in jeder Beziehung. Die Pracht der Wiener Hofmuseen ist
Ihnen allen bekannt, und vermutlich kennen viele von Ihnen den Pariser
Louvre, das Kaiser Friedrich-Museum in Berlin, die Dresdener Galerie
und viele andere Gemäldesammlungen bis herunter zu einigen vernach-
lässigten Provinzgalerien an abgelegenen Orten. Bildermengen beträcht-

*) Der Vortrag wird an dieser Steile mit einigen Anmerkungen versehen, und die
Abschnitte, die bei beschränkter Zeit im gesprochenen Vortrag wegfatien mußten,
finden sich zwischen eckigen Klammern eingetragen. Einige wenige Kürzungen sind
durch Punkte angedeutet.

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