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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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IV. Lieferung (Dezember 1913)
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Vom gegenwärtigen Stand der ,,Ästhetik''
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Ein Cassonebild aus der Richtung des Bernardino Parentino
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0101

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berüchtigte »Ding an sich« gemeint ist, sondern das unbekannte Etwas,
das für uns sinnenfähig wird und deshaib a!s vorhanden vorauszusetzen ist.
Auch ist es eine Selbstverständlichkeit, daß der Mensch niemals vom Sub-
jekt völlig loskommt; und das bekannte Leugnen eines Ich hat sich nicht
halten lassen. Wir haben also immer auch mit einem Beobachter zu rech-
nen, auf den das Kunstwerk einwirkt. Folgendes ist dagegen eben so
wahr: ein Kunstwerk wird dadurch nicht besser, oder schlechter, daß es
von einem Laien nicht begriffen wird (mit, oder ohne Intuition) oder daß
es von einem Kunstverständigen in seinen Beweggründen, Veranlassungen,
Beziehungen zum Künstler selbst und zur Kunst anderer durchschaut wird.
- Tausende von Wegen führen zum Verständnis der Kunstwerke heran.
Sie bleiben aber der Ästhetik des Erlebnisses alle verborgen. Mit Hilfe
der subjektiven Erlebnisse allein, ohne Studium des Objekts, wird man
der Kunst und dem Kunstwerk niemals näher kommen. Die Erlebnis-
Ästhetik wird niemals die Unterscheidung lehren zwischen einem Michel-
angelo und irgend einem Pittore di stanze. Das Erkennen der Kunstwerke
nach ihren Schöpfern, oder gar die Unterscheidung von Fälschungen bleibt
dem Erlebnisästhetiker ewig fern.
Das sind nun lauter Andeutungen wichtiger Punkte, die den Gegen-
satz betonen zwischen einer verwendbaren Kunstphilosophie, die auch auf
praktische Werte hinführt, und zwischen der Erlebnis-Ästhetik, die sich
im Studium der subjektiven Eindrücke festgerannt hat und vorläufig für
die Menschheit keinerlei Nutzen verspricht, ln praktischer Beziehung
müssen alle Leute, die sich mit Kunst abgeben, die Erlebnis-Ästhetik
als wertlos bei Seite schieben. — Nutzbringende Folgerungen standen ja
nicht eigentlich auf dem Spielplan der Berliner Tagung, doch haben sie sich un-
freiwillig eingestellt, wie das eben angedeutet wurde. Auch derlei unerwar-
tete Ergebnisse frommen der Wissenschaft, und so seien denn die Macher
und Redner des Kongresses bei ihrer Heimkehr zu einer hoffentlich nütz-
licheren Arbeit, herzlich bedankt für ihre aufopfernde Geduld und Aus-
dauer. Man hat ihnen die immerhin wertvolle Erkenntnis zu danken, daß
die Erlebnis ästhetik vorläufig mit der Kunstwissenschaft nichts
gemein hat. Der Herausgeber.

EIN CASSONEB1LD AUS DER RICHTUNG DES BERNARDINO
PARENTINO.
Wie es scheint, ist Lorenzo Parentino und Bernardino Parentino (auch
Parenzano) derselbe Künstler. Als Mönch wurde er mit dem Klosternamen
Bernardo genannt; vorher nannte er sich Lorenzo. Borenius meint, in der
alten Erwähnung des Künstlers bei Marc-Anton Michiel in den No-
tizie d'opere di dissegno sei der Vorname verwechselt*). Ich schließe mich
mit Vorbehalt der Annahme Tedeschi's und Caffi's**) an, daß der Lo-
renzo Parentino, von dem nach Marc-Anton Michiels Zeugnis die Wand-
*) Siehe die Beilage der „Blätter für Gemäldekunde" 11. Heit S. 40 und 62 und
Lionel Cust „Notes on pictures in the royal collection, colletted and edited ior the
Burlington Magazine" (London 1911) Nr. Vll mit Text von Dr. T. Borenius und die
darin benutzte Literatur.
**) ln „Arte & Storia" vom 31. Mai 1885 (IV) Nr. 22, S. 173 i.

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