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vor kurier Zeit ein Biid nach dem anderen schwer beschädigt, in Paris
sind Biiderverietzungen durch Wahnsinnige vorgekommen.
Von Biiderdiebstähien liest man nur zu oft in den Tagesbiättern,
und Nachrichten aus früheren Zeiten berichten davon, in der Zeit vor der
aitgemeinen Verbreitung der Biiderphotographie hatte ein Gemäidedieb
noch Aussicht, das gestohiene Wertstück an den Mann zu bringen. Heute,
da aus vieien Gaierien das kleinste wie das größte Stück durch photo-
graphische Nachbildung bekannt ist, muß jeder Bilderdieb auf baldige Ent-
deckung gefaßt sein, wenn er ein wertvolles gestohlenes Bild zum Kauf
anbietet. Daher ist auch zu beobachten, daß in neuester Zeit die Diebe
von berühmten, besonders kostbaren Bildern schließlich oft das Entwen-
dete zurückstellen. So ging es mit dem Bild mit Sankt Martin von Van
Dyck aus Saventhem in Flandern, der Ort ist im jetzigen Krieg mehrmals
genannt worden. [..] So ging es auch mit einem Van Dyck aus der
Wiener Galerie Harrach
Die Art und Weise, wie gestohlene Wertbilder zu ihren Besitzern
zurückfinden, ist oft ganz romanhaft. So wurde vor etlichen Jahren aus
der Familie Lieben in Wien ein prächtiger Böcklin: der Nymphen fischende
Faun, gestohlen. Selbstverständlich wurde sogleich ein ganzes Gewirr von
Vermutungen laut, die nicht immer in schonender Weise abgefaßt waren,
bis endlich ein findiger Geheimpolizist das Bild in Amerika zustande
brachte und beweisen konnte, daß es vom Liebenschen Bedienten entwendet
worden war.
Das Bildnis der Herzogin Georgiana von Devonshire von Gains-
borough ist vor Jahren, es war 1870, beim Londoner Kunsthändler
Agnew gestohlen worden, man sagt, im Auftrag eines berüchtigten eng-
lischen Einbrechers, der das Bild dann lange bei sich im Garten vergraben
gehalten haben soll und es auf Reisen mit sich nahm, auch nach Kon-
stantinopel, wo der Diebstahl aufgedeckt wurde. Gegen die Zusicherung
der Straflosigkeit, so heißt es, hat der Dieb das Gemälde an Agnew wieder
zurückgestellt, ln der Folge gelangte es an den amerikanischen Milliardär
Pierpont Morgan.*)
Die merkwürdige Art der Wiederauffindung des Bildes durch an-
haltendes schlaues Suchen und auch durch Zufall hat im Jahre 1901 viel
von sich reden gemacht, ist aber jetzt schon ziemlich vergessen.
ln frischem Gedächtnis haben wir alle dagegen den Diebstahl der
Monna Lisa**) des Lionardo da Vinci, die auch La Gioconda ge-
nannt wird und ungeheures Aufsehen in der ganzen Kunstwelt gemacht
hat. Keine Zeitung, keine Zeitschrift, die Kunstfragen behandelte, konnte
*) Über dieses Biid schrieben im Jahre 1901 viele Kunstzeitschritten, u. a. »The
magazin ot art«, S. 369 H-, sehr eingehend. 1911 brachten besonders die norddeutschen
Zeitungen viele Berichte, so am 4. Mai die »Hamburger Nachrichten« und am 27. Juni
das »Hamburger Fremdenblatt« (wie es scheint, nach dem Berliner »Lokalanzeiger«).
Dann wieder neue Nachrichten im September 1911. Siehe auch Wiener »Fremdenblatt«
vom 6. September 1911. Im Juni des genannten Jahres war in der Spinksgalerie zu
London ein zweites Exemplar ausgestellt.
**) Nach dem archivalischen Fund von Poggi hieS Frau Lisa mit dem Mädchen-
namen Oherardini und mit dem Frauennamen Giocondo. Vergl. die Zeitschritt »11
Marcocco« vom 21. Dezember 1913 und »Studien und Skizzen zur Gemäldekunde«,
Bd. I, S. 155.
vor kurier Zeit ein Biid nach dem anderen schwer beschädigt, in Paris
sind Biiderverietzungen durch Wahnsinnige vorgekommen.
Von Biiderdiebstähien liest man nur zu oft in den Tagesbiättern,
und Nachrichten aus früheren Zeiten berichten davon, in der Zeit vor der
aitgemeinen Verbreitung der Biiderphotographie hatte ein Gemäidedieb
noch Aussicht, das gestohiene Wertstück an den Mann zu bringen. Heute,
da aus vieien Gaierien das kleinste wie das größte Stück durch photo-
graphische Nachbildung bekannt ist, muß jeder Bilderdieb auf baldige Ent-
deckung gefaßt sein, wenn er ein wertvolles gestohlenes Bild zum Kauf
anbietet. Daher ist auch zu beobachten, daß in neuester Zeit die Diebe
von berühmten, besonders kostbaren Bildern schließlich oft das Entwen-
dete zurückstellen. So ging es mit dem Bild mit Sankt Martin von Van
Dyck aus Saventhem in Flandern, der Ort ist im jetzigen Krieg mehrmals
genannt worden. [..] So ging es auch mit einem Van Dyck aus der
Wiener Galerie Harrach
Die Art und Weise, wie gestohlene Wertbilder zu ihren Besitzern
zurückfinden, ist oft ganz romanhaft. So wurde vor etlichen Jahren aus
der Familie Lieben in Wien ein prächtiger Böcklin: der Nymphen fischende
Faun, gestohlen. Selbstverständlich wurde sogleich ein ganzes Gewirr von
Vermutungen laut, die nicht immer in schonender Weise abgefaßt waren,
bis endlich ein findiger Geheimpolizist das Bild in Amerika zustande
brachte und beweisen konnte, daß es vom Liebenschen Bedienten entwendet
worden war.
Das Bildnis der Herzogin Georgiana von Devonshire von Gains-
borough ist vor Jahren, es war 1870, beim Londoner Kunsthändler
Agnew gestohlen worden, man sagt, im Auftrag eines berüchtigten eng-
lischen Einbrechers, der das Bild dann lange bei sich im Garten vergraben
gehalten haben soll und es auf Reisen mit sich nahm, auch nach Kon-
stantinopel, wo der Diebstahl aufgedeckt wurde. Gegen die Zusicherung
der Straflosigkeit, so heißt es, hat der Dieb das Gemälde an Agnew wieder
zurückgestellt, ln der Folge gelangte es an den amerikanischen Milliardär
Pierpont Morgan.*)
Die merkwürdige Art der Wiederauffindung des Bildes durch an-
haltendes schlaues Suchen und auch durch Zufall hat im Jahre 1901 viel
von sich reden gemacht, ist aber jetzt schon ziemlich vergessen.
ln frischem Gedächtnis haben wir alle dagegen den Diebstahl der
Monna Lisa**) des Lionardo da Vinci, die auch La Gioconda ge-
nannt wird und ungeheures Aufsehen in der ganzen Kunstwelt gemacht
hat. Keine Zeitung, keine Zeitschrift, die Kunstfragen behandelte, konnte
*) Über dieses Biid schrieben im Jahre 1901 viele Kunstzeitschritten, u. a. »The
magazin ot art«, S. 369 H-, sehr eingehend. 1911 brachten besonders die norddeutschen
Zeitungen viele Berichte, so am 4. Mai die »Hamburger Nachrichten« und am 27. Juni
das »Hamburger Fremdenblatt« (wie es scheint, nach dem Berliner »Lokalanzeiger«).
Dann wieder neue Nachrichten im September 1911. Siehe auch Wiener »Fremdenblatt«
vom 6. September 1911. Im Juni des genannten Jahres war in der Spinksgalerie zu
London ein zweites Exemplar ausgestellt.
**) Nach dem archivalischen Fund von Poggi hieS Frau Lisa mit dem Mädchen-
namen Oherardini und mit dem Frauennamen Giocondo. Vergl. die Zeitschritt »11
Marcocco« vom 21. Dezember 1913 und »Studien und Skizzen zur Gemäldekunde«,
Bd. I, S. 155.