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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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Frimmel, Theodor von: Die vier apokalyptischen Reiter in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0243

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227

peinture allemande au XIX. siede" (1900), S. 354. Verhältnismäßig frühe
Erwähnung in einem französischen Werk.
fn der zweiten Fassung, wenn ich sie richtig deute, sitzt die Cuerra
auf dem mittleren Pferd. Der zweite Reiter schwingt einen Hammer, und
wieder ganz vorn reitet der Tod, hier als überhäutetes mageres Kadaver,
das die Sense schwingt oder, will man die Bewegung genauer angeben, das
mit der Sense eben einen wuchtigen Streich geführt hat. Wohin in der
zweiten Fassung die Reiter stürmen, ist unklar, wogegen in der ersten
Fassung durch die Flammen und durch ein wehendes Gewand die Richtung
und Geschwindigkeit der Bewegung nach links hin unzweifelhaft gekenn-
zeichnet ist. Bei der zweiten Fassung steht es jedem frei, sich vorzustellen,
daß alle Figuren mit Bleiesschwere gerade herunterfallen.
Böcklins „Krieg" ist keine richtige Darstellung der apokalyptischen
Reiter. Die Farbe der Pferde ist z. B. nicht so gewählt, wie sie im Bibel-
text vorkommt. Der Tod, statt auf dem fahlen Pferd der Schrift, reitet bei
Böcklin auf einem Rappen. Trotzdem sind die Beziehungen zu den Reitern
der Offenbarung so klar, daß sie nicht abgeleugnet werden können. Für
Böcklin waren diese Bilder wie seine übrigen hauptsächlich Aufgaben für
Farbengegensätze und gesteigerte Wirkungen von Linien und Formen. Über
anderes setzte er sich mit Absicht hinweg.
Seit Böcklin häufen sich die Darstellungen der apokalyptischen Reiter.
Das könnte auf Böcklins anregende Wirkung zurückgeführt werden. Oder
waren es die unheilschwangeren Jahre vor dem Ausbruch des Weltkrieges,
die den Gesichten aus der Offenbarung wieder neue Beachtung durch die
Künstler verschafft haben? In der kurzen Frist von 1911 bis 1914 sind mir
fünf neue Beispiele zu Gesicht gekommen. Auf diese Darstellungen sei noch
im einzelnen hingewiesen. 1911 wurde ein Karton mit den vier apokalypti-
schen Reitern von Chr. Speyer bekannt durch die Abbildung in der neu-
gegründeten Zeitschrift „Die Kunstwelt" (Berlin, Weise & Co., Heft 1, Herbst
1911). Das Werk ist feurig und schwungvoll entworfen, so daß man von
der weniger gelungenen Anordnung der Pferdebeine gern absieht. Es scheint
mir, daß photographische Augenblicksaufnahmen mit hereingewirkt haben,
die uns Stellungen zeigen, wie sie das menschliche Auge bisher nicht aufgefaßt
hat und die zu sehen vielleicht erst gelernt werden muß. Nicht jede Phase
einer Bewegung eignet sich für die bildliche Darstellung. Ausgang und Ende
der Bewegung wirken am deutlichsten. Die Mitte ist geradewegs wirkungslos.
Dabei kommt man freilich bei den vier Beinen der Pferde ins Gedränge.
Denn sie führen ja ihre Bewegungen nicht gleichzeitig aus; und wenn gerade
bei einem Bein der Bewegungsausdruck sehr deutlich ist, muß er bei den
anderen weniger wirkungsvoll erscheinen. Eine allzu große Nachgiebigkeit den
herkömmlichen Auffassungsweisen gegenüber ist sicher ebenso zu widerraten,
wie ein wahlloses Benutzen von photographierten Stellungen der Pferdebeine.
Eine der neuesten Darstellungen ist die im Berliner „Ulk" vom 27. Ok-
tober 1911. Sie stammt von Fritz Gehrke und lehnt sich in den meisten
Zügen an Cornelius an. Gehrkes Zeichnung nimmt Bezug auf die damaligen
Unruhen und Kämpfe in Marokko, Tripolis, Persien, Mexiko und China.
ln der Nummer vom 7. Mai 1914 veröffentlichte J. J. Webers Leip-
ziger Illustrierte Zeitung eine Darstellung der apokalyptischen Reiter, die als
Werk von Walter Corde abgebildet war.
 
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