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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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Die Bilder des N. M. Rossi in der gräflich Harrachschen Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0245

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bei ihm bestellte, wetche einen seiner Wiener Sommerpaiäste schmücken
sohten (»dipingendoli primieramente due teie grandiose per soffiti da situ-
arsi a Vienna in nn suo paiazzo di campagna«), d. h. entweder in der so-
genannten sSalette*, den von Hildebrandt aufgeführten Zubau gegenüber
dem Paiais Kinsky, das heute, vöiiig deformiert, im untern Geschoß die
Giashandiung und im obern Wohnräumeenthäit, oder aber in demSommer-
paiais am Rennweg, der heutigen Equitation (vgi. über diese Bauten Dernjaö,
Das Harrachsche Majoratshaus, in „Kunst und Kunsthandwerk").
DargesteHt war in dem einen Biid, wie der Geist des Menschen,
stark durch die Phiiosophie, seine Leidenschaften bändigt (i'anima nostre
superiore deiie passioni di esso mediante io studio deiia fiiosofia), in dem
andern, wie Paiias die Jugend dem Pfuhie der Laster entreißt (»Paiiade che
rapiva !a gioventü de) mezzo de'orgi«). Das erstere zeigte, nach der Angabe
unseres Gewährsmannes, einen greisen Phiiosophen mit Büchern, einem
Wasserkrug und sonstigen Attributen der Enthaitsamkeit, dann die Kiugheit,
die Stärke, den Genius der Tugend und in den Abgrund stürzende Laster,
das ietztere außer der Paiias auch noch den hochthronenden Jupiter,
Bacchanten, Satiren und anderes Lasterwerk. Nach Wien und an ihren Be-
stimmungsort sind die Gemäide sicher gebracht worden. Was aber in der
böige aus ihnen geworden, ist voriäufig noch nicht festzusteiien.
Die Zufriedenheit seines hohen Gönners mit der Ausführung dieser
beiden Piafondgemäide, frostiger Aiiegorien im Geschmack der Zeit, ver-
schaffte dem Künstier einen zweiten, bedeutenderen Auftrag. Auf Leinwand-
fiächen von 29' Länge und 12' Höhe sohten zur Anschauung gebracht
werden Mutte ie principaii funzioni pubblicche, che soglion fare i Vicere
di Napoli*. Und damit er aiies, wie es vor sich ging, wohi in Augenschein
nehmen könne, berief ihn der Vizekönig bei einer dieser feieriichen Hand-
lungen (wo, darüber siehe unten) an seine Seite und machte ihn auf das-
jenige aufmerksam, was er dargesteht zu sehen wünschte.
Graf Thomas Alois Raimund war 1728 bis 1733 Vizekönig von Neapei.
Die Biider dürften demnach in einer verhäitnismäßig kurzen Zeit vollendet
worden sein. Der Künstier erntete nicht nur die volle Anerkennung seitens seines
hohen Auftraggebers, sondern auch den einstimmigen Beifall aller, welche
die Gemälde im Palazzo Reale, wo sie zur Ausstellung gelangten, zu Gesicht
bekamen. Die zahllosen Liguren und deren wohldurchdachte Gruppierung
und Bewegung, die wirksamen Larbenkontraste, die realistische Wiedergabe
des Beiwerks, der Karossen, der Kostüme, der Soldaten, Garden, der Diener-
schaft und der großen Volksmenge, welche der jewehigen Handlung als
Zuschauer dient. A11 dieses wurde ebenso angestaunt, wie die Treue in den
Milieus, die Ausstattung der Straßen und Plätze mit der für sie charakte-
Tistischen Staffage und die Effekte des Lichtes und des Helldunkels. Die
Malweise scheint eine sehr solide zu sein. Allen Unbilden der Zeit zum
Trotz üben die Gemälde, und zwar nicht bloß durch den dargestellten
Gegenstand, ihre seinerzeit im Palazzo Reale zu Neapel bewiesene An-
ziehung auf dem Beschauer noch heute aus.
Nachfolgend die Beschreibungen der drei »bunzioni pub bliche*
des Vizekönigs von Neapel, Grafen Thomas Alois Raimund Harrach, ge-
geben von Dominici, a. a. O., IV, S. 470 fgg., und vom Verfasser durch
Ergebnisse des eigenen Studiums ergänzt.

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