Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0185

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
269

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

270

Die heiligen Jungfrauen Memling's tragen
ferner oft ein Kopftuch, so die Madonna in den
„sieben Freuden der Maria" (München), ferner
die Madonna der Epiphanie in Brügge, sowie
die Madonna auf dem Bilde der Anbetung der
heiligen drei Könige ebendaselbst. Das weifse
Kopftuch erscheint auch bei den Frauengestalten
des Lübecker Dombildes, und zwar immer in
einer Anordnung, wie auf dem Trierer Gemälde.
Freilich will ich dabei nicht unterlassen hervor-
zuheben, dafs das Kopftuch in der Regel vorn
einen gefalteten Saum zeigt, während der Saum
auf dem Bilde in Trier einfach und glatt ist.

Wichtige Merkmale, welche für die Urheber-
schaft Memling's sprechen, finde ich ferner an
dem Halse der Trierer Madonna. Ein feines,
weifses, schleierartig durchsichtiges Brust- oder
Fürtuch bedeckt denselben und läfst nur die
mittlere Partie des Halses frei. Dasselbe Brust-
tuch, in derselben Malweise und Anordnung
findet sich bei särrrVntlichen mir bekannten echten
Madonnen Memling's mit einer einzigen Aus-
nahme. Es ist das die herrliche jugendliche
Gottesmutter in Wien. Memling eigentümlich
ist dann ferner die etwas vortretende Kehlkopf-
gegend, sowie das leichte Vorspringen der Kopf-
nickermuskeln. Keiner der Memling'schen Ma-
donnen fehlen diese Merkmale.

Sehr bemerkenswerth sind noch die Hände
sämmtlicher Gestalten Memling's, namentlich
der Frauen, und auch das Trierer Bild beweist
das. Die Hände sind richtig gezeichnet, allein die
Finger sind sehr schlank und mager, oftmals
sogar selbst im jugendlichen Alter knöchern.

Auch an dem Gewände Maria's finde ich
Memling'sche Malweise. Sehr bemerkenswerth
erscheint mir das mächtige von rechts her über
den Schoofs der Madonna geschlagene Gewand-
stück, welches nach Art einer Decke mit breiten,
etwas eckigen Falten über den Boden sich aus-
breitet, ja sogar auf den Rahmen des Trierer
Bildes übergreift. Die sitzenden Madonnen Mem-
ling's zeigen alle dasselbe, nur bedeckt das Ge-
wandstück bald mehr, bald weniger den Schoofs,
selten in so reicher, eigentlich schwerer Falten-
fülle, wie auf dem Trierer Gemälde. Doch auch
dafür giebt es Beispiele, wie in der Vermählung
der heiligen Katharina (Brügge). Von den bei
Memling oft wiederkehrenden, mit grauem Pelz-
werk besetzten Aermeln sehe ich ab, mache aber
besonders auf den gestickten Gewandsaum der
heiligen Jungfrau aufmerksam, welcher leider

an einzelnen Stellen stark abgerieben ist. Die
Stickerei besteht zum Theil aus zusammenhang-
losen Buchstaben in der Weise der Eyck'schen
und anderer gleichaltriger Gemälde.

Der Engel der Verkündigung. — Der
Engel ist soeben in das Gemach geschwebt. Ein
in prachtvollen Falten niederwallender Gold-
brokatmantel bedeckt das bläulich-weifse Unter-
gewand und zeigt in den wehenden Falten unter
dem erhobenen, rechten Arm in durchaus rich-
tiger Weise das eben vollendete Heranschweben.

Diese fliegenden Mantelfalten scheinen auf
den ersten Blick der Malweise der angenom-
menen Zeit der Entstehung des Gemäldes, so-
wie der Art Memling's zu widersprechen, und
auf eine spätere Zeit wie auf einen anderen
Maler hinzuweisen, allein, wenn ich auch zu-
geben mufs, dafs die Wiedergabe ruhiger Falten
bei den Malern des XV. Jahrh. die Regel ist,
so liegt doch in dieser Abweichung kein Grund
vor, die Entstehung des Bildes später anzusetzen,
oder dasselbe dem Memling oder seiner Schule
abzusprechen. In den „sieben Freuden der Ma-
ria" (Pinakothek München) zeigt der Engel am
Rande der linken Hälfte der Tafel, welcher
den Hirten die Geburt Christi kündet, dasselbe
Motiv des eben erfolgten Heranschwebens und
des dadurch bedingten Wehens oder Flatterns
der hinten niederhängenden Gürtelschleifen des
Gewandes.

Viel weniger in der Art Memling's ist die
Behandlung des Haares des- Engels der Ver-
kündigung. Es ist schwerfällig behandelt und
grob gemalt, wobei ich es einstweilen dahin
gestellt lassen mufs, ob nicht möglicher Weise
eine Uebermalung stattgefunden hat. Immerhin
möchte ich doch hervorheben, dafs die Locken-
bildung über den Ohren in ähnlicher Weise bei
dem in Grau gemalten Verkündigungsengel an
der Aufsenseite des Lübecker Dombildes vor-
kommt, sowie, wenn auch in einer überaus viel
zierlicheren Weise, bei dem den Apfel darbrin-
genden Engel des Florentiner und des herr-
lichen Wiener Bildes. Der Gesichtsausdruck
entspricht am meisten dem des Engels, welcher
der Maria das Buch darreicht auf dem Bilde
der heiligen Barbara des Katharinenaltars zu
Brügge. Es gilt das namentlich für die Mund-
parthie, für die vertieften und leicht gesenkten
Mundwinkel und das kräftig ausgeprägte Kinn.

Einer besonderen Beachtung werth ist ferner
das Gemach.
 
Annotationen