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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0187

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273

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

274

den Stiftern zusammen gruppirte Figur, deren
Alter auf etwa 60 Jahre zu schätzen ist, Mein-
ung darstellt. Mag dem nun sein, wie ihm
wolle, Thatsache ist, und die Vergleichung der
beglaubigten Gemälde Memling's ergiebt das
auf das Allerklarste, dafs nicht allein dieselbe
Person zu den verschiedensten Zeiten als Modell
für die Madonna genommen wurde, sondern
dafs das Gleiche auch mit einer männlichen
Person in verschiedenen Lebensaltern der Fall
war. Das Merkwürdige dabei ist, dafs, wo diese
beiden Personen, wie das gewöhnlich ist, auf
den Gemälden Memling's zusammen dargestellt
sind, sie stets in den entsprechenden Lebens-
altern dargestellt sind, und zwar stets so, dafs
derMann höchstens 6 bis 10 Jahre älter erscheint.

Die männlichen Figuren sind: der Adam auf
dem Wiener Altarbilde, der heilige Johannes der
Täufer auf verschiedenen Gemälden Memling's,
der durch das Fenster sehende Mann auf dem
Bilde der „Anbetung der heiligen drei Könige"
in Brügge, und der etwa sechzigjährige Mann
unter den Stiftern auf dem Bilde zu Lübeck.

Auf dem Wiener Gemälde ist der Mann nicht
älter wie 30 und nicht jünger als 25 Jahr, auf
dem Lübecker ist der Mann etwa 60 Jahr, eher
etwas darüber, alt, während das Alter des durch
das Fenster sehenden Mannes auf gegen 45 Jahre
zu schätzen ist.

Mir erscheint es nun überaus bemerkens-
werth, dafs nicht allein der nackte Adam des

Wiener Altares ausgeprägt die Gesichtszüge die-
ses in den verschiedenen Lebensaltern darge-
stellten Mannes trägt, sondern dafs auch die
mit aller Sorgfalt und Liebe, aber durchaus
realistisch durchgeführte Figur der Eva in ihrem
Gesichte der Prototyp der Memling'schen Ma-
donnengesichter ist und in Gröfse und Gestalt
derselben durchaus entspricht. Ich schliefse
daraus, dafs diese beiden Gestalten und nament-
lich der Mann dem Maler durch einen Zeit-
raum von etwa 40 Jahren die Vertrautesten
waren, und unter diesem Gesichtspunkt gewinnt
die Sage, dafs der durch das Fenster schauende
Mann Memling selbst sei, greifbare Gestalt, und
ich scheue mich nicht zu behaupten, dafs in
dem Adam des Wiener Bildes, dafs in dem Bilde
des Johannes, ferner in dem Bilde des durch
das Fenster sehenden Mannes und in dem Bilde
des Alten, Memling selber in seinen verschie-
denen Lebensaltern dargestellt ist, und dann
ziehe ich den weiteren Schlufs, dafs die Eva
des Wiener Werkes und die Madonna die Frau
Memling's ebenfalls in verschiedenen Lebens-
altern ist.

Sind nun alle diese Annahmen mehr wie Ver-
muthung, und ich glaube, sie sind wenigstens
einer eingehenden, ernsten Prüfung werth, so
haben wir, wie ich bereits erwähnte, eine überaus
werthvolle Handhabe zur. Bestimmung der Zeit
der Entstehung der einzelnen Gemälde Memling's.

Breslau. C. Hasse.

Die alten Wandmalereien in der Kirche zu Toitenwinkel.

Mit Abbildung.

an war in Nieder-Deutsch] and dort,
wo ein Beziehen von gewachsenem,
für die Bearbeitung mit dem Meifsel
geeignetem Gestein zu kostbar, wenn
nicht durchaus unthunlich war, für die Errichtung
monumentaler Bauten' auf die Granitfindlinge an-
gewiesen oder auf die Herstellung mittelst ge-
brannter Steine. Da der Vorrath von jenen
nicht unerschöpflich war, das Material schwer
zu bearbeiten und das Mauern mit demselben
schwieriger, auch nur die einfachsten Formen
damit sich herstellen liefsen, so nahm man bald
Ziegel zu solchen zu Hülfe und hat etwa seit
Beginn des XIV. Jahrh. den Granit nur zu
Sockeln verwendet. Man konnte umsomehr auf

ihn verzichten, als das Bauen mit Ziegeln minder
kostspielig war, als diese an Dauerhaftigkeit
jenem kaum nachstanden, die Herstellung fei-
nerer Details ermöglichten und, sobald Verputz
und Glasur zu Hülfe genommen wurden, in der
Farbenwirkung den Granit erheblich übertrafen,
welche bei Backsteinbauten überhaupt den pla-
stischen Einzelnheiten des Hausteinbaues gegen-
über gewissermafsen ein Aequivalent bildet. Wenn
aber die Farbe in der äufseren Erscheinung
dieser Bauten ein so bedeutendes Moment aus-
macht, so konnte man im Grunde von vorn-
herein annehmen, dafs dieselbe in der Herrich-
tung des Inneren erst recht in Anwendung ge-
bracht worden sei. Aber nur zu muthmafsen


 
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