Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0251

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
375

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

376

Kodex, welcher weit reichhaltiger ist, und ob-
gleich später entstanden, dennoch mehr Treue
für die gothischen Formen zeigt. Da es sich
für Terey darum handelt, die Miniaturen dieses
Inventars dem sogen. Pseudo-Grünewald, d. h.
jenem unbekannten zwischen Grünewald und
Cranach stehenden Meister abzusprechen, hat er
sich unbewufst dem Kodex gegenüber auf einen
zu hohen Standpunkt gestellt und kritisirt ihn
daher etwas zu streng. Was er in dieser Be-
ziehung sagt, ist zwar richtig, aber wir dürfen
alles, was den Zeichnungen abgeht, durchaus
nicht von einem gemalten Inventar
verlangen. Mit seinen frischen Farben,
seinen gut gezeichneten Figuren und
zum Theil vorzüglichen Details, steht
dieses Buch über dem Inventar der
Michaelshof kirche in München (Gmelin)
und hoch über dem Lobkowitz'schen
Inventar (Koula), sowie dem von Zwie-
falten (Auktion Gutekunst). Wer den
verschönten durch Hefner mitgetheilten
Proben nicht traut, mag die hier bei-
gegebene, nach einer Photographie ge-
machte Abbildung (Fig. 1) einer Prü-
fung unterwerfen.

Wenn Te"rey die Urheberschaft des
Pseudo-Grünewald negirt und einen
andern Meister vorzuschlagen sich nicht
entschliefsen kann, so macht er doch
mit den Worten: „Es ist vielleicht an-
zunehmen, dafs die Künstler der Nürn-
berger Richtung angehören", einen
Hinweis, welchen ich zur Weiterent-
wicklung aufnehmen möchte.

Die einzige Meisterbezeichnung,
welche in dem Aschaffenburger Kodex
vorkommt, besteht aus den Initialen L
und K, rechts und links von einem Krug, dem
redenden Wappen des Nürnberger Goldschmie-
des Ludwig Krug, nach Neudörfer zünftig 1522,
nach meinen Notizen aber erst 1523 in die Zunft
aufgenommen. Neudörfer setzt seinen Tod in das
Jahr 1532, aber nach dem Nürnberger Meister-
buch läfst sich aus den Jahren, in welchen er als
Geschworner bis zu seinem Lebensende fungirte,
herausrechnen, dafs er schon 1530 gestorben ist.
Wir geben in Fig. 2 nach Hefners Aschaffenburger
Programm von 1830 den Gegenstand wieder, auf
welchem die Initialen angebracht sind; man wird
sie auf dem Baumstumpf unschwer erkennen.
Terey fafst diese Bezeichnung, und ich sehe im

Fig. 3.
Silberfigur d. hl. Petrus
aus dem Halle'schen
Heiligthumsbuch von
1520 mit dem Mono-
gramm d. Wolf Traut.

Allgemeinen kein Hindernifs dafür, als die Ur-
hebermarke des Goldschmiedes, welcher das
Stück angefertigt hat. Wir hätten demnach hier
eine beglaubigte Arbeit von Ludwig Krug vor
uns, ein Fund, der um so werthvoller ist, als
wir sonst wenig Hoffnung haben, auf dem ge-
wöhnlichen Wege der Feststellung durch Marken,
andere Goldschmiedewerke des Meisters zu fin-
den, da sein Tod mehrere Jahre vor Einführung
der obligatorischen Meister Stempelung in Nürn-
berg fällt. In der Zeit, da Ludwig Krug thätig
war, stempelte man nur mit dem Stadtzeichen.
Aber aus den 25 Arbeiten, welche mir
aus dieser Periode bekannt sind, findet
sich keine, welche die geringste Spur
einer Meisterbezeichnung oder Ver-
fertiger-Inschrift trägt. Ich behaupte
also wohl nicht zu viel, wenn ich sage,
es sei damals in Nürnberg nicht üblich
gewesen, eine Goldschmiedearbeit so
zu bezeichnen, wie es unsere Fig. 2
zeigt. Angenommen aber, dafs es in
diesem Falle doch so gewesen sei,
würde sich dann der Zeichner des Heil-
thumbuches die Mühe gemacht haben,
ein fremdes Urheberzeichen in so sorg-
fältiger Weise wiederzugeben? Aus
hundertfältiger Erfahrung sage ich nein.
Man braucht blos zu sehen, wie selbst
heutzutage die Künstler mit den In-
schriften und Meisterbezeichnungen auf
den von ihnen reproduzirten Gegen-
ständen umgehen, um zu wissen, dafs
nur ein ganz spezieller Auftrag, wel-
cher aber hier nicht vorgelegen haben
kann, zu einer solchen Akribie hätte
Anlafs geben können. Ich möchte daher
in erster Linie annehmen, dafs die
Initialen sich auf den Zeichner des Buches be-
ziehen. Für einen solchen ist gerade diese Art
den Namen anzubringen, ebenso charakteristisch,
wie sie für einen Goldschmied ungewöhnlich
wäre. Ja, Wolf Traut, der Zeichner des gedruck-
ten Heilthumbuches, hat seine Urheberschaft an
demselben ganz in derselben Weise angedeutet
(vgl. unsere Fig. 3), und dort fällt es Niemanden
ein, in dem WT eine Goldschmiedemarke zu
erkennen. Mir ist weder das Werk des Ludwig
Krug zur Hand, noch ist mir der Aschaffenburger
Kodex, den ich vor etwa 10 Jahren nur eine halbe
Stunde lang in Händen gehabt habe, so im Ge-
dächtnifs, dafs ich eine Stilvergleichung riskiren
 
Annotationen