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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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1. Heft
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Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [24]
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0039

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i. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde

25

Hohenzollernschen Museum zu Sigmaringen, Abb.
113 a und b1).
Die näheren Angaben über diese Orgel lauten:
Anzahl der Läufe: 5.
Länge der Läufe (von links nach rechts ge-
zählt, zuerst obere, dann untere Reihe): Nr. 1 -
96 cm, Nr. 2 = 99 cm, Nr. 3 = 107 cm, Nr. 4 -
112 cm, Nr. 5 = 108 cm.
Länge der Laufseele: Nr. 1 = 90,5 cm, Nr. 2
= 94,5 cm, Nr. 3 = 103,5 cm> Nr. 4 = 106 cm,
Nr. 5 = 103,5 cm-
Kaliber: Nr. 1, 2 und 3 = 34 mm, Nr.5 = 32 mm,
Nr. 4 = 40 mm.
Material der Läufe: Schmiedeeisen.
Die Läufe der unteren Reihe sind um 10 — 15 cm
länger, als jene der oberen Reihe; der mittlere
Lauf der unteren Reihe ist der längste, hatte
das gröfste Kaliber und ist an der Mündung-
trichterförmig erweitert.
Die Läufe sind über den Dorn geschmiedet,
haben an der Mündung eine 2,5 cm bis 3,5 cm
breite wulstartige Verstärkung; am rückwärtigen
Ende ist unterhalb ein hakenförmiger, durch-
lochter Ansatz angeschweifst. Dieser Haken ist
in die Holzunterlage eingetrieben und durch
eiserne Nägel, welche durch Holz und Haken
greifen, festgemacht; einzelne Nägel sind noch
vorhanden.
Jeder Lauf hat rückwärts oberhalb ein Zünd-
loch, nicht genau in der Mitte, sondern etwas
nach rechts geneigt. Die Zündlöcher sind trichter-
förmig, scharfkantig; bei Nr. 3, 4 und 5 befindet
sich das Zündloch in einer rechteckigen Vertiefung.
Ein stumpf aufgetriebenes Korn ist bei Nr. 3
und bei Nr. 5 vorne oberhalb an der Mündung
erkennbar.
Die Unterlage ist ein massiver zylindrischer
Eichenklotz, welcher, wie die Abb. 113b ent-
nehmen läfst, zweimal horizontal durchgesägt
ist. Die auf diese Weise entstandenen drei Teile
wurden der Länge nach entsprechend ausge-
schnitten, die. Läufe in die Lager eingelegt und
mittels eines 3,3 cm breiten und 9 mm dicken
Eisenbandes zusammengehalten. An der Mantel-
fläche des Eichenzylinders sind noch drei in das
Holz eingebrannte Streifen sichtbar, welche an-
deuten, dafs ursprünglich noch drei weitere Eisen-
bänder angebracht waren und dafs diese im
glühenden Zustande aufgeschoben wurden.
Rückwärts ist am Hohlzylinder ein starker
Eisenring an einer eisernen Öse befestigt, welche
’) Die genauen Daten sowie die photographischen Ab-
bildungen erhielten wir durch die freundliche Bemühung
des Herrn J. Grobeis, Fürstl. Hohenzoll. Hofrats und Direk-
tors des Museums zu Sigmaringen, wofür wir an dieser Stelle
unseren verbindlichsten Dank sagen.

zum Richten und Fortbewegen gedient hat, für
den letzteren Zweck war auch an jeder Seite ein
grofses massives hölzernes Blockrad angebracht.
Das Abfeuern geschah bei jedem Laufe einzeln
mit Lunte oder Gluteisen.
Die Läufe waren, wie noch jetzt deutlich er-
kennbar, rot angestrichen, wahrscheinlich mit
Mennig-, ein Verfahren, welches in der Zeit
Maximilians I. allgemein üblich war.
Die Herkunft der Orgel ist unbekannt.
Die Entstehungszeit der vorliegenden Orgel
kann nach Bauart der Läufe und der primitiven
Konstruktion der ganzen Waffe in die Mitte des
15. Jahrhunderts verlegt werden; dieselbe zeigt
in ihrem Aufbau den nächsten Fortschritt von
den Konstruktionen aus der Münchener Hand-
schrift und aus Kyessers „Bellifortis“.
Die Konstruktion dieser fünf läufigen Feuer-
waffe ist zweifellos ungemein einfach und ge-
stattete, durch Nebeneinanderstellen mehrerer
solcher Orgeln, eine bedeutende Feuerkraft auf
verhältnismäfsig kleinem Raume bereitzustellen
und sowohl in der Verteidigung als auch im An-
griffe, insbesondere gegen massierte lebende Ziele,
in Anwendung zu bringen.
Eine sehr gut erhaltene und technisch hoch-
entwickelte zweireihige Orgel befindet sich im
k. u. k. Heeresmuseum zu Wien; Artilleriesaal,
Abteilung I, p. 381 des Führers. Abb. 114 a — d2).
Diese Orgel wurde vom kaiserlichen Stückhaupt-
mann und Zeugwart der Stadt Wien, Daniel
Kolmann, erdacht und im Jahre 1678 angefertigt.
Die Konstruktion zeigt eine zweireihige Orgel,
bei welcher in jeder Reihe 25 Läufe sich be-
finden, so dafs bei voller Schufsbereitschaft 50 ge-
ladene Läufe zur Verfügung stehen.
Gewicht der ganzen Waffe: 180 kg.
Länge der Läufe in der oberen Reihe: 61 cm.
Länge der Läufe in der unteren Reihe: 65 cm.
Länge der Laufseele 51 cm bezw. 58 cm.
Das Kaliber ist für alle Läufe gleich und
beträgt 15 mm.
Die Läufe sind aus Schmiedeeisen, aufsen
achteckig, glatt; rückwärts endigen dieselben in
ein oben offenes vierkantig-es Gehäuse, wrelches mit
einem Verschlufsdeckel geschlossen werden kann.
Die Verschlufsdeckel sind vorne mittels
eines Scharniers an den Lauf befestigt, haben
2) Vgl. Leber II, 346. Böheim, Mittig, d. Z. K. N. F.
12, 56. Kropatschek, Über Revolvergeschütze; M. u. G.
d. H. u. Krgws., Wien 1868. Katalog des k. u. k. Heeres-
museums. Wien 1903. — Die photographische Abbildung
sowie die genauen Angaben erhielten wir durch die
freundliche Vermittelung des Herrn Artillerieingenieurs
Dr. W. John, Kustos am k. u. k. Heeresmuseum, wofür wir
verbindlichst danken.

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