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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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1. Heft
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Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [24]
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0041

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i. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

27

Die Unterlage, in welche die Läufe eingelegt
sind, besteht aus einem Kasten aus Messingblech
mit einem starken Boden aus Eisenblech. Der
Kasten ist 98 cm breit, 12 cm hoch, 74 cm lang
und ist vorne und rückwärts mit nach abwärts
bezw. nach aufwärts umlegbaren Deckeln ab-
geschlossen. Die Läufe sind in zwei Reihen zu
je 25 in'den Kasten eingelegt.
Im Kastenboden sind vorne und rückwärts
je 4, oben mit einem Schlitz versehene Eisen-
ständer befestigt, durch welche die beiden Lauf-
reihen in drei Abteilungen, an den Flügeln zu je 8,
in der Mitte zu 9 Läufen geteilt werden.
Über die obere Laufreihe sind, wie schon
erwähnt, zwei geschmiedete Eisenschienen gelegt,
welche mit entsprechenden Ausschnitten ver-
sehen, über die vier Ständer aufgeschoben und
sodann verriegelt wurden.
Unterhalb am Kastenboden ist eine massive
eiserne Querachse befestigt, welche beiderseits
in runde Schildzapfen endigt.
Das Untergestell, auf welches der Kasten
aufgesetzt ist, besteht aus einem 11 cm hohen und
9 cm breiten Achsstock, welcher auf der hölzernen
mit einer Eisenschiene verstärkten Räderachse
aufliegt und mit dieser durch Eisenbänder und
Schrauben fest verbunden ist; an den beiden En-
den des Achsstockes sind die Schildzapfenlager.
Rückwärts schliefst an den Achsstock ein
von oben nach unten zweifach abgeteiltes hölzernes
Gehäuse an, in welchem zwei Requisitenladen sich
befinden.
Das Untergestell hat keinen laffettenartigen
Bau; an die Achse schliefst unmittelbar eine ganz
einfache Gabeldeichsel mit vorne angebrachter
fester Stütze; Zugsvorrichtung- ist keine vorhanden.
Der Kasten hat überdies Vordergewicht und
wird durch zwei Eisenstützen, welche vorne am
Achsstock befestigt sind und bis zur unteren
Seite des Kastenbodens reichen, in horizontaler
Lage erhalten; werden die Stützen entfernt, so
sinkt der Kasten um 300 unter die Llorizontale.
Nachdem das rückwärts befindliche Holzgehäuse
fest und unbeweglich ist, so ist es unmöglich,
den Läufen eine Elevation über die Llorizontale
zu geben. Zu erwähnen wäre, dafs zwei keil-
artige Holzstücke vorhanden sind, welche nach
Anstrich zu der vorliegenden Orgel gehören und
sehr wahrscheinlich die Bestimmung hatten, wenn

nicht die normale horizontale Laufrichtung an-
gewendet werden sollte, eine solche unter der-
selben zu fixieren.
Die mangelhafte Vorrichtung für die An-
nahme einer beliebigen Elevation deutet an, dafs
die Verwendung dieser Orgel für die Verteidigung
auf dem Walle, auf der Bastei oder auf der Schütte
zur Bestreichung des unmittelbaren Vorfeldes oder
zur Abwehr des Angreifers aus nächster Ent-
fernung gedacht war.
Marken oder Zeichen sind an den Läufen
nicht vorhanden; die Läufe sind nur mit einge-
kratzten Ziffern bezeichnet, welche Numerierung
in beiden Reihen erst beim 9. Lauf beginnt.
Oberhalb am Kastendeckel sind zwischen
zwei massiven Delphinen der Doppeladler und das
Wappen Montecuccolis, sowie die Jahreszahl 1687
aus Messing- ausgeschnitten und aufgenietet; ferner
ist folgende Aufschrift eingraviert:
HOC OPVS
355 u RONDO INVENTOR
FECIT DAN NIEL KOLMANN
CIVITATIS VIENNENSIS
ARMENTARII PRAE
FECTVS.
Spuren von Schiefsgebrauch sind nicht vor-
handen.
Auch diese Org-el hat trotz der Hinterladung
grofse Konstruktionsfehler. Das Laden der
unteren Laufreihe war recht umständlich; zum
Abfeuern konnten infolg-e der Dreiteilung durch
die Ständer höchstens 8 bis 9 Läufe gleichzeitig
gelangen; um eine weitere Nebenabteilung zu
entzünden, mufste Zündpulver aufgeschüttet und
die Lunte neuerdings angesetzt werden; für
eine abermalige Ladung mufste eine weitere
Garnitur geladener Kammern vorbereitet sein;
es ist auch anzunehmen, dafs die Geschosse an
der Mündung der Kammern festgehalten wurden,
da sonst bei der aus der Konstruktion sich er-
gebenden Laufrichtung besondere Mafsnahmen
gegen das Herausfallen der Geschosse hätten
getroffen werden müssen. Der Wirkungsbereich
der Geschosse war infolge ungleicher Lauf länge
in den Laufreihen verschieden und infolge mangel-
hafter Elevation beschränkt.
Die vorliegende Konstruktion ist kompliziert,
wenig beweglich, ohne dafs eine besondere Schiefs-
leistung- zu erreichen gewesen wäre.
 
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