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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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1. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0045

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i. Heft.

Zeitschrift für historische Wafienkunde.

31

die sich in den grofsen Zusammenhang der ,,Entwicklung
des vaterländischen Truppenbewehrungs- und Ausrüstungs-
wesens“ nicht organisch eingefügt haben würde. Diese
Entwicklung selbst aber wird uns in zwei grofsen, auch
räumlich geschiedenen Abschnitten dargestellt, von denen
der eine die herzogliche und kurfürstliche Armee, also den
grofsen Zeitraum von 1500 bis 1806, der andere die könig-
liche Armee, also die letzten hundert Jahre, behandelt.
Damit ist eine Einteilung gewonnen, die nicht nur der
politischen Entwicklung des Landes, sondern auch der
Bedeutung seines Heerwesens in anschaulicher Weise ge-
recht wird.
Für jeden Raum gibt Fahrmbacher eine ganz knappe
Einleitung. Der Reichtum des Inhalts, der trotzdem darin
liegt, konnte nur von einem geboten werden, der seinen
Stoff völlig durchdrungen hat und nun über ihm steht.
Die Meisterschaft zeigt sich auch hier in der Beschränkung.
Wer aufmerksam liest, ist sofort im Bilde. Wenige Hin-
weise auf bedeutsame Ereignisse lassen die Vergangenheit
klar vor uns erstehen, die Waffen werden lebendig, nun
wir wissen, welche Schlachten, welche Feldzüge mit ihnen
ausgefochten wurden. Die Aufbringung der Heere, die
als eine der wichtigsten Grundlagen kriegsgeschichtlicher
Erkenntnis von jedem Forschenden mit besonderer Auf-
merksamkeit betrachtet werden wird, wird mit zwei Worten
so gut charakterisiert, dafs sie sich fast vor unseren Augen
zu vollziehen scheint, und die Merkmale, die Bewaffnung
und Ausrüstung einer Zeit von der vorhergehenden oder
einer Truppengattung von der anderen unterscheiden, sind
so geschickt aus dem Ganzen herausgehoben, dafs sich der
Bück auf sie als das Wesentliche der Entwicklung richten
mufs. In der Einführung zum ersten Raum wird die Ein-
teilung der Waffen unter Angabe ihres Zweckes und ihrer
Gebrauchsart bestimmt und klar auseinander gesetzt, in
der Beschreibung dann das System der Anordnung durch
gruppenweise Zusammenfassung mit entsprechenden Über-
schriften deutlich hervorgehoben. Mutatis mutandis wird
es dann in den folgenden Abschnitten beibehalten. Wer
genau zusieht, wird erkennen, welche inneren Zusammen-
hänge sich der Verfasser zwischen den einzelnen Gruppen
dachte, und er wird für das Belehrende, das auch hierin
liegt, dankbar sein.
Musterhaft wie der Aufbau ist die Durchführung im
einzelnen. Hier merkt der Kundige auf Schritt und Tritt,
welch ernste Studien in Zeughausakten vorausgegangen
sein müssen, um diese gleichmäfsige und terminologisch
so sichere Behandlung des Stoffes zu ermöglichen. Wer
weil's, welche Crux in der Waffenkunde die Terminologie
ist, wird gerade diesen Umstand mit mir als einen der
hauptsächlichsten Vorzüge des „Führers“ ansehen. Einen
besonderen Reiz bietet hierbei die geschickte Einmengung
dialektischer und örtlich begrenzter Bezeichnungen. Kurze
Erklärungen, die der einzelnen Waffe dienen, tauchen immer
wieder zwischen den Zeilen auf, nötigen den Betrachter
und Leser zu einer kurzen Pause tieferen Nachdenkens
und sorgen so dafür, dafs das Wesentliche nicht übersehen
werden kann.
Es ist bei einer Wissenschaft, in der noch so viele
Fragen einer befriedigenden Antwort harren, erklärlich,
dafs nicht jeder Fachmann mit Fahrmbacher immer einer
Ansicht sein wird. Auch ich kann ihm nicht immer bei-
pflichten. So kann ich es ihm und anderen z. B. nicht
glauben, dafs das Fangeisen dazu gedient habe, den ge-
harnischten Reiter am Halse einzuklemmen und ihn dadurch
vom Pferde zu ziehen. Ich halte es vielmehr für eine im
Wachtdienst gebräuchliche, für eine Polizeiwaffe, wofür
vielleicht auch der von Fahrmbacher angeführte Ausdruck

„Menschenfänger“ spricht. Den Umstand, dafs in Jena die
„Nachträte“ mit solchen Eisen noch im 19. Jahrhundert den
Studenten nachliefen, wage ich natürlich nicht als ernst-
haften Beleg hier anzuführen. Aber die Möglichkeit, dafs
diese doch nicht sehr weit sich öffnenden Fangeisen gerade
einen geharnischten Hals hätten umschliefsen können,
will mir jedenfalls weniger grol's erscheinen als die, dafs
man einen Ausreifser damit zu fassen und zu halten suchte.
— Entwicklungsgeschichtlich wichtiger ist die Frage, ob
die Partisane zu den Stabschwertern gerechnet werden kann
oder nicht. Fahrmbacher tut es; ich möchte mit Jähns an
der Einordnung dieser Waffe unter die Spiefse mit Neben-
spitzen festhalten, ohne mich dessen einschränkender Be-
merkung: „Eher könnte man sie eine zweischneidige Gläfe
nennen“ anzuschliefsen. Natürlich kann ich dieses Thema,
das sofort in die nicht leicht aufzulösende Wirrnis der
Stangenwaffen hineinführt, hier nur streifen. Aber so viel
möchte ich doch sagen: der Charakter des Spiefsblattes
scheint mir, besonders bei frühen Exemplaren, noch so
deutlich vorhanden zu sein, dafs ich es nicht mit einem
Schwert zusammenbringen kann. Lehrreich ist in diesem
Zusammenhang ein Stabschwert des Dresdner Historischen
Museums. Hier ist eine breite, zweischneidige Schwert-
klinge auf eine Stange gesteckt und zwischen Schaft und
Schwert eine Art Parierstange angebracht, die mit ihren
Enden nach oben gebogen ist. Man braucht diese für das
Entstehen eines Stabschwertes sehr bezeichnende Waffe
nur neben eine Partisane zu halten, um sofort zu sehen,
dafs es sich um Gattungen von Stangenwaflen handelt, die
im Prinzip ihres Aufbaues durchaus verschieden sind. —
Die Armbrust führt Fahrmbacher der Konstruktion wie dem
Namen nach auf die arcubalista zurück. Beides scheint
mir nicht angängig. Über den Namen habe ich mich in
dieser Zeitschrift (3. Band, 5. Heft, S. 142) bereits geäufsert,
und so lange keine Deutung gefunden wird, die einfacher
ist als die meinige — denn es haftet ihr die Blässe des
Gedankens etwas an — und die zugleich ebenso mit dem
Wort die Sache trifft wie sie, mufs ich an ihr festhalten.
In der Konstruktion sehe ich aber so starke Unterschiede
zwischen der arcubalista, die eine Schleudermaschine
war, und der Armbrust, die eine andere, fast entgegen-
gesetzte Art des Schusses bewirkt, dafs ich es schon aus
methodischen Gründen ablehnen mufs, mich Fahrmbacher
anzuschliefsen. — Bei den „Giftzügen“, deren Name noch
einer stichhaltigen Erklärung harrt und mir, der ich eine
alte Beglaubigung dafür noch nicht gefunden habe, ein
verdächtig modernes Gepräge an sich zu tragen scheint,
so dafs ich lieber von durchbrochenen Klingen als von
Klingen mit Giftzügen spreche, bei ihnen mögen dieWaffen-
schmiede wohl, wie der Verfasser sagt, ihre Kunst haben
sehen lassen wollen, der eigentliche Beweggrund zu ihrer
Herstellung war aber doch gewifs das Streben, die Klingen
zu erleichtern.
Derartige abweichende Ansichten können und sollen
bei der Beurteilung der Gesamtleistung nicht ins Gewicht
fallen. Die bleibt vielmehr vortrefflich. Fahrmbacher
hat den besten Führer einer Waffensammlung ge-
schrieben. Er fördert ebenso sehr den Laien, wie er dem
Forscher ein willkommenes Hilfsmittel für seine Arbeit,
auch in den von Stoecklein sorgfältig gezeichneten Marken-
tafeln, bietet. Der eine wie der andere schuldet dem Ver-
fasser Dank. Und wenn ich ihn hier für die Wissenschaft,
der diese Zeitschrift dient, ausspreche, so geschieht es zu-
gleich mit dem herzlichen Wunsch, dafs dem aufstrebenden
Museum noch lange die ungeschwächte Kraft seines tüch-
tigen Vorstandes erhalten bleiben möge.
Karl Koetschau.
 
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