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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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2. Heft
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Kekulé von Stradonitz, Stephan: Das Turnier zu Brüssel im Sommer 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0050

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

IV. Band.

Die durch die Zuvorkommenheit der Verlags-
anstalt L. Vandamme & Co. in Jette bei Brüssel
diesem Berichte beigegebenen sechs Abbildungen
zeigen deutlich, ein wie hoher Grad von Voll-
kommenheit in allen diesen Richtungen erreicht
worden ist. Es bleibt zum Verständnis hier nur
hinzuzufügen, dafs diese Abbildungen in Post-
kartengröfse genau den von Michel gefertigten
Entwürfen nachgebildet sind und dafs die Aus-
führung der Trachten und Bewaffnungen usw. in
der Wirklichkeit die Vorlagen eher noch über-
traf, als dahinter zurückblieb.
Um von der .Sorgfalt, welche auf diese Seiten
der Aufführung gelegt wurde, einen Begriff zu
g-eben, sei folgendes angeführt.
Es steht fest, dafs Karl der Kühne schon als
Graf von Charolais eine besondere Vorliebe für
eine bestimmte Stofffarbe hatte, welche in den
zeitgenössischen Berichten „violet en greinne“
genannt wird. Dieser Farbe bediente er sich
nicht nur an sich selber mit Vorliebe, sondern er
hatte in sie für das Turnier vom 20. Februar 1452
einen grofsen Teil seines Gefolges gekleidet.
Auch ein Teil seiner Gegner hatte sie, ihm zu
Ehren, verwendet. Es ist gleichfalls überliefert,
dafs alle diese Stoffe von einem weitbekannten
Tuchhändler italienischer Herkunft zu Brügge,
Johann Arnolfini aus Lucca3), bezogen worden
sind. Die genaue Feststellung des Farbentones
für das Turnier hat die mühsamsten Nachfor-
schungen erfordert. Und als diese Feststellung
endlich gelungen war, stellte sich heraus, dafs
Stoffe mit diesem Farbenton nicht ohne weiteres
zu beschaffen waren. Nach vielen Versuchen erst
gelang es endlich der grofsen Firma Coopman sen.
in Verviers, den Farbenton zu treffen und mit
dieser Farbe gefärbte Stoffe wirklich herzustellen.
Selbstverständlich war nun aber doch alles
in der Tracht und in der Bewaffnung- auf eine
gewisse Ferne, eine Art von bühnenrnäfsiger
Wirkung zu berechnen. Dafs z. B. die feinen
Einzelheiten an der Bewaffnung und gar an den
'feilen der einzelnen Waffen einer Besichtigung
ganz aus der Nähe niemals hätten Stand halten
können, mufste ja von vornherein feststehen. Das
war aber auch nicht zu erreichen, sonst hätte die
Aufführung vielmal mehr kosten müssen, als sie
kosten durfte, ln den Grundlinien waren aber
jedenfalls selbst die Einzelheiten fehlerfrei. Wenig-
stens habe ich trotz eifrigem Spähen keine Ver-
stöfse entdecken können.
Sehr zum Gelingen des Ganzen trug endlich
bei, einmal die Begleitung durch Musik im Stile
8) Johann Arnolfini ist mit seiner Frau verewigt durch
keinen geringeren als Jan van Eyck. Die Originale sind
in London in der National Gallery.

der Zeit und zu Gehör gebracht durch Instrumen-
tierung nach Art der Zeit, sodann der Umstand,
dafs innerhalb der Turnierschranken während der
Handlung auch diejenigen Worte gesprochen wur-
den, welche nach feststehender Überlieferung-
bei der betreffenden Einzelhandlung vorgeschrie-
ben waren. So z. B., wenn der Ritter auf die
Frage, wer er sei, antwortet:
„Monseigneur le Marechal, je suis Jehan, seig-
neur de Lannoy, de Lys et de Rume, venu avec
mes amis, aux jour et heure que mon tres redoubte
et souverain seigneur le duc cy present, comme
vray juge competent a bien voulu me fixer
pour faire, fournir et accomplir mes armes contre
tous venants, selon le contenu de mes chapitres“,
oder wenn die Kämpfenden vor Beginn des Zwei-
kampfes allen Zauber abschwören mufsten mit
der Eidesformel:
„Sur la foi que nous tenons de dieu, sur nostre
vie, sur nostre honneur, nous ne portons ni sa-
vons porter choses sur nous, ni entendons
porter, comme briefves paroles, charmes, herbes,
conjuracions ni aultres diabolicques operations
de mal engin, pourquoy l’ung contre l’aultre
ne puissions offendre ni deffendre, et sans nulles
haynes ni envyes ou mal tallent, fors seule-
ment pour acquerir honneur et bonne renommee
et les tres desirees gräces de nos dames.“
Nach allem Vorstehenden dürfte eine, wenn-
gleich ganz kurze Übersicht über den Inhalt der
ganzen Aufführung in Gestalt einer Disposition
für viele Leser von Wert sein. Die ganze Auf-
führung im Zusammenhänge zu schildern, ist hier
nicht der Ort, würde auch zu viel Raum bean-
spruchen. Wer sich darüber zu unterrichten
wünscht, dem kann nur die Anschaffung des be-
reits erwähnten und alsbald noch näher zu be-
sprechenden „Scenario“ angelegentlichst empfohlen
werden.
Die Angabe des Inhaltes der ersten Abtei-
lung, des Lanzenstechens, ist oben schon gegeben
worden.
Der Inhalt der vier anderen Abteilungen war
folgender:
II. Abteilung.
Der Waffengang (pas d’armes).
Einzug Johanns von Lannoy (Abb. 1) mit seinen
Freunden Johann von Merode und Friedrich
von Renesse mit ihren Begleitungen.
Prüfung des erstgenannten Ritters durch den
Marschall und den Wappenkönig, Zulassung
durch den Herzog von Burgund.
Einzug Philipps von Glymes mit seiner Begleitung.
Vorstellung dieses Ritters und Zulassung durch
den Herzog.
 
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