Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

DOI issue:
2. Heft
DOI article:
Rose, Walther: Römisch-germanische Panzerhemden, [2]: Altertum - Zeitalter der Völkerwanderung - Frühes Mittelalter bis zur Karolingerzeit
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0054

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
40

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

IV. Band.

Römisch-germanische Panzerhemden.
(Altertum. — Zeitalter der Völkerwanderungen. — Frühes Mittelalter
bis zur Karolingerzeit.)
Von Regierungsrat Dr. Walther Rose in Berlin.
(Fortsetzung.)

II. Germanische Panzerhemden.

A. Historisches.
benso wie bei den Römern
erscheint der eiserne
Ringpanzer unter
den übrigen Völ-
kern des Occidents
auch bei den Gal-
liern (Kelten), von
denen nach dem
Berichte Diodors1)
(Buch V Kap. 30)
der Adel hiermit
ausgerüstet war. Dies mufs bereits in einer so
frühen Zeit der Fall gewesen sein, dafs M.Terentius
Varro2) das Panzerhemd geradezu als gallische
Erfindung bezeichnet, indem er in seinem Wörter-
buche „de Lingua Latina“ (Kap. 24 § 116) aus-
drücklich hervorhebt: „Lorica quod a loris de
corio crudo pectoralia faciebant; postea subcidit
gallica e ferro sub id vocabulum, ex anulis ferrea
tunica“.
Wenn hier nicht nach der anderen Lesart des
Codex Florentinus anstatt des Wortes „gallica“
vielmehr „cum aliis“ zu lesen sein sollte, so dürfte
diese Angabe darin ihre Erklärung finden, dafs
die Gallier (Kelten) nach ihrem Einfall in Griechen-
land im Jahre 280 v. Chr. und Eroberung der nach
ihnen später mit Galatien benannten Provinz Klein-
asiens im Jahre 278 v. Chr. infolge vieljähriger
Berührung mit der umwohnenden griechischen und
orientalischen Bevölkerung auch sehr bald sich
ü Diodorus, genannt Siculus, berühmter Geschichts-
schreiber unter Julius Cäsar und August, geboren in Argyrien
in Sizilien, ist der Verfasser eines von ihm als „Historische
Bibliothek“ bezeichneten Geschichtswerks von 40 Büchern,
enthaltend die Geschichte fast aller Völker der Erde bis
zum Jahre 60 v. Chr. Vollständig erhalten sind nur die
Bücher x—5 und 11—20.
2) M. Terentius Varro, genannt Reatinus, der gröfste
Gelehrte des alten Rom, geb. 116 v. Chr. in Reate im Sabiner-
land, gest. 27 v. Chr., verfafste aufser mehreren anderen
Werken auch ein aus 24 Büchern bestehendes Werk „de
Lingua Latina“, von dem noch 6 Bücher erhalten sind.

deren Zivilisation und Bewaffnung aneigneten und
daher auch Gallograeci genannt wurden. Auch
in diesem Falle wäre also wie gleichzeitig bei den
Römern die Annahme des Maschenpanzers auf
direkten griechisch-orientalischen Einflufs zurück-
zuführen.
Dagegen lernten die Germanen das Panzer-
hemd erst von den Römern kennen, zunächst wohl
nur als Beutestück, da der Waffenraub an er-
schlagenen Feinden als allgemeiner Brauch noch
in der späteren deutschen Heldensag-e anerkannt
ist3), hauptsächlich aber infolge der steten Be-
rührung beider Völker während der Kaiserzeit,
in welcher die Germanen nicht nur ein erhebliches
Kontingent zu den angeworbenen Flilfstruppen
(Auxiliären) stellten, sondern auch meistens die
bevorzugte Leibwache der Cäsaren selbst bildeten.
Hierzu kommt noch seit den Eroberungen der
Römer an dem Rhein und der Donau der reiche
Einflufs, welchen römische Kultur in dem jahr-
hundertelangen unbestrittenen Besitz der Länder
auf der linken Seite des Rheins und in Süddeutsch-
land mit sich bringen mufste, während von den
südlicheren römischen Kolonien in den Donau-
ländern aus längs den schon in der jüngeren
Bronzezeit befahrenen Flüssen Oder und Weichsel
sich bis zu den entfernten Gestaden der Ostsee-
provinzen ein wichtiger Tausch- und Plandelsver-
kehr entwickelte, welcher durch zwischenwohnende,
stammverwandte gotische Völkerschaften aufrecht
erhalten wurde.
Jedenfalls war der Maschenpanzer, wie die
weiter unten beschriebenen Funde beweisen, bei
den Germanen schon vor der Zeit der Völker-
wanderungen eine ebenso bekannte wie bevor-
zugte Schutzrüstung, wenn sie auch wegen ihrer
8) Dieser uralte germanische Brauch findet sich selbst
noch in dem um das Jahr 930 n. Chr. entstandenen Walthari-
liede, woselbst Walthari den von ihm Erschlagenen Gold-
schmuck und Waffen raubt:
Waltharius v. 1193 ff. (Gesang X, Vers 61 ff.):
„Armillas tantum cum bullis baltea et enses,
Loricas quoque cum galeis destraxerat ollis“.
 
Annotationen