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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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2. Heft
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Rose, Walther: Römisch-germanische Panzerhemden, [2]: Altertum - Zeitalter der Völkerwanderung - Frühes Mittelalter bis zur Karolingerzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0056

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4 2

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

IV. Band

Auch den Ostgoten war der Maschenpanzer
wohlbekannt, doch mufs derselbe gegen Pfeil und
Lanze nur geringe Sicherheit g'eboten haben, wie
denn auch hauptsächlich die mangelhafte und un-
zweckmäfsige Bewaffnung der Ostgoten deren
zahlreiche Niederlagen in den unausgesetzten
Kämpfen mit den besser gerüsteten oströmischen
Truppen des Kaisers Justinian mitverschuldet hat.
Es wird dies ausdrücklich in mehreren Berichten
des byzantinischen Geschichtsschreibers Prokop11)
hervorgehoben, der den kaiserlichen Feldherrn
Beiisar seit dem Jahre 527 auf allen Feldzügen
als Geheimschreiber begleitete und somit ein
Augenzeuge dieses gewaltigen Ringens um die
Herrschaft Italiens gewesen ist.
Seiner ebenso ausführlichen wie wahrheits-
getreuen Schilderung, die auch der heroischen
Tapferkeit des Feindes Gerechtigkeit widerfahren
läfst, mögen die nachfolgenden packenden Szenen
dieses blutigen Kampfesdramas im Wortlaute des
Originals entnommen sein:
„Als (im Jahre 537) bei dem ersten Sturm
auf Rom die Goten unter ihrem König Witichis
ziemlich nahe an den Graben gekommen waren,
spannte als erster Beiisar selbst seinen Bogen
und streckte einen gepanzerten Führer jener
durch einen Schufs in den Hals nieder. Töt-
lich getroffen schlug er hintenüber, das Volk
der Römer aber schrie über die Mafsen laut
auf, da sie meinten, das sei eine ausgezeichnete
Vorbedeutung12).“
„Am Salarischen Tor stand ein edler Gote,
ein sehr grofser und tapferer Mann, mit Helm
und Panzerhemd angetan, nicht in Reih und
Glied mit den andern, sondern vor einem Baum
allein und warf seine Geschosse g-egen die
Brustwehr. Diesen Mann traf eine Maschine,
welche auf dem Turm zur Linken stand, auf
wunderbare Weise: das Geschofs durchbohrte
nämlich den Ringpanzer und den Körper des
Mannes und g'ing- noch tief in den Baum hinein,
so dafs der Leichnam an den Baum geheftet
blieb. Als das die Goten sahen, bekamen sie
grofse Furcht und begaben sich aufser Schufs-
weite. Zwar blieben sie noch in Schlacht-
ordnung-, aber sie belästigten die auf der Mauer
nicht mehr13).“
n) Prokopius von Caesarea, byzantinischer Geschichts-
schreiber des 6. Jahrhunderts n. Chr. Von seinen Werken
behandelt die Geschichte seiner Zeit in 8 Büchern, um das
Jahr 555 vollendet, die Kriege des Kaisers Justinian mit den
Persern, Vandalen und Goten. (Deutsche Übersetzung
seines „Gotenkrieges“ von Dr. D. Coste, Leipzig 1855.)
12) Prokop: Gothenkrieg, Buch I, Kap. 22 (Übersetzung
von Coste S. 63).
13) Prokop a. a. O., Buch I, Kap. 23. (Coste a. a. O.
S. 67).

Den glänzenden Sieg, den König Totilas im
Jahre 541 mit seinen Goten über das römische
Heer unter dem Armenier Artabazes beiFaventia
(Faenza) erfocht, leitete vor Beginn des Kampfes
nach alter Heldensitte ein ritterlicher Zwei-
kampf ein.
„Als sie nun ziemlich nahe an einander ge-
kommen waren, ritt ein gotischer Mann namens
Viliaris, von gewaltiger Gröfse und furchtbarem
Aussehen, ein kühner und tapferer Held, ge-
panzert von Kopf bis zu Fufs, mitten vor das
Gotenheer und rief alle Römer auf, ob einer
sich mit ihm messen wollte. Alle fürchteten
sich und waren ganz still, nur Artabazes hatte
den Mut, ihm entgegenzutreten. Beide ritten
auf einander los und stiefsen mit den Lanzen,
als sie auf Armeslänge sich genähert hatten.
Artabazes kam dem Viliaris zuvor und traf ihn
in die rechte Seite. Der Barbar war zum Tode
getroffen und wollte hintenüber sinken, aber
seine Lanze, die hinter ihm an einem Stein
Widerhalt gefunden hatte, verhinderte seinen
Fall. Artabazes aber bohrte seinen Speer
immer tiefer in den Leib des Gegners, da er
die Wunde nicht gleich anfang-s für tötlich ge-
halten hatte. Dabei fährt ihm der Speer des
Barbaren geg'en den Hals und trifft gerade auf
eine Arterie. Sofort entstand eine starke
Blutung, ohne dafs er dabei Schmerz empfand,
vielmehr ritt er ruhig zum römischen Heere
zurück, und Viliaris blieb tot auf dem Platze.
Artabazes aber gab am dritten Tage nachher
seinen Geist auf, da sich das Blut nicht stillen
liefs14).“
Übrigens schildert Ag'athias10) in seiner Fort-
setzung der Geschichte des Gotenkrieges von
Prokop einen ähnlichen Vorfall auch auf römi-
scher Seite, der sich im Jahre 552 unter Narses
bei der Belagerung des Kastells zu Cumae er-
eignete, in welches sich nach dem Fall des letzten
Gotenkönigs Tejas dessen jüngster Bruder Aligern
geworfen hatte:
„Die Pfeile, welche Aligern selbst schofs,
lernten die Römer bald von den andern unter-
scheiden: Mit starkem Zischen und unglaub-
licher Schnelligkeit kamen sie angesaust und
zerschmetterten alles, selbst wenn sie auf einen

14) Prokop a. a. O., Buch III, Kap. 4. (Coste a. a. O.
S. 182).
15) Agathias, mit dem Beinamen Scholastikos, geb.
536 n. Chr. zu Myrina in Aetolien, gest. um 582 n. Chr.
Von seinen Schriften ist vollständig erhalten sein Geschichts-
werk in 5 Büchern, das die Jahre 553 — SS8 aus Justinians
Regierung behandelt und als eine Fortsetzung des Prokopius
betrachtet werden kann. (Deutsche Übersetzung von Dr.
Coste, Leipzig 1885, als Anhang zum Gotenkriege Prokops).
 
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