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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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3. Heft
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Potier, Othmar: Die Waffenkammer des Stiftes Kremsmünster, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0093

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3. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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konnten. Mit wildem Hohn drückt sich in dieser Beziehung
ein im Linzer Museum auf bewahrter Chronikauszug über
das Schicksal der bei Wolfseck (30. November 1626) ge-
schlagenen Bauern aus: „Was vor denen Schwerdern und
Kugeln gefrohrn wäre, hat mit umbgekehrten Gewehr und
mit morgenstern miessen waich gemacht werden“.
Sogar das in Sachen der Landesdefension am
21 Februar 1641 abgegebene Gutachten der Stände Ober-
österreichs nahm noch auf diese Streitkolben Rücksicht,
indem es anordnete: „Wenn ein Pflegsverwalter in seinem
Bezirk nebst den Aufgebotenen noch 318 Mann wehrhafter
Untertanen hat, da müssen diese im Notfälle mit Streit-
kolben und Morgensternen bewehrt werden“. Vgl. Albin
Czerny, Bilder aus der Zeit der Bauernunruhen in Ober-
österreich 1626, 1632, 1648 (Linz 1876). — Franz Kurz,
Geschichte der Landwehre in Österreich ob der Enns. —
F. Stieve, Der oberösterreichische Bauernaufstand des
Jahres 1626 (München 1891).
42. Kriegsflege 1. Ein 142 cm langer, nach
vorn an Stärke mäfsig zunehmender Schaft,
welcher an seinem oberen Ende mit Nägeln und
vier Bändern beschlagen ist, trägt eine 17 cm
lange Flegelrute. Dieselbe ist in ihrer Länge
mit sechs schraubenförmig gewundenen schmiede-
eisernen Streifen beschlagen, welche durch zwei
Bänder aus Flacheisen zusammengehalten werden.
Diese Bänder sind mit je sechs 4 cm langen Nägeln
gespickt. 16. oder 17. Jahrh.
Anmerkung. Diese Kriegsflegel erwähnt bereits
die unter Herzog Alb recht erlassene wider die Hussiten
gerichtete Defensionsordnung als ordonnanzmäfsige Waffe
der aufgebotenen Landstürmer. Je 20 Mann hatten nämlich
mit einem vierspännigen Rüstwagen ins Feld zu rücken.
Zum Schlagen der Wagenburg mufste jeder Wagen mit
einer 15 Schuh langen Kette versehen sein. Auf dem
Wagen waren verladen: 3 Büchsen mit dem notwendigsten
Schiefsbedarf; 8 Bogen mit je 10 Pfeilen; 4 Spiefse und
ebenso viele Drischel. Vgl. Franz Kurz, Geschichte der
Landwehr usw.

Abb. 4. Streithacke, 2. Hälfte des 16. Jahrh.
(Nr 43.)
43. Streithacke italienischer Form in Ver-
bindung mit einer Schiefsvorrichtung (Abb. 4).
Ein 71 cm langer Schaft aus Eisen trägt ein
schlankes Beil, dessen obere, fast wagrechte
ICante 38 cm mifst, von welchen 14 cm auf den
an seiner Wurzel vier- dann achtkantigen Hammer-
schweif entfallen. Die Schneide ist 8,5 cm lang.
Der geschmackvoll gegliederte Stiel dient auf
eine Strecke von 51 cm zugleich als Lauf von
11 mm Kaliber. Er besteht aus zwei Teilen:
Auf dem oberen, 48 cm langen Teil ist mit zwei
Schrauben das Beil befestig't. Seinen unteren
Abschlufs bildet eine 10 cm lange Kammer-


schwanzschraube. Durch ein Schraubengewinde
wird mit diesem Teil des Stieles dessen untere
25,7 cm lange zweiteITälfte verbunden. Diesenimmt
in ihrem Inneren die Kammerschwanzschraube
und den Mechanismus des Radschlosses auf.
Schutzscheiben für die Hand begrenzen den 10 cm
langen belederten Griff, welchen unten ein hölzerner
Knopf abschliefst. Das Schlofs ist mit einer
Hebelsicherung versehen. Alle Eisenteile der
Waffe lassen Reste einst reicher und fein aus-
geführter Auflagen in Gold erkennen. 2 kg.
2. Hälfte des 16. Jahrh.
44. Beil zu einem Fokos, polnisch Topor,
mit vierkantigem Hammerkopf, während das
16,5 cm lang'e Beil in elegantem Bogen nach ab-
wärts geschwungen erscheint. Die Flächen des
0,6 kg schweren Beiles, dessen Schneide 8,5 cm
lang ist, sind durch Eisenschnitt verziert. Man
bemerkt einerseits einen einköpfigen nach rechts
sehenden Adler (Polens?), andererseits den Doppel-
adler, am Kopfe des Hammers ein muschelartiges
Ornament. Der Stiel fehlt. 18. Jahrh.

B. Blanke Waffen.
45. Waidbesteck (Abb. 5). Ein
Futteral, welches in Lederpressung
auf getupftem Grund gotisches Laub-
und Rankenwerk in vornehmster
Weise zur Geltung bringt, enthält:
Die WAidpraxe, die Zerwirkmesser,
die Efsgabel und das Efsmesser. Das
32 cm lange Blatt der Waidpraxe
zeigt auf gebläutem Grund in Gold-
ätzung bildliche Darstellungen: Auf
der Knöchelseite der Klinge bemerkt
man einen Geharnischten, welcher in
der linken Hand die Rennfahne, in
der Rechten den österreichischen
Bindenschild hält. Die Daumenseite
zeigt die Gestalt eines auf dem Thron
sitzenden deutschen Königs, welche
sich von dem ITintergrund, einem
Sternchenmuster, wirkungsvoll ab-
hebt. Die Zerwirkmesser besitzen
32 cm und 29 cm lange Klingen, von
welchen die erstere auf blankem
Grund in gebläuter Manier zwischen
Rankenwerk Spuren von Jagdszenen
— Hunde und berittene Jäger —
und zwei ziemlich unleserlich gewor-
dene Schriftbänder — „Hilf GOTT
vnd Ritter Sand Jörg ausch . . . noddorft“ und
„GOTT walte sin vnd Sant Sigmund“ — erkennen
läfst. Die zweizinkige Gabel zeichnet sich durch
einen schraubenartig gewundenen Hals aus. Die
in Messing montierten flachen Griffe sind auf jeder


Abb. 5.
Waidpraxe,
. Viertel des
16.Jahrh.
(Nr. 45.)
 
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