Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

DOI issue:
3. Heft
DOI article:
Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [25]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0101

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
3. Heft.

Zeitschrift für historische Waftenkunde.

87

zelne Holzbestandteile wurden um das Jahr 1840
neu ergänzt.
Eine Riclitmaschine war sehr wahrscheinlich
vorhanden, wenigstens deutet dies ein rechts seit-
wärts an der Vorderwand des Lafettenkastens
angeschraubter eiserner Bügel an. Dieser origi-
nale Bügel hat eine doppelte Durchlochung,
innen eine angeschraubte Sperrfeder und war
ursprünglich sehr wahrscheinlich in der Mitte
der vorderen Lafettenkastenwand befestigt; an
die jetzige Stelle, an welcher der Bügel roh mit
Nägeln befestigt ist, scheint derselbe erst bei
der Herrichtung- der Lafette — um 1840 — ge-
kommen zu sein.
Der Bügel diente sehr wahrscheinlich zur
Aufnahme und Lührung einer — jetzt fehlen-
den — Schraubenspindel, welche bei entsprechend
geformtem Oberteil das hinterwichtige Laufbündel
in einer bestimmen Elevation erhalten konnte.
Lin fixer Querriegel zwischen den Lafetten-
wänden, auf welchem das hinterwichtige Lauf-
bündel aufliegen könnte, ist nicht vorhanden; jetzt
wird das Laufbündel nur durch eine lose auf
die obere Kante der Lafettenwände gelegte
Lisenschiene getragen; dieselbe ist an einem
Ende durchlocht.
Vorwärts der Geschützachse sind aufsen an
beiden Lafettenwänden starke, nach rückwärts
gebogene Eisenhaken befestigt, welche zur Be-
wegung der Lafette bezw. des „Orgelgeschütz“
mittelst Seilen und auf kurze Strecken gedient
haben.
Besondere Zeichen oder Marken konnten nicht
aufgefunden werden.
Spuren von Schiefsgebrauch sind weder an
den Zündlöchern noch an den Mündungen wahr-
zunehmen.
Über die Herkunft dieses Orgelgeschütz
gibt eine Eintragung im Waffeninventar der Veste
Koburg- vom Jahre 1664 folgenden Aufschlufs:
„Sturmgeschofs von Eisen mit 49 Schüssen“.
Diese Eintragung bezieht sich zweifellos auf
obige Orgel und stellt fest, dafs zur ang-egebenen
Zeit diese auf Veste Koburg schon vorhanden
war; die Entstehungszeit ist daher entsprechend
vorzuschieben.
Bei der Berliner-Orgel wurde hervorgehoben,
dafs Laufbündel und Untergestell schon ursprüng-
lich in der beschriebenen Vollkommenheit ange-
fertigt und nach einem besimmten Vorbilde zu
einer Waffe zusammengesetzt und in konstruktive
Verbindung gebracht wurden.
Bei der vorliegenden Orgel läfst sich jedoch,
schon mit Rücksicht auf das Urbild einer mehr-
reihigen Orgel, der Eindruck nicht abweisen, dafs
Laufbündel und Unterlage, also hier die Lafette,

nicht ursprünglich zusammengehört haben, sondern
erst später in die vorliegende Verbindung ge-
langt sind.
Überprüft man den Kriegswert der beiden
vorstehend beschriebenen Orgeln, so erscheint
es wohl fraglich, ob dieselben jene Erwartungen
erfüllen konnten, welche man bei Konstruktion
und Anfertigung- derselben sehr wahrscheinlich
angestellt hatte.
Die Waffe mufste geladen an jener Stelle
stehen, von welcher aus dieselbe abgefeuert
werden sollte; eine einmalige Ladung der 49 bezw.
64 Läufe dauerte, selbst bei 2 bis 3 Mann Bedienung,
mindestens eine halbe Stunde, da das Einfüllen
des Pulvers bei der wenig geneigten Stellung
und der engen Verbindung der Läufe ungemein
zeitraubend und schwierig- gewesen sein mufs;
ein neuerliches Laden im Bereiche feindlicher
Waffenwirkung war daher ganz ausgeschlossen.
Ferner ist es sehr wahrscheinlich, dafs man
vor dem Abfeuern der einzelnen Reihen, nach-
dem das Schiebeblech nach links herausgezogen
worden war, das Zündpulver aufschüttete oder
infolge der Erschütterung beim vorhergehenden
Schüsse mit Zündpulver erneuert nachhelfen
mufste, um die Entzündung der ganzen Reihe
sicher zu stellen; durch dieses augenscheinlich
notwendige Verf ahren wurde jedoch die Schnellig-
keit des Feuers beeinträchtigt.
Der Wirkungsbereich der Geschosse konnte
kaum über 150—200 Schritte hinausgreifen; es
erscheint daher fraglich, ob man in der Zeit,
welche eine anstürmende feindliche Abteilung
benötigte, um obigen Wirkungsbereich zu durch-
schreiten, auch sämtliche 7 bezw. 8 Reihen zum
Abfeuern bringen konnte, da nach jedem Schüsse
aus einer Laufreihe die erneuerte, wenn auch
flüchtige Kontrolle der Laufrichtung, das Heraus-
schieben des Verschlufsbleches, das Aufschütten
des Zündpulvers und das Ansetzen der Lunte
nötig waren.
Die Zentralzündung im Laufboden mufste
die Schufspräzision vermindern und die rückwärts
ausströmenden Pulvergase die Bedienungsmann-
schaft empfindlich belästigen.
Die gleichreihige Aufschlichtung der Läufe
machte die Feuerwaffe um so schwerfälliger, je
mehr Reihen übereinander gelegt wurden; das
feste Zusammenhalten des ganzen Laufbündels
erforderte besondere massive und starke Vor-
richtungen, wodurch das Eigengewicht der Waffe
vergröfsert wurde.
Es wurde die auffallende Ähnlichkeit der
vorliegenden beiden Orgeln mit der Abbildung
aus den Zeugsbüchern Maximilians I. — (Abb. 102)
— hervorg'ehoben. Nachdem nun weder die
 
Annotationen