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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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5. Heft
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Lenz, E.: Über Damast
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0148

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134

E. v. LENZ, ÜBER DAMAST

IV. BAND

üblichen, von keinem einheitlichen Teilungsprinzip
ausgehenden orientalischen Benennungen. Diesem
Vorschläge können wir uns nicht rückhaltslos
anschliefsen und zwar nicht etwa aus dem Grunde,
dafs ein anderer Ausweg uns geeigneter erscheint,


Abb. 4.
sondern, weil wir überzeugt sind, dafs bei dem
jetzigen Stande der Frage es entschieden ver-
früht wäre, mit einer tausendjährigen Überliefe-
rung nur deswegen kurzweg zu brechen, weil ihre
Einzelheiten uns zum Teil noch fremd, zum Teil
unklar sind. Und gewinnen wir denn wirklich
soviel mit der Einführung der neuen Einteilung-
die —• doch wohl nicht rein zufällig — von ihrem
Erfinder selbst in praxi nicht angewandt wurde?
Von den 5 Stufen der Anossow’schen Skala scheiden
sich die beiden untersten, der streifige und ge-
wässerte Damast, so wenig scharf von einander,
dafs Herr Belajew selbst im Zweifel ist, wel-
cher von beiden mit dem Scham der Orientalen
zu identifizieren sei; der dritte in der Reihe, der
gewellte Damast, soll dem Kaum-Hindi entsprechen,
weil diese Bezeichnung „indischeWelle“ bedeutet —
eine Schlufsfolgerung, die wohl verlockend er-
scheint, aber ohne tatsächliche Beweise durchaus
hinfällig ist; endlich die beiden höchsten Sorten,
Netz- und Stufendamast, fallen so wenig mit dem
Taban der Inder und dem Chorassan der Perser
zusammen, dafs z. B. einerseits Anossow den Taban
mit dem Netzdamast identifizierte, andererseits der
Verfasser selbst daraufhinweist, dafs sowohl unter
den zweifellos echten Taban-, als auch unter den
Chorassan-Klingen beide Sorten Vorkommen kön-
nen, dafs es folglich Netz-Taban und Stufen-Taban,
Netz-Chorassan und Stufen-Chorassan gibt. Es ist
also klar, dafs die neue Nomenklatur sich mit der
alten nicht deckt, auch nicht decken kann, da erstere
systematisch nach der Zeichnung des Musters auf-
gestellt ist, letztere aber aus zufällig zu unserer
Kenntnis gelangten, von verschiedenen Völkern
und zu verschiedenen Zeiten entlehnten Benenn-
ungen besteht, die vielleicht nur aus demZusammen-
hange gerissene Reste ganzer Serien von Bezeich-
nungen repräsentieren, deren jede nach einem ge-
wissen Prinzip, d. h. etwa geographisch, oder nach
Farbe und Zeichnung geordnet sein konnte. Wie
lückenhaft die jetzt allgemein bekannte Reihe von

Namen: Taban, Karataban, Chorassan, Karacho-
rassan, Kaum-Hindi, Neiris und Scham ist, ersieht
man aus der Mannigfaltigkeit der zum Teil be-
reits oben angeführten, von Barker und Butenew
erwähnten Bezeichnungen vonDamastsorten, deren
Übersetzung uns noch weitere Enthüllung-en ver-
sprechen; so nennt Barker: Kermani-Taban (von
der Stadt Kerman) Dischi-Taban (weiblichen Ta-
ban und Erkek-Taban (männlichen Taban), Lahori-
Chorassan (in Chorassan verarbeiteter, aus Lahor
eingeführter Woozstahl) und Bayaz- Chorassan
(weifser, vielleicht im Gegensatz zum eingeführten
also einheimisches Material) Sari-Hindi (gelblicher
oder rötlicher indischer) und Kaum-Hindi (indische
Welle) Lahori-Neiris (blitzender aus Lahor) Elif
Stambul (gewöhnlicherKonstantinopeler) und Eski-
Scham (alter syrischer Damast).
Da also, wie wir gesehen haben, die neue
Nomenklatur Anossow’s sich mit der orientalischen
nicht deckt, so mufs mit Einführung der ersteren
die letztere ganz fallen gelassen werden und da-
bei steht sehr viel auf dem Spiel, denn alle histo-
rischen und ethnographischen Hinweise, die in den
orientalischen Namen selbst liegen und alle sonsti-
gen Details, welche wir an gewissen Damastsorten
bereits kennen und an anderen noch in Erfahrung
bringen können, beziehen sich eben stets auf nur
einen, so oder anders genannten Typus, z. B. aus-
schliefslich auf den Taban, aber durchaus nicht auf
alle netzartig gemusterten Sorten, oder nur auf den
Scham und nicht auf alle streifigen Muster. Übri-
gens hiefse es g'ar zu sehr den einseitigen Stand-
punkt der eigenen Fachinteressen betonen, wenn
wir dem Autor nicht zugeben wollten, dafs er in
gewissem Sinne vollkommen im Rechte ist: für
den Chemiker, für das Experiment und die etwaige
Zukunfts-Damastproduktion bietet selbstverständ-
lich die neue Skala den unschätzbaren Vorteil
des Präzisen, Festen und Realen, welches unbe-


Abb. 5.

denklich an Stelle des Unbekannten und Unklaren
gesetzt werden mufs; für die historische Waffen-
kunde aber liegt die Sache anders und in ihrem
Interesse ziehen wir es entschieden vor, bei den
alten Bezeichnungen zu bleiben und nach Kräften
an ihrer Erklärung und Feststellung weiter zu
arbeiten.
 
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